Eine heftig umstrittene (gebührenrechtliche) Frage ist, ob im Strafverfahren das vorbereitende Verfahren und das gerichtliche Verfahren bzw. im Bußgeldverfahren das Verfahren bei der Verwaltungsbehörde und das gerichtliche Verfahren dieselbe oder verschiedenen Angelegenheiten sind mit der Folge, dass dann zweimal nach der Anm. zu Nr. 7002 VV RVG die Auslagenpauschale geltend gemacht werden könnte. Darum streiten sich OLG, LG und AG und die Literatur. Dazu gibt es dann jetzt das LG Dortmund, Urt. v. 15.09.2011 – 2 S 11/11, das von derselben Angelegenheit ausgeht. Insofern nichts Besonderes. Berichtenswert aber deshalb, weil das LG die Revision zum BGH zugelassen hat. Der ist also jetzt ggf. dran und muss entscheiden.
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Was schert mich mein Geschwätz von gestern?, oder: Beim LG Leipzig geht es durcheinander
Wenn man die Entscheidung des LG Leipzig vom 28.10.2010 – 5 Qs 164/10 liest, ist man schon erstaunt, irritiert, vielleicht auch verärgert. Denn sie ist m.E. ein „schönes“ Beispiel, wie es nicht gehen dürfte/sollte.
Das bezieht sich nicht nur auf die Auffassung des LG zur Bemessung der Gebühren im straßenverkehrsrechtlichen OWi-Verfahren, die das LG mit i.d.R. 40 (!!) unter der Mittelgebühr als angemessen (!) bemessen ansieht, was dann zu einer Grundgebühr von 34 € führt. Dazu erspare ich mich jeden Kommentar, schon um mir hier Kommentare zu ersparen, die das als angemessen ansehen.
Nein, die Irritationen beziehen sich auf die beiden anderen Punkte in der Entscheidung.
Das LG bzw. deren 5. große Strafkammer geht davon aus, dass es sich bei der Befriedungsgebühr Nr. 5115 VV RVG um eine Festgebühr handelt, die immer nach der Mittelgebühr anzusetzen sei. Dabei übersieht es aber, dass gerade die 1. große Strafkammer des LG Leipzig (vgl. AGS 2010, 19) anderer Auffassung gewesen ist. Mit deren Auffassung setzt sich die hier entscheidende 5. große Strafkammer nicht auseinander. Eine für die Verteidiger im Zuständigkeitsbereich des LG Leipzig mehr als unerfreuliche Situation. Denn: Was gilt nun? Worauf muss/kann/soll er sich einstellen?
Das gilt dann auch für den 2. Punkt. Da sagt die Kammer kurz und trocken: Die Aktenversendungspauschale der Nr. 9003 KV GKG kann neben der Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG geltend gemacht werden. So weit, so gut und auch richtig. Nur: Die Auffassung ist nicht so „einhellig“, wie es das LG behauptet. Denn es ist gerade das LG Leipzig, das neben dem LG Zweibrücken (vgl. Beschl. v. 23. 0. 09, Qs 12/09) bislang die Auffassung vertreten hat, dass die Nr. 9003 KV GKG und die Nr. 7002 VV RVG nicht nebeneinander geltend gemacht werden können (vgl. LG Leipzig RVGprofessionell 2009, 33 und LG Leipzig RVGreport 2010, 182). Neben der 6. großen Strafkammer war es gerade die auch hier entscheidende 5. große Strafkammer, die diese falsche Auffassung vertreten hat. Der Schwenk (?) in der Rechtsprechung wird nicht begründet, so dass offen bleibt, ob es sich wirklich um eine Rechtsprechungsänderung handelt oder ob die Kammer nur ihre eigene entgegenstehende Rechtsprechung übersehen hat. Alles in allem: Auch dies mehr als unerfreulich.
Insgesamt: M.E. dürfte man von einem Strafkammer erwarten, dass sie sich mit entgegenstehender Rechtsprechung aus dem eigenen Haus auseinandersetzt und nicht nur danach verfährt: Was schert mich mein Geschwätz von gestern? Darauf haben nicht nur die Betroffenen, sondern auch deren Verteidiger und auch die bei den nachgeordneten Amtsgerichten tätigen Amtsrichter und Rechtspfleger einen Anspruch.
LG Leipzig: So kann man nur argumentieren, wenn man den Unterschied nicht kennt
Gebührenrechtliche Fragen sind immer wieder interessant bzw. es gelingt den Gerichten immer wieder, einfache Fragen interessant zu machen. So z.B. das LG Leipzig. Dieses – und damit natürlich auch die „nachgeordneten“ AG – vertritt – soweit ich das sehe als einziges LG – die Auffassung, dass die Aktenversendungspauschale Nr. 9003 KV GKG und die Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG nicht nebeneinander geltend gemacht werden können; s. z.B. auch im Beschluss v. 04.02.2010 – 5 Qs 71/09.
Darauf muss man erst mal kommen, oder, wie schreibt N. Schneider so schön treffend in AGS 2010, 75: „Auf die Idee kann man nur kommen, wenn man nicht weiß, was die Aktenversendungspauschale ist“. Sie entsteht für die durch die Versendung bei Gericht entstehenden Kosten, während die Nr. 7002 VV RVG Versendungen des Rechtsanwalts abgilt. Das/die eine hat also mit der anderen nichts zu tun, bzw.: LG Leipzig wirft Birnen und Äpfel in einen Topf. Die Verteidiger in dem Bezirk sollten weiterhin so tapfer gegen die falsche Auffassung ankämpfen, wie sie es bisher schon getan hat. Vielleicht gelingt es ihnen ja, das LG zur besseren Einsicht zu bringen.
Im übrigen: Auch die anderen Ausführungen im Beschluss vom 04.02.2010 reizen zum Widerspruch, da sie m.E. die Gebühren des Verteidigers zu niedrig ansetzen. Aber auch da kämpft man manchmal gegen Windmühlenflügel.