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Sachverständigenkosten beim Mandanten, oder: Was ist der richtige Weg?

Die zweite Entscheidung stammt dann aus Bayern, und zwar vom AG Rosenheim. Es handelt sich um den AG Rosenheim, Beschl. v. 04.02.2019 – 5 OWi 410 Js 21529/18. Der „Einsender“ schreibt in seinem Begleizschreiben:

„Sehr geehrter Herr Kollege Burhoff,

ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir zu folgender Problematik eine kurze Einschätzung geben könnten. Ich habe einen Mandanten, der als Motorradfahrer von der Polizei angehalten wurde. Er hat sofort eingeräumt, dass sein Motorrad zu laut war. Trotzdem hat die Polizei ein Gutachten eingeholt. Das Bußgeld beläuft sich auf 90,00 EUR, die Kosten des Gutachtens auf 1.123,89 EUR. Ich hatte Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt und diesen gegenüber dem AG Rosenheim auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt, mit dem Ziel, dass dem Mandanten die Kosten des Gutachtens nicht auferlegt werden. Anliegend übereiche ich nun den Beschluss des AG Rosenheim, das sich mit der Problematik der Unverhältnismäßigkeit nicht auseinandersetzt, sondern ausführt, ich hätte den falschen Rechtsbehelft gewählt. Sehen Sie das auch so? Falls nicht, wie bewerten Sie meine Chancen in der Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 5 OWiG wegen einer Versagung des rechtlichen Gehörs? 2

Das AG hatte in seiner Entscheidung zu den Kosten des Verfahrens – nach Verurteilung des Betroffenen – ausgeführt:

„VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 OWiG, 465 StPO.

Aufgrund der Verurteilung und der Festsetzung der Geldbuße hat der Betroffene gem. § 465 StPO auch die Kosten des Verfahrens und die Auslagen des Verfahrens zu tragen.

Im Rahmen der Entscheidung über den Einspruch, auch wenn er sich primär gegen die Kosten richtet, ist nur eine Kostengrundentscheidung zu treffen. Hier ist nur zu prüfen, ob grundsätzlich eine Kostentragungspflicht des Verurteilten besteht. Dies ist im vorliegenden Fall gegeben, da der Betroffene bzgl. des Verstoßes verurteilt wurde und ihm eine Geldbuße auferlegt wurde.

Eine Aufteilung oder Aussonderung bestimmter Auslagen gem. § 465 Abs.2 StPO ist nicht möglich, da hier nur Kosten für Untersuchungen ausgeschieden werden können, die zugunsten des Angeklagten ausgegangen sind. Im vorliegenden Fall ging das Gutachten jedoch zu Lasten des Betroffenen aus. Die Einwände, die der Betroffene über seinen Verteidiger erhebt, betreffen nicht die Kostengrundentscheidung, sondern lediglich den Kostenansatz.

Der Kostenansatz ist, auch wenn er mit dem Bußgeldbescheid verbunden ist, durch gerichtlichen Antrag nach § 108 Abs.1 S.1 Nr. 3 OWiG anzufechten (siehe Göhler, OWiG, 17. Auflage, 2017, vor § 105 RdNr.27; § 107 RdNr. 30).

Auf eine schriftliche Anhörung des Zeugen pp. konnte daher verzichtet werden, da es für die Kostengrundentscheidung nicht darauf ankommt, welche Angaben der Betroffene vor Ort gemacht hat.2

Ich habe dem Kollegen geschrieben, dass ich es ebenso sehe wie das AG und er leider den falschen Weg gewählt hat bzw. über die Rechtsbeschwerde keine für den Mandanten günstige Entscheidung zu den Kosten bekommt.Den richtigen Weg hat das AG vorgezeichnet. Und zur Frage der richtigen Sachbehandlung gibt es Rechtsprechung, und zwar einmal den LG Ingolstadt, Beschl. v. 30.09.2015 – 2 Qs 48/15 ( dazu “Disziplinierung” durch “vorauseilenden Gehorsam”, oder: Das zu schnell eingeholte Sachverständigengutachten) aber auch den LG Berlin, Beschl. v. 20.10.2016 – 512 Qs 43/16.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Gibt es dafür keine zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG?

© haru_natsu_kobo - Fotolia.com

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Und dann die Lösung zur „Freitagsfrage“ v. 12.09.2014 (vgl. Ich habe da mal eine Frage: Gibt es dafür keine zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG?

Nun, ich war genauso erstaunt wie der Verteidiger, als ich den AG Rosenheim, Beschl. v. 26.08.2014 – 8 Cs 420 Js 25786/12 – gelesen hatte, in dem das AG bergündet hat, warum dem Verteidiger die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 Anm. 1 Satz 1 Nr. 2 VV RVG nicht zustehen soll. Aus der Begründung:

„….Vorliegend hat das Gericht jedoch den Erlass eines von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafbefehls abgelehnt.

