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Elektronische Akte/Akteneinsicht, oder: Keine Rechtsgrundlage in Rheinland-Pfalz

entnommen openclipart.org

Ein kleines Schmankerl hat mir vor einigen Tagen der Kollege Brüntrup aus Minden geschickt. Es geht mal wieder um die Kosten für die Einsicht in die elektronische Akte. Die Zentralen Bußgeldstelle des Polizeipräsidiums Rheinpfalz hatte dafür 12 € festgesetzt. Der Kollege hat Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Und das AG Pirmasens hat im AG Pirmasens, Beschl. v. 13.04.2017 – 1 OWi 424/16 – die Auslagenfestsetzung aufgehoben. Begründung: Keine Rechtsgrundlage:

„Die Führung einer elektronischen Akte ist, wie sich aus § 110 b Abs. 1 OWiG aber auch der Gesetzesbegründung ergibt, jedoch erst dann zulässig, wenn sie durch Rechtsverordnung zugelassen wurde (vgl. BT-Drs. 15/4067, S. 47, linke Spalte a. E.).

Eine entsprechende Rechtsverordnung liegt – wie seitens der Bußgeldstelle in der Stellungnahme vom 30.012017 (BI. 84 f. d.A.) bestätigt wurde – derzeit noch nicht vor. Insofern geschieht die Aktenführung bei der Zentralen Bußgeldstelle des Polizeipräsidiums Rheinpfalz, wo alle verfahrensrelevanten Dokumente zunächst nur digital vorhanden sind bzw. digital hergestellt werden und erst bei Bedarf — wie beispielsweise nach erfolgtem Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid — ausgedruckt werden, im Hinblick auf die fehlende Rechtsverordnung nach § 110 b Abs. 1 OWiG derzeit ohne Rechtsgrundlage (OLG Koblenz, Beschluss vom 06.09.2016 — 1 OWi 3 Ss Rs 93/16, zitiert nach juris, Rn. 5).

Da es insofern an einer zulässigerweise und durch Rechtsverordnung zugelassene Führung einer elektronischen Akte fehlt, kann auch keine Akteneinsicht nach § 110 d Abs. 2 S. 1 OWiG durch Erteilung eines Aktenausdrucks gewährt werden, da diese zwingend eine aufgrund Rechtsverordnung geführte elektronische Akte voraussetzt. Die Übersendung eines Ausdrucks einer insofern ohne Rechtsgrundlage geführten elektronischen Akte kann naheliegenderweise keine Aktenversendungspauschale begründen, denn eine solche kann nur dann anfallen, wenn Einsicht in eine zulässigerweise und ordnungsgemäß geführte Akte gewährt wird.“

Warten bekommt der Pflichtverteidiger nicht bezahlt – meint das AG Pirmasens

FragezeichenHeute mache ich mal einen Gebührentag. Eröffnen will ich den Reigen mit dem AG Pirmasens, Beschl. v. 06.01.2016 – 1 Ls 4372 Js13002/13 jug. Bei dem habe ich mich dann schon – leicht geärgert – bzw. erstaunt gefragt,- warum eigentlich gegen die ganz h.M. – auch die des „eigenen OLG – in Rechtsprechung und Literatur entschieden wird.

In dem Beschluss geht es um die Frage der Berechnung der für die Gewährung eines Längenzuschlags maßgeblichen Hauptverhandlungsdauer. Das war nach Inkrafttreten des RVG am 01.07.2004 zunächst einer der „Hauptkampfplätze“ in der obergerichtlichen Rechtsprechung, wobei allerdings die Frage der Berücksichtigung von Pausen im Vordergrund gestanden hat (vgl. zu allem Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4110 VV Rn 15 ff. m.w.N.). Die obergerichtliche Rechtsprechung war sich hingegen – weitgehend – einig darin, dass für den Beginn der Zeitberechnung der Zeitpunkt maßgeblich ist, zu dem der RA geladen worden ist und nicht, wann die Hauptverhandlung tatsächlich begonnen hat (vgl. die Nachw. bei Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4110 VV RVG Rn 18). Lediglich das OLG Saarbrücken (Beschl. v. 20.02.2006 – 1 Ws 5/06; s. auch noch RVGreport 2014, 103) hat das anders gesehen. Dabei übersieht es aber – und mit ihm das AG Pirmasens – aber, dass es gerade auch Sinn und Zweck des RVG war, dem Rechtsanwalt nutzlose Zeit zu vergüten, was in der Regelung der Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG – geplatzter Termin – zum Ausdruck kommt. Und nutzloser als mit Warten kann man Zeit wohl kaum verbringen. Und warum das nicht auch eine „Tätigkeit“ des Rechtsanwalts ist, erschließt sich mir nicht.

