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Handy III: Einziehung eines Mobiltelefons, oder: Klingeling, klingeling, hier ist ihr BtM-Lieferant

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Und als dritte Entscheidung, die sich mit (einem) Handy/Mobiltelefon befasst, dann der BGH, Beschl. v. 03.07.2018 – 1 StR 264/18. Ergangen ist er in einem Verfahren wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

Das LG hat den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zudem ist die Einziehung von zwei   Mobiltelefonen einschließlich SIM- und SD-Karten angeordnet worden. Nach den der Einziehungsentscheidung (offenbar nur) zugrunde liegenden Feststellungen führte der Angeklagte die beiden fraglichen Mobiltelefone bei der Einfuhr des verfahrensgegenständlichen Marihuanas mit sich, um Kontakt mit dritten Personen im Hinblick auf das eingeführte Rauschgift zu halten. Diese seien daher zur Begehung vorsätzlicher Taten bestimmt gewesen.

Der BGH beanstandet nicht ausreichende Feststellungen für die Einziehungsentscheidung und hat insoweit das Urteil aufgehoben:

„…. Dem fehlt eine tragfähige beweiswürdigende Grundlage, so dass die Voraussetzungen der Einziehung gemäß § 74 Abs. 1 Var. 2 StGB nicht rechtsfehlerfrei belegt sind.

a) Zwar hat das Landgericht im rechtlichen Ausgangpunkt an sich zutreffend angenommen, dass als Tatmittel nicht lediglich solche Gegenstände eingezogen werden können, die zur eigentlichen Begehung der Tat Verwendung finden bzw. nach der Vorstellung des Täters hierzu bestimmt sind, sondern alles, was die Tat überhaupt ermöglicht und zu ihrer Durchführung dient oder hierzu erforderlich ist. Jedoch reicht die nur gelegentliche Benutzung eines Gegenstandes im Zusammenhang mit der Tat nicht aus. Erforderlich ist darüber hinaus, dass sein Gebrauch gezielt die Verwirklichung des deliktischen Vorhabens fördert bzw. nach der Planung des Täters fördern soll ( BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2004 – 2 StR 362/04 ,StV 2005, 210 f.mwN).

b) Diese Voraussetzungen sind nicht tragfähig belegt. Das Landgericht hat keine näheren Feststellungen treffen können, wann und von wem der Angeklagte damit beauftragt wurde, das Marihuana in das Inland zu verbringen und an wen, wann und wo er es in Deutschland übergeben sollte. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend aufgezeigt hat, kann angesichts dessen allein aus dem Auffinden sogenannter „Kreuztreffer“ in den dem Angeklagten zugeordneten Mobiltelefonen nicht auf eine – in dem vorstehend dargestellten Sinne – Bestimmung dieser Telefone zur Förderung der Einfuhrtat geschlossen werden. Denn es fehlt an konkreten, über eine eventuell vorhandene kriminalistische Erfahrung hinausgehenden Anhaltspunkten für eine erfolgte oder wenigstens angestrebte Nutzung zur Tatförderung. Auch die einer Einziehungsentscheidung zugrundeliegende Beweiswürdigung muss aber – wie stets (zum Maßstab allgemein BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 – 2 StR 238/17 Rn. 8 mwN) – auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruhen; die vom Tatrichter gezogenen Schlussfolgerungen dürfen sich nicht lediglich als Vermutung darstellen. Wegen der fehlenden Feststellungen zu dem Ablauf der verfahrensgegenständlichen Tat außerhalb des Transportvorgangs selbst, erschöpfen sich die Erwägungen des Landgerichts aber in einer Vermutung über die Bestimmung der Mobiltelefone, Tatmittel zu sein.

c) Das führt zur Aufhebung der Einziehungsanordnung; wegen des Beweiswürdigungsmangels einschließlich der zugrundeliegenden Feststellungen ( § 353 Abs. 2 StPO ). Da weitere Beweismittel als die im angefochtenen Urteil dargelegten nicht ersichtlich sind, schließt der Senat aus, dass noch die Einziehungsvoraussetzungen begründende Feststellungen getroffen werden können und lässt deshalb die Einziehungsanordnung entfallen.“

Also: Verhältnismäßig strenge Anforderungen an die der Einziehungsentscheidung zugrunde liegenden Feststellungen…..

Nochmals Anbau von Cannabis, oder: Wie muss die Strafe begründet sein/werden?

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Und als zweite Entscsheidung am heutigen Tag dann noch eine zum unerlaubten Anbau von Betäbungsmitteln. Nein, nicht noch einmal rechtfertigender Notstand. Sondern: Der OLG Hamm, Beschl. v. 09.11.2017 – 5 RVs 133/17 – verhält sich zum erforderlichen Umfang der Feststellungen bei einer Verurteilung wegen unerlaubten Anbaus von BtM in Bezug auf die Strafzumessung. Da haben dem OLG die Feststellungen des AG nicht gereicht:

„Der Rechtsfolgenausspruch hält jedoch einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht Stand. Das Urteil leidet bezüglich der über die Mindestfeststellungen hinausgehen­den Wirkstoffangaben an einem durchgreifenden Darstellungsmangel.

