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OWi II: (Akten)Einsichtsantrag und Aussetzungsantrag, oder: Unzulässige Beschränkung der Verteidigung

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Die zweite OWi-Entscheidung kommt aus Dresden. Sorry, ich hatte die bisher leider in meinem Ordner übersehen. Der OLG Dresden, Beschl. v. 11.12.2019 – 23 SsBs 709/19. geht an die Frage der Aussetzung der Hauptverhandlung nämlich etwas etwas anders heran als z.B. das BayObLG:

„Die zulässige Rechtsbeschwerde führt auf die formgerecht erhobene Verfahrensrüge des Verstoßes gegen ein faires Verfahren und die unzulässige Einschränkung der Verteidigung durch Ablehnung des Antrages auf Aussetzung der Hauptverhandlung zur Einsicht in nicht bei den Akten befindliche amtliche Messunterlagen zu einem – vorläufigen – Erfolg und zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

1. Die Rüge der unzulässigen Beschränkung der Verteidigung ist zulässig erhoben. Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft Dresden bedarf es vorliegend nicht des Zwischenrechtsbehelfs des § 238 Abs. 2 StPO, da das Amtsgericht den gestellten Aussetzungsantrag gemäß § 228 Abs. 1 Satz 1 StPO durch Beschluss zurückgewiesen hat. Der Zwischenrechtsbehelf des § 238 Abs. 2 StPO ist nur dann zwingend zur Erhaltung der Verfahrensrüge erforderlich, wenn der Antrag auf Aussetzung durch den Amtsrichter lediglich verhandlungsleitend abgelehnt wird (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, NStZ 2019, 620). Der Betroffene hat durch seinen Verteidiger nach Ablehnung der Überlassung der geforderten Messdatei der gesamten Messung durch die Verwaltungsbehörde auch einen Antrag gemäß § 62 OWiG gestellt (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 19. September 2019, 1 RB 28 Ss 300/19 – juris). Der Umstand, dass die Verwaltungsbehörde die Akten dem Amtsgericht zur Entscheidung nach § 62 OWiG nicht vorgelegt und das Amtsgericht insoweit nicht entschieden hat, ist vom Betroffenen nicht zu verantworten und kann daher die Zulässigkeit seiner Verfahrensrüge nicht beeinflussen.

2. Die damit zulässig erhobene Rüge ist auch begründet. Vorliegend wurde die Verteidigung durch den Beschluss, mit dem der Aussetzungsantrag zurückgewiesen wurde, rechtsfehlerhaft beschränkt, da der Betroffene ein Recht auf Einsicht in die nicht bei den Akten befindlichen amtlichen Messunterlagen hat, die er für die Prüfung des Tatvorwurfs benötigt.

Aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) i.V.m. dem allgemeinen Freiheitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) sowie aus dem Gebot des fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) kann sich nach allgemeiner Auffassung außerhalb und im Vorfeld der Hauptverhandlung ein über das Recht auf Akteneinsicht gemäß § 147 StPO hinausgehender Anspruch des Betroffenen auf Einsicht in die bei der Bußgeldbehörde vorhandenen, sich nicht bei den (Gerichts-)Akten befindlichen Messunterlagen und Messdaten ergeben, und zwar unabhängig davon, ob konkrete Anhaltspunkte für Messfehler vorliegen oder vom Betroffenen vorgetragen worden sind (vgl. OLG Düsseldorf, 2016, 140; OLG Karlsruhe, a.a.O.; Saarländisches OLG, Beschluss vom 24.02.2016, SsBs 7/2016 – juris). Auf die Versagung der Einsicht in die Messunterlagen durch die Bußgeldbehörde kann die Rechtsbeschwerde jedoch für sich allein nicht gestützt werden, da es sich hierbei um ein der Hauptverhandlung vorgelagertes Geschehen handelt. Nur wenn – wie vorliegend – deswegen in der Hauptverhandlung ein Antrag auf Unterbrechung oder Aussetzung gestellt und durch Gerichtsbeschluss abgelehnt worden ist, kann der Rechtsbeschwerdegrund der unzulässigen Beschränkung der Verteidigung, der auch in Betracht kommt, wenn das Gericht gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstößt, geltend gemacht werden.

