Nach den beiden nicht so ganz schönen BGH-Entscheidungen des BGH (vgl. den BGH, Beschl. v. 19.04.2016 – StB 10/16 und dazu Durchsuchung I: Durchsuchung des Verteidigers – darf das Gericht das? und das BGH, Urt. v. 17.o2.2016 – 2 StR 25/15 und dazu Durchsuchung II: Nichts Neues zum Beweisverwertungsverbot, oder: Gesund beten) nun zum Tagesabschluss den LG Trier, Beschl. v. 05.01.2016 – 5 Qs 90/15.
Es geht auch um die Voraussetzungen für eine Durchsuchung. Der Beschuldigte befand sich in einem laufenden Bewährungsverfahren. Ein dort angeordnetes Drogenscreening hat einen auffälligen Befund für Amphetamin ergeben. Dieser Befund v. 06.05.2016 wurde der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des LG Trier beim AG Wittlich durch die Bewährungshelferin des Beschuldigten mitgeteilt. Die Staatsanwaltschaft Trier hat sodann die Anordnung einer Durchsuchung beim Beschuldigten gemäß §§ 102, 94 StPO beantragt und begründet dies mit dem positiven Urintest. Das AG hat sodann mit beschl. v. 01.07.2015 die Durchsuchung der Person sowie der Wohn-, Keller-, Neben-, Geschäfts- und sonstigen Räumen und die Beschlagnahme vorgefundener Beweismittel gemäß §§ 94, 98, 102, 105, 162 StPO angeordnet. Zur Begründung heißt es u. a.:
„Der Tatverdacht ergibt sich aus dem auf Amphetamin positiven Urintest des Beschuldigten vom 06.05.2015 in dem Bewährungsverfahren 10 StVK 280/15 des Landgerichts Trier, das eine Amphetaminaufnahme des Beschuldigten im vorangegangenen Monat belegt. Der Konsum indiziert den Besitz von Betäubungsmitteln. Es ist davon auszugehen, dass sich die gesuchten Betäubungsmittel in den zu durchsuchenden Räumlichkeiten befinden.“
Der Beschluss ist vollzogen. Das LG hat auf die Beschwerde des Beschuldigten die Rechtswidrigkeit der Durchsuchung festgestellt: Ihm reichen die Voraussetzungen für einen Anfnagsverdacht nicht:
„Zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung bedarf es mithin der Unterscheidung zwischen dem konkreten und dem weitergehenden, allein auf Rückschlüssen beruhenden Anfangsverdacht bezüglich der hier in Rede stehenden Vorwürfe des Besitzes und Erwerbs von Betäubungsmitteln.
Ein Tatverdacht im Sinne eines Anfangsverdachts kann insoweit allein hinsichtlich des Zeitraums vor und um den 06. Mai 2015, dem Tag der Urinprobenentnahme, angenommen werden. Dieser ergibt sich bereits hinreichend aus dem für Amphetamine positiven Ergebnis der darauf folgenden Untersuchung eines nach DIN ISO EN 17025 akkreditierten Labors. Indes kann zum Zeitpunkt des Beschlusserlasses am 01. Juli 2015 nicht von einem Tatverdacht hinsichtlich weiterer, fortlaufender Verstöße gegen § 29 BtMG geschlossen werden. Ein solcher Rückschluss auf einen weitergehenden Tatverdacht ist ohne weitere Anhaltspunkte nicht möglich und würde auf einen Generalverdacht hinauslaufen, der für eine Durchsuchungsanordnung einer Wohnung unter Berücksichtigung des besonderen Schutzes des Artikels 13 GG nicht ausreichend ist (LG Koblenz, Beschl. v. 28.11.2008, Az. 9 Qs 76/08, zitiert nach juris). Zwar ist auf dem Gebiet der Betäubungskriminalität durchaus von einem wiederholten Vorgehen eines Beschuldigten auszugehen (BVerfG, Beschl. v. 15.12.2004, Az. 2 BvR 1873/04, zitiert nach juris). Gleichwohl darf ohne nähere Anhaltspunkte, insbesondere bei dem hier in Rede stehenden Eigenkonsum, auch bei einer Betäubungsmittelvergangenheit nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, der Beschuldigte konsumiere wieder und weiterhin regelmäßig solche (vgl. bei einem konkreten Tatzeitraum BVerfG, Beschl. v. 29.10.2013, Az. 2 BvR 389/13, BeckRS 2013, 59957).
Vielmehr bestand im Juli 2015 nur noch der allgemeine Verdacht, dass bei Betäubungsmittelkonsumenten immer auch Betäubungsmittel aufzufinden sind (so ausdrücklich LG Koblenz a. a. O.). Insbesondere erfordert die Durchsuchungsanordnung die Beachtung des Bestimmtheitsgebots. Aus dem Beschluss, der die Durchsuchung anordnet, muss sich hinreichend genau ergeben, um welchen konkreten Tatvorwurf es sich handelt (vgl. auch BVerfG a. a. O.). Die Zulassung eines Rückschlusses aus einem Anhaltspunkt auf einen zwei Monate später liegenden generellen Tatverdacht würde diese Anforderung umgehen. Schließlich äußert sich der amtsgerichtliche Beschluss auch nicht dazu, ob der Tatvorwurf sich nunmehr allein auf den Besitz um den Zeitpunkt des 06. Mai 2015 bezieht oder es sich um einen weitergehenden Tatverdacht handelt.
Verbleibt es letztlich bei dem Tatverdacht für den Erwerb und Besitz von Betäubungsmitteln um den 06. Mai 2015 herum, hält die angefochtene Entscheidung den ebenfalls zu beachtenden Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht stand. Zum einen war ein Nachweis des Besitzes und Erwerbs von Betäubungsmitteln durch den Beschuldigten bereits durch das Ergebnis der Untersuchung der Urinprobe gegeben (LG Koblenz a. a. O.). Eine etwaige Behauptung, es hätte sich um einen besitzlosen Konsum gehandelt, kann bei lebensnaher Betrachtung – insbesondere bei Amphetamin – regelmäßig entkräftet werden. Zum anderen war nicht davon auszugehen, dass ca. zwei Monate nach positivem Befund der Urinuntersuchung noch Vorräte hätten aufgefunden werden können, aus denen auf einen Besitz von Betäubungsmitteln zeitnah zum 06. Mai 2015 hätte zurückgeschlossen werden können. Es handelte sich lediglich um den Vorwurf des Erwerbs und Besitzes zum Zwecke des Eigenkonsums. Bei einem solchen ist aber davon auszugehen, dass die Betäubungsmittel zeitnah konsumiert werden.“
Als ein bisschen Mehr muss es schon sein.