Während nähere Feststellungen zur Qualität des Rauschgifts für den Schuldspruch in Ausnahmefällen verzichtbar sind, sind diese im Rahmen der Strafzumessung an­gesichts der Vielfalt der vorkommenden Wirkstoffkonzentrationen und der Unter­schiedlichkeit der geforderten Preise im Regelfall unerlässlich (BGH NJW 1994, 1885). Das Unrecht einer Betäubungsmittelstraftat und die Schuld des Täters werden maßgeblich durch die Wirkstoffkonzentrationen und die Wirkstoffmenge bestimmt (BGH NStZ 2012, 339). Diesen Erfordernissen werden die Feststellungen des ange­fochtenen Urteils nicht gerecht. Das Schöffengericht ist ohne weiteres von einer „mittleren Qualität“ des Marihuanas und einem Wirkstoffgehalt von fünf Prozent aus­gegangen und hat den daraus errechneten Mindestwirkstoffertrag bezüglich der Ge­samtmenge aus 48 Gramm besessenem Betäubungsmittel und der aus dem Anbau zu erwartenden Erntemenge ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt. Diese „Schätzung“ basiere auf „allgemeiner Erfahrung“. Das Schöffengericht verzichtet da­bei zum einen ohne nähere Begründung auf die Einholung eine Wirkstoffgutachtens, obwohl die Betäubungsmittel sichergestellt wurden, und legt aber zum anderen auch nicht in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Art und Weise die der Schätzung zugrundegelegten „allgemeinen Erfahrungen“ im Bezirk des erkennenden Gerichts näher dar (vgl. zum Ganzen ausführlich OLG Hamm, Beschluss vom 05.01.2016, 111-1 RVs 96/15). Es fehlen damit nachvollziehbare Anknüpfungspunkte für die Annahme einer mittleren Qualität der Betäubungsmittel. Nach Rückverwei­sung wird das erkennende Gericht zu erwägen haben, ob es ein Wirkstoffgutachten einholt.

Aufgrund der aufgezeigten Mängel war das Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzu­heben. Es ist nicht auszuschließen, dass die aufgezeigten Mängel Einfluss auf die Strafbemessung gehabt haben. Die Sache war daher an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Iserlohn zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsmittels nach § 354 Abs. 2 StPO zurückzuverweisen.“

Mal wieder „räuberischer Angriff auf Kraftfahrer“, oder: Taxifahrerfall

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Zum Wochenende dann noch zwei (verkehrsstrafrechtliche) Entscheidungen des BGH. Zunächst das BGH, Urt. v. 27.04.2017 – 4 StR 592/16, das (noch einmal) zu Fragen des § 316a StGB Stellung nimmt. Zu der Vorschrift, die den „räuberischen Angriff auf Kraftfahrer“ unter Strafe stellt, hat es vor einigen Jahren eine ganze Reihe von BGH-Entscheidungen gegeben, die der Vorschrift ein anderes Gesicht gegeben haben. Inzwischen ist Ruhe eingekehrt. Nun hat der BGH aber wieder einmal Stellung nehmen müssen.

Gegenstand des Verfahrens ist einer der häufigeren „Taxifahrerfälle“ mit etwa folgendem Sachverhalt. Der Angeklagte und ein Mittäter wollten einen Taxifahrer überfallen und ausrauben. Sie planten, wie normale Fahrgäste in ein Taxi einzusteigen und sich eine kurze Strecke fahren zu lassen. Am Ankunftsort wollten sie den Taxifahrer bedrohen, wobei ihn der Angeklagte von der Rückbank „greifen“ sollte, und ihn so dazu veranlassen sollte, seine Geldbörse herauszugeben. Die beiden bestiegen dann ein Taxi, dass sie zu einer nicht weit entfernten Spielhalle fahren sollte. Der Taxifahrer stellte das Taxi vor der Spielhalle ab, ohne allerdings die Handbremse anzuziehen. Er stellte den Taxameter aus und verlangte den Fahrpreis. Er holte aus einem in der Fahrertür befindlichen Fach sein Portemonnaie hervor. In diesem Moment packte ihn der Angeklagte und zog seinen Kopf nach hinten. Zugleich verlangte der Mittäter die Herausgabe des Portemonnaies. Außerdem nahm er ein Messer in die Hand und hielt es dem Taxifahrer an den Hals. Der wehrte sich und verweigerte die Herausgabe des Portemonnaies. In dem Moment verließen mehrere Personen die Spielhalle und traten auf den Gehweg vor dem Taxi. Dem Taxifahrer gelang es, sich zu befreien. Er öffnete die Fahrertür und verließ das Taxi. Dabei fiel sein Portemonnaie zu Boden. Der Angeklagte und sein Mittäter gingen davon aus, dass sie aufgrund des Widerstands des Fahrers und der Zeugen ihre Tat nicht wie geplant würden vollenden können und flüchteten. Das Taxi hatte während des Gerangels zu rollen begonnen.

Das LG hat den A wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Hiergegen hat die StA Revision eingelegt. Der BGH hat das Urteil aufgehoben. Er beanstandet, dass das LG obwohl sich dies nach den Feststellungen aufgedrängt habe, nicht unter dem Gesichtspunkt des § 316a Abs. 1 StGB geprüft habe. Die Beanstandungen lassen sich etwa in folgenden Leitsätzen zusammen:

1. Ein Kraftfahrer bleibt so lange Führer des Kraftfahrzeugs i.S. des § 316a Abs. 1 StGB, wie er sich noch im Fahrzeug aufhält und mit dessen Betrieb oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist. Dies ist grundsätzlich erst dann nicht mehr der Fall, wenn er sein Fahrzeug zum Halten gebracht und den Motor ausgestellt hat.

2. Die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs können auch bei einem nicht verkehrsbedingten Halt ausgenutzt werden, wenn verkehrsspezifische Umstände vorliegen, die zu einer Beeinträchtigung der Abwehrmöglichkeiten des angegriffenen Fahrzeugführers geführt haben.

3. Zu diesen Punkten müssen ausreichende tatsächliche Feststellungen getroffen werden.