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BGH: Klare Worte fehlen, nach Auslegung war die Revision dann aber zulässig

© Blackosaka - Fotolia.com

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Ich sage ja immer – und so steht es auch in allen Anleitungsbüchern zur Revision – klare Worte sind wegen der Formenstrenge des Rechtsmittels bei dessen Begründung erforderlich. Der Angeklagte bzw. sein Verteidiger müssen schon genau sagen, was sie wollen und darauf achten, dass das auch ausgedrückt wird. Sonst geht es schief bzw. kann es schief gehen. Ein Beispiel dafür ist der BGH, Beschl. v. 03.12.2014 – 4 StR 512/14, in dem Angeklagter/Verteidiger auf der formellen Seite noch mal mit einem „blauen Auge“ davon gekommen sind:

„I. Die Revision des Angeklagten ist zulässig.

1. Allerdings bestehen bei einem lediglich am Wortlaut orientierten Verständnis des Inhalts der Revisionsrechtfertigung Zweifel an der Zulässigkeit des Rechtsmittels.

Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 29. Oktober 2014 zutreffend ausgeführt hat, genügt die vom Beschwerdeführer ausgeführte Verfahrensrüge den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht und ist daher unzulässig. Der im zweiten Teil der Revisionsbegründung ohne nähere Begründung erhobenen „allgemeinen Verfahrensrüge“ ist für sich genommen ebenfalls kein zulässiges, auf eine Verfahrensrüge gerichtetes Revisionsvorbringen zu entnehmen.

2. Als Prozesserklärung ist die Revisionsbegründung indes auslegungsfähig. Die Ausführungen zur Rechtfertigung der Revision sind in ihrer Gesamtheit zu würdigen, wobei das Revisionsgericht nicht am Wortlaut haften darf,  sondern den Sinn des Vorbringens zu erforschen hat, wie er der Begründungsschrift verständigerweise entnommen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 1964 – 3 StR 60/63, BGHSt 19, 273, 275; LR-StPO/Franke, 26. Aufl., § 344 Rn. 70). Ergibt sich aus dem Inhalt der Begründungsschrift deutlich, welche Rüge inhaltlich gemeint ist, ist eine Falschbezeichnung des Revisionsvor-bringens als Sach- oder Verfahrensrüge unschädlich (BGH aaO; Franke aaO, Rn. 72; ebenso KK-StPO/Gericke, 7. Aufl., § 344 Rn. 20).

Danach entnimmt der Senat dem Gesamtzusammenhang des Beschwerdevorbringens im vorliegenden Fall den Willen, dem Revisionsgericht das angefochtene Urteil insgesamt auch zur sachlich-rechtlichen Nachprüfung zu unterbreiten. Die Erhebung einer „allgemeinen Verfahrensrüge“ im Anschluss an eine unmittelbar zuvor eigens ausgeführte (wenn auch unzulässige) Verfahrensrüge ist schon für sich genommen wenig naheliegend. Hier kommt hinzu, dass beide Beanstandungen in der Revisionsrechtfertigung hintereinander unter gleichgeordneten Gliederungspunkten aufgeführt sind. Daher ist von einer irrtümlichen Falschbezeichnung der (allgemeinen) Sachrüge als Verfahrensrüge auszugehen.““

Zickig…

bzw. ziemlich empfindlich hat m.E. der 1. Strafsenat 3. Strafsenat des BGH (es ist nicht immer der 1. Strafsenat :-)) in BGH, Beschl. v.04.08.2011 – 3 StR 175/11 gegenüber der Staatsanwaltschaft und ihrer vom GBA vertretenen Revision reagiert. In der Sache haben sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung widersprochen, was den BGH zu folgenden Ausführungen veranlasst:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei Fällen sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Die hiergegen gerichtete, auf zwei Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft ist auf die Nichtanordnung der Maßregel der Sicherungsverwahrung beschränkt. Zwar hat die Staatsanwaltschaft am Ende ihrer Ausführungen die (uneingeschränkte) Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer zur erneuten Verhandlung beantragt. Dies steht jedoch mit dem übrigen Inhalt der Revisionsbegründungsschrift nicht in Einklang. Daraus ergibt sich, dass die Revisionsführerin das Urteil nur deshalb für fehlerhaft hält, weil das Landgericht von der Anordnung der Sicherungsverwahrung zu Unrecht abgesehen habe. Somit widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung. In einem solchen Fall ist nach ständiger Rechtsprechung das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln. Nach dem insoweit maßgeblichen und hier eindeutigen Sinn der Revisionsbegründung ist deshalb allein die Nichtanordnung der Maßregel angefochten und das Urteil im Übrigen vom Rechtsmittelangriff ausgenommen. …“

Und dann:

Der Senat bemerkt jedoch, dass, zumal bei einer Revision der Staatsanwaltschaft, der Revisionsantrag deckungsgleich mit dem Inhalt der Revisionsbegründung sein sollte. Das Revisionsverfahren wird unnötig belastet, wenn der Umfang der Anfechtung erst durch Auslegung ermittelt werden muss (BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 – 3 StR 122/09 mwN)…

Die Beschränkung der Revision ist indes unwirksam, ….“

Wenn man es liest, fragt man sich, was soll es? Warum reagiert der BGH so empfindlich? Will der BGH den GBA ärgern oder will er wirklich behaupten, dass das Revisionsverfahren durch solche „Auslegungsarbeiten“ „unnötig belastet“ wird. M.E. ein Punkt, der der Erwähnung kaum lohnt bzw. gelohnt hat; damit haben die Tatgerichte immer wieder zu tun. Ausreichend wäre es gewesen, darauf hinzuweisen, dass man den nicht ganz eindeutigen Antrag der Staatsanwaltschaft ausgelegt und dadurch den Umfang der Anfechtung ermittelt hat. Schwer und zeitaufwendig kann das wohl kaum gewesen sein. Oder hatte der Senat einen neuen „HiWi“, der mit der Auslegung und der Rechtsprechung des BGH Probleme hatte?

Und: Auch das Ausformulieren der Auslegungsarbeit im Beschluss dürfte keinen großen Aufwand erfordert haben. Denn schaut man sich mal das in Bezug genommene „BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 – 3 StR 122/09an, stellt man fest: Da ist fast wortgleich formuliert. Es gibt also zu der Frage einen Textbaustein (was ok ist, warum nicht). Ich bezweifle daher die unnötige Belastung des Revisionsverfahrens. Das wird sicherlich durch andere Dinge mehr belastet., so z.B., wenn der BGH immer wieder neue Erfordernisse für die ausreichende Begründung der Verfahrensrüge aufstellt.

Ups, „Aussetzung…“ versus „Auslegung…“, das ist schon ein Unterschied

Der BGH, Beschl. v. 08.02.2011 – 1 StR 24/10 betreffend eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung – übrigens eine Leitsatzentscheidung des BGH – hatte in den Gründen (II, 3 d) von der „Aussetzung des Gesetzes“ gesprochen. Gemeint war aber die „Auslegung des Gesetzes“. Ist ja schon was anderes, obwohl man manchmal bei der ein oder anderen „Auslegung des Gesetzes“ schon den Eindruck der „Aussetzung des Gesetzes“  hat. Der BGH hat es gemerkt und den Fehler im Beschl. v. 19.04.2011 berichtigt. Also:  „Auslegung des Gesetzes“.