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Was ist los in Bayern? Aufstand der AG?

712px-Coat_of_arms_of_Bavaria_svgEbenso klein/kurz, aber ebenso fein wie der AG Verden (Aller), Beschl. v. 04.12.2013 – 9a Gs 924 Js 43392/13 (3757/13) (vgl. dazu Manchmal ist es gut, wenn man Decken im Auto hat) ist das AG Traunstein, Urt. v. 14. 11. 2013 –  520 OWi 360 Js 20361/13 (2), in dem das AG von der Festsetzung eines Fahrverbotes nach einem Abstandsverstoß abgesehen hat., und zwar mit folgender Begründung:

„Von der Verhängung eines Fahrverbotes wurde ausnahmsweise abgesehen. Der Betroffene hat zwischenzeitlich an einem Aufbauseminar für Kraftfahrer gemäß § 4 Abs. 8 StVG teilgenommen. Er ist beruflich deutschlandweit tätig und hierfür auf seinen Führerschein angewiesen. Bisher wurde gegen ihn ausweislich des Auszuges aus dem Verkehrszentralregister vom 16.10.2013 noch keine erhöhte Geldbuße verhängt. Die Erziehungsfunktion des Fahrverbotes ist vorliegend ausnahmsweise entbehrlich, da der Betroffene durch die deutliche Erhöhung der Geldbuße nun ausreichend gewarnt wurde. „

Das AG Traunstein ist damit nach dem AG Miesbach das zweite bayerische AG, das dem OLG Bamberg in der Frage die Gefolgschaft verweigert. Das OLG sieht die Frage nämlich anders. Was ist los in Bayern? Aufstand der AG?

„Ich bin prominent, ich muss in ein Einzelseminar…“

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Prominent, nicht prominent, bzw. wie prominent war der Antragesteller im Verfahren, das zu dem VGH Hessen, Beschl. v. 25. 6. 2013 – 2 B 1294/13 – geführt hat. Er ist jedenfalls davon ausgegangen, dass er so prominent ist, dass die Fahrerlaubnisbehörde,die ihm aufgegeben hatte, an einem Aufbauseminar zum Punkteabbau teilzunehmen,  verpflichtet sei, ihm eine Einzelseminarerlaubnis im Rahmen einer Ausnahme von den Bestimmungen des § 4 Abs. 8 Satz 1 StVG zu erteilen (§ 4 Abs. 8 Satz 2 StVG) . Das hatte schon das VG abgelehnt. Der BGH Hessen hat das bestätigt. Die Begründung lässt sich zusammen mit: So prominent ( was ist das überhaupt) bist du nun nicht und auch die anderen Gründen – zeitliche Belastung – führen nicht zu einer Sonderbehandlung.

„Nach § 4 Abs. 8 Satz 1 StVG stellt es den gesetzlichen Regelfall dar, dass die Teilnehmer an Aufbauseminaren durch Mitwirkung an Gruppengesprächen und an einer Fahrprobe veranlasst werden, Mängel in ihrer Einstellung zum Straßenverkehr und im verkehrssicheren Verhalten zu erkennen und abzubauen. Den Ausführungsvorschriften in §§ 42, 35 der Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV – ist ebenso wie der bereits vom Verwaltungsgericht zitierten Gesetzesbegründung zur entsprechenden Regelung des § 2b StVG (BT-Ds 13/6914, S. 67) zu entnehmen, dass dem Gesetzgeber die Gruppensituation zur Erreichung des Ziels der Verbesserung problematischen Verkehrsverhaltens wichtig ist. Die Gruppensituation zeichnet sich zum einen dadurch aus, dass Gespräche, Verhaltensbeobachtung in der Fahrprobe und Analyse problematischer Verkehrssituationen (§ 35 Abs. 2 Satz 2 FeV) ermöglicht werden, andererseits die Gruppengröße mit sechs bis zwölf Teilnehmern überschaubar bleibt (siehe § 35 Abs. 1 Satz 1 FeV). Deshalb ist es ermessensfehlerfrei, die Teilnahme an einem Einzelseminar nur dann zu gestatten, wenn dem Betroffenen aufgrund seiner persönlichen Lebenssituation ein Gruppenseminar nicht zumutbar ist (z.B. in einer psychischen Krise) oder wenn die besondere persönliche Situation etwa durch Prominenz befürchten lässt, dass die Aufmerksamkeit der Teilnehmer sich in erster Linie auf die prominente Person statt auf das Seminarziel richtet (siehe Dauer in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Auflage, § 4 StVG Rn. 54).