Diese Entscheidung steht zwar gem. § 408 Abs. 2 S.2 StPO materiellrechtlich dem Beschluss gleich, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt worden ist. Dennoch sind die Fälle hier – entsprechend der Argumentation des Bezirksrevisors beim Landgericht Traunstein – aus gebührenrechtlicher Sicht nicht gleichzusetzen. Nach dem Sinn und Zweck der Gebühr gern. Ziffer 4141 VV RVG soll die Gebühr dann anfallen, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung die Hauptverhandlung entbehrlich wird. Auch hier ist zwar durch den Beschluss des Gerichts vom 05.05.2014 das Verfahren beendet worden und somit natürlich auch die Möglichkeit einer späteren Hauptverhandlung entfallen. Anders als bei dem in der Anmerkung zu Nr. 4141 VV RVG gemeinten Beschluss, mit dem das Hauptverhandlung nicht eröffnet wird, wurde durch den Beschluss des Gerichts vom 05.05.2014 die Hauptverhandlung aber noch nicht unmittelbar entbehrlich. Hätte das Gericht den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls nicht abgelehnt, wäre der Strafbefehl erlassen worden. Der Erlass des Strafbefehls führt dabei nicht unmittelbar zur Erforderlichkeit einer Hauptverhandlung. Eine solche findet nur dann statt, wenn auch Einspruch eingelegt wird und nicht etwa im Verfahren gem. § 411 Abs. 1 S.3 StPO nur über die Tagessatzhöhe zu entscheiden ist (wofür dann wieder gerade die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG anfallen würde).“

Wenn man das so liest, weiß man nicht so richtig, was das AG meint. Dass seine Entscheidung falsch ist, liegt m.E. auf der Hand. Die vom AG gegebene Begründung ist auch nicht nachvollziehbar/unverständlich. Dass die Entscheidung des AG falsch ist, ergibt sich im Grunde schon aus dem Beschluss selbst. Denn, wenn das AG darauf verweist, dass auch durch den Beschluss über die Ablehnung des Strafbefehlsantrags das Verfahren beendet worden und somit natürlich auch die Möglichkeit einer späteren Hauptverhandlung entfallen sei, dann ist das gerade ein Fall der Nr. 2. Das wird noch unterstrichen, wenn man § 408 Abs. 2 Satz 2 StPO heranzieht, wo ausdrücklich bestimmt ist, dass die Ablehnung des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls dem Beschluss gleichsteht, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt worden ist. Warum das gebührenrechtlich nicht bzw. etwas anderes gelten soll, erschließt sich nicht und bleibt das Geheimnis des entscheidenden Amtsrichters und des Bezirksrevisors beim LG Traunstein, auf dessen Stellungnahme die Entscheidung des AG beruht.

Die Ansicht erschließt sich im Übrigen auch nicht aus den weiteren Ausführungen des AG, die m.E. unverständlich sind. Denn wieso ist die „durch den Beschluss des Gerichts, mit dem der Erlass des Strafbefehls abgelehnt worden ist, die Hauptverhandlung aber noch nicht unmittelbar entbehrlich“? Was meint das AG damit. Natürlich kann die Staatsanwaltschaft diesen Beschluss mit der sofortigen Beschwerde anfechten (§ 210 Abs. 2 StPO analog). Aber das kann sie den Beschluss, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird, auch. Und was hat § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO mit der vorliegenden Verfahrenskonstellation zu tun? m.E. nichts. Wenn das AG durch den (unverständlichen) Hinweis sagen will, dass die Gebühr Nr. 4141 VV RVG im Strafbefehlsverfahren nur im Fall der durch das 2. KostRMoG eingeführten Nr. 4 verdient wird, wäre das neu, aber falsch (zu den Gebühren im Strafbefehlsverfahren Burhoff in Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 4. Aufl. 2014, Teil A: Strafbefehlsverfahren, Abrechnung, Rn. 1842 ff.). Für die Auffassung findet sich nirgendwo eine Stütze.- Das wäre dann „Rosenheimer Landrecht“.

Üble Nachrede bei Meldung von Gewalttätigkeiten in einer Familie unter Verschweigen der Identität des Informanten

Das AG Rosenheim, Urt. v. 03.11.2011 – 1 Cs 420 Js 18674/11 verurteilt eine Angeklagte wegen übler Nachrede bei Meldung von Gewalttätigkeiten in einer Familie unter Verschweigen der Identität des Informanten.

Eine Person mache sich wegen übler Nachrede strafbar, wenn sie die von einem Dritten erhaltene Information über Gewalttätigkeiten in einer bestimmten Familie an die Mitarbeiterin des Kindergartens weitergebe, ohne die tatsächlichen Verhältnisse der Familie selbst zu kennen und den Informanten preis zu geben. Dies sei unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen der Allgemeinheit an der Unversehrtheit der Kinder der Familie nicht gerechtfertigt, weil die Preisgabe der Identität des Informanten als milderes Mittel zur Verfügung stehe.