Vorliegend hat der Betroffene mehrfach gegenüber der Verwaltungsbehörde gefordert, ihm Einblick in die Messdaten der gesamten Messserie sowie in die Statistikdatei zu gewähren. Dies wurde von der Verwaltungsbehörde abgelehnt. Ein Antrag nach § 62 OWiG wurde – wie bereits ausgeführt – vom Betroffenen letztlich erfolglos gestellt.

In einem Fall wie dem vorliegenden sieht der Senat die Verteidigung jedenfalls dann unzulässig beschränkt, wenn der Betroffene bereits bei der Verwaltungsbehörde – letztlich erfolglos Antrag auf Einsicht in die nicht bei den Akten befindlichen weiteren amtlichen Messunterlagen gestellt hat, sein Antrag nach § 62 OWiG abschlägig (oder nicht) beschieden worden ist und sein erneuter, in der Hauptverhandlung gestellter und darauf gerichteter Einsichts- und Aussetzungsantrag durch Beschluss zurückgewiesen wurde. Der Betroffene wird ohne Kenntnis aller Informationen, die den Verfolgungsbehörden zur Verfügung stehen, nicht beurteilen können, ob Beweisanträge gestellt oder Beweismittel vorgelegt werden sollen. Das Informations- und Einsichtsrecht des Verteidigers kann daher deutlich weitergehen als die Amtsaufklärung des Gerichts. Solche weiterreichende Befugnisse stehen dem Betroffenen bzw. dessen Verteidiger im Vorfeld der Hauptverhandlung auch bei standardisierten Messverfahren zu. Es gibt insoweit keinen Erfahrungssatz, dass ein standardisiertes Messverfahren unter allen Umständen immer zuverlässige Ergebnisse liefert (BGHSt 39, 291). Der Betroffene kann daher – gegenüber der Verwaltungsbehörde – einen Anspruch auf Herausgabe der nicht bei den Akten befindlichen, jedoch bei der Verwaltungsbehörde existierenden amtlichen Messunterlagen zur umfassenden Überprüfung der Messung geltend machen (vgl. OLG Karlsruhe, ZfS 2018, 471 ; OLG Karlsruhe, DAR 2019, 582).

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Urteil auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht, war es mit den Feststellungen aufzuheben.

Auf die weiter erhobenen Rügen kommt es somit nicht an, diese geben dem Senat jedoch Veranlassung zu folgenden Anmerkungen:

Soweit in der Gegenerklärung des Verteidigers des Betroffenen vom 04. November 2019 die Rüge eines Beweisverwertungsverbotes wegen Nichtspeicherung von Rohmessdaten angedeutet wird, ist eine solche den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, § 79 Abs. 3 OWiG entsprechende Verfahrensrüge der Rechtsbeschwerdebegründung vom 18. Juni 2019 nicht zu entnehmen (zu den Voraussetzungen vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Oktober 2019, 2 RBs 141/19 – juris).

Unabhängig davon begründet allein die Nichtspeicherung von Rohmessdaten kein aus einem Verstoß gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens folgendes Beweisverwertungsverbot (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 19. September 2019, 1 RB 28 Ss 300/19 – juris; KG, Beschluss vom 02. Oktober 2019, 3 WsB 296/19 – 162 Ss 122/19; OLG Köln, Beschluss vom 27. September 2019, 111-1 RBs 339/19 und 111-1 RBs 362/19; OLG Oldenburg, Beschluss vom 09. September 2019, 2 Ss OWi 233/19).

Bei dem Messgerät TraffiStar S350 handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren (vgl. zuletzt OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Oktober 2019, 2 RBs 141/19 – juris). Das Messgerät TraffiStar S350 hat bereits vor dem 01. Januar 2015 (Inkrafttreten des BMesEG) eine innerstaatliche Bauartzulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) erhalten (Zulassungszeichen: 18.11-13.01). Unter der Zertifikatsnummer DE-15-WPTB-0030 ist unter dem 24. Juli 2015 weiter eine Baumusterprüfung durch die PTB erfolgt. Da somit auch die Baumusterprüfung durch die PTB erfolgt ist und Art und Umfang der technischen Prüfungen unverändert geblieben sind, ist weiterhin von einem standardisierten Messverfahren auszugehen.“

Update zu: Wenn der Wahlverteidiger die Aussetzung der HV erzwingt, oder: Das kann teuer werden

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In der vergangenen Woche hatte ich in dem Posting U-Haft I: Wenn der Wahlverteidiger die Aussetzung der HV erzwingt, oder: Verhältnismäßigkeit der U-Haft über den BGH, Beschl. v. 03.05.2019 – AK 15/19 – berichtet. Dazu kann ich dann heute eine Update bringen, mit dem ich die 29. KW. eröffne.

