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Ein Mindestmaß an Sorgfalt auch bei der Absprache….

fordert der BGH in seinem Beschl. v. 23.06.2010 – 2 StR 222/10. Man muss allerdings schon ganz zu Ende lesen, bis man auf die Passage stößt, die wörtlich heißt:

„5. Abschließend weist der Senat darauf hin, dass es eines Mindestmaßes an Sorgfalt bei der Abfassung der Urteilsgründe auch dann bedarf, wenn das Urteil auf einer in der Hauptverhandlung getroffenen Absprache beruht.“

Na, das Urteil muss „bemerkenswert“ gewesen sein, wenn der BGh das „anmerkt“. Allerdings, wenn man es liest: Der BGH lässt an den Ausführungen der Strafkammer auch kaum ein gutes Haar. Wenn man schon liest: „findet in den rudimentären Feststellungen, aus denen allenfalls gefolgert werden kann,“, weiß man: In dem Urteil kann nicht viel stehen, sonst würde der BGH nicht so böse schreiben. Also: Eine Mindestmaß an Sorgfalt…..

Anforderungen an die Begründung von Jugendrecht im Urteil hoch

Das OLG Hamm hat vor einiger Zeit in seinem Beschluss vom 13.04.2010 – III – 2 RVs 18/10 – Anwendung von Jugendrecht und zu den Anforderungen an das tatrichterliche Urteil Stellung genommen. Es weist darrauf hin, dass die Frage, ob der Täter bei seiner Tat im Sinne des § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG noch einem Jugendlichen gleichstand, im Wesentlichen Tatfrage, wobei dem Jugendrichter ein erheblicher Beurteilungsspielraum eingeräumt ist. Die Gründe der Entscheidung seien im tatrichterlichen Urteil darzulegen. Zu letzteren heißt es wörtlich:

Um die Entscheidung für das Revisionsgericht nachprüfbar zu machen, bedarf es einer detaillierten Darlegung der Entscheidungsgründe (Eisenberg, JGG, 9. Aufl., § 105 Rdnr. 46 m.w.N.). Der bloße Hinweis auf den Werdegang des Angeklagten reicht keinesfalls aus (OLG Hamm, Beschluss vom 19. Juli 2007 in 4 Ss 290/07). Es müssen vielmehr die Tatsachen und rechtlichen Schlussfolgerungen dargelegt werden, auf denen die jeweils konkrete Entscheidung beruht (Eisenberg, a.a.O., § 105 Rdnr. 46 m.w.N.). Erforderlich sind insoweit Angaben, die eine Beurteilung des Entwicklungsstandes des Heranwachsenden zur Zeit der Tat ermöglichen (Senatsbeschluss vom 25. November 2004 – 2 Ss 413/04 -, StV 2005, 71). Das Rechtsmittelgericht muss erkennen können, dass bei den Ermittlungen alle Möglichkeiten der Anwendung von Jugendstrafrecht ausgeschöpft wurden (Eisenberg, a.a.O. § 105 Rdnr. 46 m.w.N.).“

Messlatte touchiert, aber wohl nicht gerissen – gerade noch einmal gut gegangen…

Die Begründung der Verfahrensrüge ist immer wieder einen Post wert. Vor allem, wenn es sich um einen Beschl. handelt, in dem von einem Obergericht die Messlatte mal wieder höher – lassen wir hier dahingestellt, ob zu hoch – gelegt wird. So das KG in seinem Beschl. v.  30. 6. 2010 – 3 Ws (B) 213/10 – 2 Ss 99/10 zum erforderlicher Umfang der Begründung beim schweigenden Angeklagten/Betroffenen. Das KG führt aus, dass dann, wenn mit der Rechtsbeschwerde beanstandet wird, dass dem Betroffenen trotz seines Schweigens in der Hauptverhandlung eine Erklärung seines Verteidigers zur Fahrereigenschaft zugerechnet worden ist, zum zulässigen Rügevorbringen nicht nur der Hinweis auf das Schweigen des Betroffenen gehört, sondern auch die Mitteilung, dass eine Bestätigung der Erklärung des Verteidigers durch den Betroffenen nicht erfolgt ist.

Wie gesagt: Die Entscheidung stellt eine weitere Verschärfung der Rechtsprechung der Obergerichte zum erforderlichen Umfang der Verfahrensrüge dar. Verlangt wird der Vortrag einer sog. Negativtatsache (vgl. dazu auch BVerfG NJW 2005, 1999). Der Verteidiger muss in diesen Fällen also durch entsprechende Ausführungen in der Rechtsbeschwerdebegründung ausdrücklich klarstellen, dass eine Bestätigung seiner Angaben durch den Betroffenen in keiner Weise erfolgt ist. Das ist in etwas vergleichbar der Konstellation, wenn geltend gemacht wird, dass im Urteil eine in der HV nicht verlesene Urkunde verwertet worden ist. Auch da muss ja vorgetragen werden, dass die Urkunde auch sonst nicht zum Gegenstand der HV gemacht worden ist. Diese Rechtsprechung ist im Übrigen vom BVerfG abgesegnet worden. Da der Fall mit dem schweigenden Angeklagten vergleichbar ist, kann man die Entscheidung des KG so gerade noch durchgesehn lassen. Die Messlatte wackelt, aber sie fällt nicht.

Die Rechtsbeschwerde/Revision als Selbstläufer…..und täglich grüßt das Murmeltier

Der Beschluss des KG v. 27.08.2010 – 3 Ws (B) 434/10 – 2 Ss 231/10 passt gut zu unserem Posting: Kardinalfehler beim Sachverständigengutachten. Denn auch das KG beanstandet dort, dass der Tatrichter nicht genügend zum SV-Gutachten mitgeteilt hat. Der Leitsatz lautet:

Hat das Tatgericht ein Sachverständigengutachten eingeholt und seine Überzeugungsbildung hierauf gestützt, so muss es die Ausführungen des Sachverständigen in einer – gegebenenfalls gestrafften- zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerung insoweit wiedergeben, als dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner gedanklichen Schlüssigkeit erforderlich ist, um dem Rechtsbeschwerdegericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen.

Man kann schon sagen: Und täglich grüßt das Murmeltier. Die Rechtsbeschwerden/Revisionen sind dann Selbstläufer….

Mehr als 3,0 Promille BAK – das ist doch schon was….

und zwingt den Tatrichter die Schuldfähigkeit unter Berücksichtigung aller wesentlichen objektiven und subjektiven Umstände des Erscheinungsbildes und des Verhaltens des Täters vor, während und nach der Tat prüfen, so das OLG Naumburg im Beschl. v. 06.07.2010 – 2 Ss 85/10). Der Satz sollte an sich Allgemeingut sein, war er aber leider beim LG Halle nicht. Das hatte die Steuerungsfähigkeit beim Angeklagten angenommen und damit begründet, dass der Angeklagte zur Arbeit fahren wollte, ansprechbar war, sich ohne fremde Hilfe bewegen konnte und die Durchführung eines Blutalkoholtests möglich war (vor allem das „Bewegenkönnen“ ist schön :-)). Dem OLG hat das nicht gereicht, daher Aufhebung und Zurückverweisung, um die Sache noch mal neu zu verhandeln. In der Revision reicht bei solchen Fragen die einfache Sachrüge.

Dazu passt ganz gut: Warum tun Tatrichter das?, oder: Die geschriebene Lücke.