Diese Voraussetzungen für die Teilnahme an einem Einzelseminar liegen hier nicht vor. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht die berufliche Stellung des Antragstellers als für Personal- und Infrastrukturleistungen zuständiges Mitglied des Vorstandes der X dahin gewertet, dass der Antragsteller nicht prominent in dem Sinne ist, dass die Aufmerksamkeit der anderen Gruppenmitglieder sich eher auf ihn als auf den Inhalt des Seminars richten würde. Der Senat teilt die Bewertung des Verwaltungsgerichts. Einzelne Vorstandsmitglieder einer Untergesellschaft der Y AG dürften der Öffentlichkeit nicht bekannt sein.

Ermessensfehlerfrei können Fahrerlaubnisbehörden demgegenüber davon ausgehen, dass beruflich bedingte zeitliche Belastungen, Zeitmangel aus sonstigem Grund oder eine finanzielle Belastung des Betroffenen keinen Anlass für die Gestattung der Teilnahme an einem Einzelseminar darstellen können (Dauer, a.a.O.). Die Erreichung des Seminarziels und damit letztlich die Verkehrssicherheit erfordern, dass auch beruflich stark eingespannte Verkehrsteilnehmer sich die Zeit nehmen, zur Verbesserung ihres Verkehrsverhaltens in dem vom Gesetzgeber regelmäßig vorgesehenen Umfang Gruppenseminare zu besuchen.

Bereits das Verwaltungsgericht hat deshalb zu Recht seinen Beschluss allein tragend damit begründet, dass der Antragsteller sein Begehren nicht auf die geltend gemachte Arbeitsbelastung stützen kann (S. 4 Beschlussabdruck, 2. Absatz). Die Einwände der Beschwerde gegen die weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu der zeitlichen Beanspruchung des Antragstellers sind deshalb unerheblich.“

Oft übersehen: Verwertungsverbot für „alte“ Eintragungen

In § 29 Abs. 8 Satz 2 StVG ist ein Verwertungsverbot für „alte Eintragungen“ enthalten, das oft übersehen wird. Wer liest eine Vorschrift schon bis zum Abs. 8 :-). Mit dem  Verwertungsverbot hat sich vor einiger Zeit das OLG Celle befasst. Nun auch der OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 18. 08. 2011 – 3 M 348/11. Dieses führt aus : Eine Eintragung über eine gerichtliche Entscheidung im Verkehrszentralregister kann zur Anordnung eines Aufbauseminars nach Ablauf eines Zeitraums, der einer fünfjährigen Tilgungsfrist entspricht, nicht mehr verwertet werden. Das folgt für das OVG aus § 29 Abs. 8 StVG.

Danach darf nach Ablauf dieser Frist eine Eintragung nur noch für ein Verfahren verwendet werden, das die Erteilung oder Entziehung der Fahrerlaubnis „zum Gegenstand hat“. Die Gesetzessystematik spricht für das OVG dafür, ein auf die Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar gerichtetes Verfahren nicht einem Verfahren zur Entziehung einer Fahrerlaubnis gleichzusetzen. Wenn der Gesetzgeber wegen der im Verkehrszentralregister zu speichernden Daten zwischen der Entziehung einer Fahrerlaubnis auf der einen Seite und Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde auf der anderen Seite unterscheide, so spreche dies dafür, ausgehend von dieser Unterscheidung bei der Aufnahme von Daten in das Verkehrszentralregister auch für die Verwertung an dieser Unterscheidung festzuhalten und die zehnjährige Verwertungsmöglichkeit auf die Verfahren zu beschränken, die die Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis zum Gegenstand haben.