Es handelt sich um den OLG Stuttgart, Beschl. v. 01.07.2019 – 5 – 2 StE 9/18, den mir der Terrorismusexperte des SWR H. Schmidt geschickt hat. Anstelle der von mir letztlich gewählten Überschrift für das Posting hätte man auch nehmen könne: „Das Universum/OLG schlägt zurück“ oder: „Man trifft sich im Leben immer zweimal“ 🙂 .

Jedenfalls eine interessante Entscheidung des OLG, das der Verteidigerin, die die Aussetzung der Hauptverhandlung – tja, was schreibt man: „verursacht“ oder „erzwungen“ – neutral ist „veranlasst“ hat, die durch die Aussetzung entstandenen Kosten auferlegt.

Begründung in Kurzform: Die Rechtsanwältin war als Wahlverteidigerin verpflicht, an dem HVT teilzunehmen. Eine Ausnahme sieht das OLG nicht, und zwar auch nicht in dem Umstand, dass die Rechtsanwältin nicht mit einer Vergütung rechnen konnte.

In Langform liest sich das dann so:

„1. Rechtsanwältin G. war als Wahlverteidigerin verpflichtet, an den Hauptverhandlungsterminen vom 12. und 14. März 2019 teilzunehmen.

a) Die Pflicht zur Teilnahme an der Hauptverhandlung trifft nicht nur den nach § 141 StPO bestellten Verteidiger, sondern auch den Wahlverteidiger.

Die Strafprozessordnung geht von der Verpflichtung des Wahlverteidigers aus, an der Hauptverhandlung teilzunehmen. Dies ergibt sich schon daraus, dass einem Angeklagten, der einen Wahlverteidiger hat, auch im Falle der notwendigen Verteidigung nach § 140 StPO grundsätzlich kein Pflichtverteidiger beizuordnen ist; im Gegenteil führt die Wahl eines Verteidigers im Regelfall sogar zur Rücknahme der Pflichtverteidigerbestellung (§ 143 StPO). Wenn die Verteidigung nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch im Falle der notwendigen Verteidigung allein durch einen Wahlverteidiger geführt werden soll, versteht es sich von selbst, dass dieser nicht nach Belieben an der Hauptverhandlung teilnehmen oder ihr fernbleiben kann. Vielmehr ist er, von nachfolgend zu erörternden Ausnahmen abgesehen, zur Teilnahme an der Hauptverhandlung verpflichtet. Dass das Gesetz von dieser Pflicht des Wahlverteidigers ausgeht, ergibt sich auch aus § 145 Abs. 4 StPO, der die Kostenpflicht nicht auf den Pflichtverteidiger beschränkt, sondern auch dem Wahlverteidiger, der eine Aussetzung der Hauptverhandlung verschuldet, Kosten auferlegt (vgl. nur Julius/Schiemann in: Gercke/Julius/Temming/Zöller, Strafprozessordnung, 6. Aufl. 2019, § 145 Rn. 11; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 145 Rn. 17). Ein schuldhaftes, mithin pflichtwidriges Verhalten setzt die Pflicht des Wahlverteidigers zur Teilnahme an der Hauptverhandlung als selbstverständlich voraus (zur Anwesenheitspflicht des Wahlverteidigers siehe etwa auch OLG Hamm, Beschluss vom 14. Januar 1988- 4 Ws 9/88 – juris Rn 2; Dahs in Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, 8. Aufl., Rn. 511; Thomas/Kämpfer in MüKoStPO, 1. Aufl., § 145 Rn. 1) .

b) Ein Ausnahmefall, in dem Rechtsanwältin G. der Hauptverhandlung gleichwohl fernbleiben durfte, liegt nicht vor.