Soweit das AG in seiner Entscheidung auf zwei weitere OLG Entscheidungen verweist, nämlich auf OLG Koblenz NJW 2006, 1149 und auf OLG Bamberg AGS 2006, 124, stützt das seine Ansicht übrigens nicht. Die verhalten sich nämlich nicht zur (Nicht)Berücksichtigung der sog. Wartezeit.

Das AG hat die Beschwerde zugelassen. Es ist zu hoffen, dass LG oder ggf. sogar das OLG Zweibrücken die Entscheidung „reparieren“.

Man kann es ja mal versuchen, oder: Was stört mich eine h.M.?

© a_korn - Fotolia.com

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Wenn es sie gäbe die Rubrik: Man kann es ja mal versuchen, dann müsste der AG Pirmasens, Beschl. v. 10.03.2014 – 2 Ds 4372 Js 7830/13 – dort abgelegt werden, zumindest was die vorhergehende Entsscheidung der Rechtspflegerin betrifft. Denn er behandelt eine Frage, die zum Übergang BRAGO/RVG bereits entschieden war und die die Rechtspflegerin beim AG Pirmasens nun aber neu belebt hat. Nämlich: Altes oder neues Recht, wenn der Rechtsanwalt nach/ab dem 01.08.2013 zum Pflichtverteidiger bestellt worden ist, er aber schon vorher als Wahlanwalt tätig war? Die h.M. sagt(e): Neues Recht. Und das sagt das AG Pirmasens auch.

Der jetzige Pflichtverteidiger war im hiesigen Verfahren zuvor als Wahlverteidiger tätig. Mit Beschluss vom 13.01.2014 wurde er als Pflichtverteidiger bestellt.

„Gem. § 60 I RVG ist die Vergütung nach bisherigen Recht, d.h. nach der Rechtslage vor dem 01.08.2013 zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung vor Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt wurde. Dies wurde seitens der Rechtspflegerin bejaht, da das Wahlmandat bereits vor dem Stichtag des 01.08.2013 bestand.

Ob die Berechnung nach alter Rechtslage erfolgen kann, wenn ein Pflichtverteidiger nach dem Stichtag zur Rechtsänderung als solcher bestellt wurde, vor diesem Stichtag aber bereits als Wahlverteidiger tätig war, ist umstritten.

Die überwiegendes Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, der sich das Gericht vorliegend anschließt, vertritt die Auffassung, dass die Pflichtverteidigergebühren nach der neuen Rechtslage zu berechnen sind, wenn die Pflichtverteidigerbestellung nach dem jeweiligen Stichtag erfolgte. Dies auch dann, wenn der Verteidiger vor dem Stichtag bereits das Wahlmandat hatte. (vgl. statt vieler: Mayer/Kroiß, RVG § 60 Rn. 15, 2013; OLG Frankfurt, 09.03.2005, Az. 2 Ws 15/05; OLG Jena17.03.2005, Az. 1 Ws 73/05). Da das Wahlmandat jedenfalls mit dem Zeitpunkt der Pflichtverteidigerbestellung endet, ist die Pflichtverteidigerbestellung als Auftrag im Sinne des § 60 1’RVG zu verstehen. Damit ist deren Zeitpunkt auch für die Berechnung der Gebühren maßgeblich.“

Entscheidend ist der Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses. Und: Die Wahlanwaltsgebühren richten sich (noch) nach altem Recht