1)       So stand es die Verteidigerin nicht deshalb frei, zu den beiden Verhandlungsterminen vom 12. und 14. März 2019 nicht zu erscheinen, weil dem Angeklagten auch ein Pflichtverteidiger bestellt war.

Ist ein Pflichtverteidiger bestellt, darf sich der Wahlverteidiger zwar grundsätzlich darauf verlassen, dass die Verteidigung des Angeklagten durch diesen sichergestellt werde, und es trifft ihn keine unbedingte Erscheinungspflicht (OLG Köln StV 1997, 122, 123; Schmitt a.a.O.; Krause in Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl., Teil B § 7 Rn. 28). Anders ist es aber dann, wenn der Wahlverteidiger nicht darauf vertrauen kann, dass der Pflichtverteidiger tatsächlich zur Hauptverhandlung erscheinen wird (Julius/Schiemann a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.; offengelassen von OLG Köln a.a.O.).

So lag der Fall hier. Rechtsanwältin G. war sowohl am 12. als auch am 14. März 2019 bekannt, dass Rechtsanwalt M. erkrankt war und an den jeweiligen Tagen nicht an der Hauptverhandlung teilnehmen werde.

2)  Auch der Umstand, dass die Verteidigerin nach ihrem Vorbringen für ein Tätigwerden in der Hauptverhandlung nicht mit der Bezahlung einer Vergütung rechnen konnte, stellte sie nicht von der Verpflichtung frei, in der Hauptverhandlung aufzutreten.

Grundsätzlich ist ein Wahlverteidiger zwar nach der Auffassung des Senats nicht verpflichtet, zu der Hauptverhandlung zu erscheinen, wenn seine Bezahlung nicht gesichert ist und er dies dem Gericht so rechtzeitig mitteilt, dass dieses hierauf noch sachgerecht reagieren kann (vgl. für den umgekehrten Fall der verspäteten Mitteilung OLG Düsseldorf MDR 1997, 693, 694; Schmitt a.a.O. Rn. 21). Dies vermag die Weigerung von Rechtsanwältin G., an der Hauptverhandlung teilzunehmen, im vorliegenden Fall aber nicht zu rechtfertigen.

Das folgt vorliegend allerdings nicht schon daraus, dass Rechtsanwältin G. eine entsprechende Ankündigung unterlassen hatte. Vielmehr war eine solche Anzeige nach der Bewertung des Senats vorliegend entbehrlich. Denn eine entsprechende Mitteilung wird dem Verteidiger allein deshalb abverlangt, um dem Gericht die Möglichkeit zu verschaffen, auf die Verhinderung zu reagieren und etwa Termine zu verlegen oder einen Pflichtverteidiger zu bestellen (vgl. etwa OLG Hamm, Beschluss vom 13. Juli 1995 – 2 Ws 358/95 – juris Rn. 7). Vorliegend hatte der Vorsitzende aber schon mehrfach ausgeführt, dass es ausreichend sei, wenn der Angeklagte durch Rechtsanwalt M. verteidigt werde und dass die Bestellung eines zweiten Pflichtverteidigers nicht notwendig sei. Damit war klargestellt, dass der Senat auf eine Verhinderungsanzeige von Rechtsanwältin G. nicht mit ihrer Bestellung zur Verteidigerin reagieren, sondern die Hauptverhandlung allein mit dem Pflichtverteidiger fortführen würde. Der Verteidigerin wäre daher nach der Auffassung des Senats ein pflichtwidriges Verhalten nicht vorzuwerfen gewesen, wenn sie an den beiden Hauptverhandlungstagen überhaupt nicht vor Ort erschienen wäre, selbst wenn sie dies vorher nicht angekündigt hätte. Denn eine Anreise auf eigene Kosten konnte ihr nicht abverlangt werden und die nicht gesicherte Bezahlung wäre als Hinderungsgrund anzuerkennen gewesen.

Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht jedoch darin, dass Rechtsanwältin G. sowohl am 12. als auch am 14. März 2019 im Gerichtsgebäude anwesend war und sich lediglich weigerte, im Gerichtssaal an der Hauptverhandlung teilzunehmen. Am 12. März 2019 hielt sie bis zum Ende der Hauptverhandlung im Gerichtsgebäude auf und tauschte sich mehrfach mit dem Vorsitzenden aus. Sämtliche für die Anreise erforderlichen Auslagen waren schon angefallen und der für das Verfahren aufgewandte Zeitaufwand blieb derselbe, gleichviel ob die Verteidigerin im Gerichtssaal auftrat oder im Verteidigerzimmer auf eine erhoffte Verteidigerbestellung wartete. Die Teilnahme an der Hauptverhandlung war für die Rechtsanwältin mithin mit keinem zusätzlichen Aufwand und keinem persönlichen Nachteil mehr verbunden. Dass sich die Verteidigerin bei dieser Sachlage trotzdem nicht in den Gerichtssaal begab, sondern vor dessen Türen zuwartete, hatte seinen Grund nach der Überzeugung des Senats deshalb nicht darin, dass ihre Bezahlung nicht gesichert war. Vielmehr ging es Rechtsanwältin G. ausschließlich darum, in Anbetracht der drohenden Aussetzung der Hauptverhandlung ihre Bestellung zur weiteren Verteidigerin zu erzwingen. Ihr Handeln ist deshalb nicht mit dem eines Verteidigers zu vergleichen, der der Hauptverhandlung mangels gesicherter Bezahlung seines Honorars insgesamt fernbleibt, sondern dem Tun eines Verteidigers gleichzusetzen, der die Verteidigung des Mandanten während der Hauptverhandlung eigenmächtig einstellt. Dabei rechtfertigte das Ziel der Verteidigerin, ihre Bestellung zu erreichen, ein solches Vorgehen nicht. Der Vorsitzende hatte seine Entscheidung in mehreren Beschlüssen eingehend begründet. Die hiergegen gerichteten Rechtsmittel des Angeklagten waren durchweg erfolglos geblieben; der Bundesgerichtshof hatte in seiner Entscheidung vom 7. Februar 2019 überdies ausgeführt, dass der angefochtene Vorsitzendenbeschluss nach vorläufiger Einschätzung Ermessensfehler nicht erkennen lasse. Zudem begründete die Vorgehensweise der Verteidigerin das Risiko einer Aussetzung der Hauptverhandlung mit der Folge einer längeren Dauer der für den Angeklagten besonders belastenden Untersuchungshaft. Mit ihrem Ziel, ihre Bestellung zur Verteidigerin zu erreichen, verfolgte Rechtsanwältin G. daher keine anerkennenswerten Interessen, die eine Ausnahme von der grundsätzlichen Pflicht des Wahlverteidigers zur Teilnahme an der Hauptverhandlung rechtfertigen konnten. Vielmehr war das Verhalten der Verteidigerin, die letztlich mutwillig eine Aussetzung der Hauptverhandlung provozierte, mit einer gewissenhaften Ausübung des Anwaltsberufs nicht in Einklang zu bringen (hierzu tendierend auch BGH, Beschluss vom 3. Mai 2019 – AK 15/19 – Rn. 38; vgl. ferner OLG Jena, Beschluss vom 27. Oktober 2016 – 1 Ws 439/16 – juris Rn. 35; Anwaltsgerichtshof Hamm, Urteil vom 01. Juli 2005 – (2) 6 EVY 7/04 – juris Rn. 17 f.).

Darauf, dass der Vorsitzende versuchte, der Verteidigerin durch eine Genehmigung der Vertretung noch zu einer Vergütung ihrer Tätigkeit zu verhelfen, kommt es daher schon gar nicht mehr an.

2. Dass Rechtsanwältin G. an den beiden Hauptverhandlungsterminen vom 12. und 14. März 2019 nicht teilnahm, war ursächlich dafür, dass die Hauptverhandlung mit Beschluss vom 19. März 2019 ausgesetzt werden musste…..“

Was ist von der Entscheidung halten soll, weiß ich noch nicht. Dafür ist sie zu frisch 🙂 . Aber in einem Punkt bin ich mir zeimlich sicher: Die Kollegin wird das nicht hinnehmen. Die endgültige Antwort auf die sich stellenden Fragen wird dann wahrscheinlich erst das BVerfG geben.