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Akteneinsicht a la diverse AG: Gegensätzlicher geht es bei der Messserie kaum

© fotoknips - Fotolia.com

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In den letzten Tagen haben mir Kollegen – besten Dank an alle Einsender! – fünf amtsgerichtliche Entscheidungen übersandt, die zum Teil gegensätzlicher kaum sein können. Dementsprechend waren auch die Übersendungsmails „gegensätzlich“, nämlich entweder froh oder dann doch betrübt bzw. verhalten. In den Entscheidungen geht es u.a. um die Überlassung der Daten in die jeweilige Messserie einer Geschwindigkeitsmessung. Ich fasse sied ann heute hier mal zusammen:

  • Und da sagt zunächst mal das AG Rottenburg am Neckar im AG Rottenburg/Neckar, Beschl. v. 04.12.2015 – 4 OWi 294/15: Die Daten sind herauszugeben. Aber die ebenfalls beantragte Eisnicht in die Lebensakte wird nicht gewährt. Denn eine Lebensakte gibt es nicht. Der Betroffene hat allenfalls einen Auskunftsanspruch darüber,, ob zwischen der Eichung vor der Geschwindigkeitsmessung und der Eichung nach der Geschwindigkeitsmessung Reparaturen an dem Messgerät durchgeführt wurden und ggf. welche. Dies wurde jedoch nicht beantragt.

M.E. denkt das AG an der Stelle nicht zu Ende. Es hätte doch der Frage nachgehen und sie entscheiden müssen, ob nicht die Auskunft als Minus in dem Anspruch auf Überlassung der Lebensakte steckt.

  • Das AG Wuppertal entscheidet im AG Wuppertal, Beschl. v. 07.12.2015 – 12 OWi 485/15 (B), dass der Betroffene bzw. sein Verteidiger auch einen Anspruch auf Einsicht in die bei der Bußgeldbehörde vorhandenen vollständigen digitalen Falldateien der Geschwindigkeitsmessungen des Tattages haben, und zwar auch soweit diese nicht den Betroffenen betreffen. Diese Daten sind dem Betroffenen bzw. seinem Verteidiger „zu verschaffen“ und in unverschlüsselter Form, das heißt einschließlich der unverschlüsselten Rohmessdaten sowie – falls dann noch erforderlich – den dazugehörigen öffentlichen Schlüssel/Token zu Händen des Verteidigers zur Verfügung zu stellen.

Interessant die Formulierung „zu verschaffen“ = also muss die Behörde sie ggf. besorgen? Und: „Dem stehen datenschutzrechtliche Bedenken nicht entgegen. Es ist nicht ersichtlich, welche (unzulässigen) Informationen oder Schlussfolgerungen der Verteidiger oder auch ein hinzugezogener privater Sachverständiger aus der Einsichtnahme der entsprechenden Daten ziehen sollten. Dies gilt umso mehr, als der aufgezeichnete und feststellbare Lebenssachverhalt aus einer derartigen Maßnahme nur einen äußerst kurzen Zeitraum betrifft.“

  • Das AG Jena gibt im AG Jena, Beschl. v. 05.11.2015 – 3 OWi 1268/15 – hat zuvor schon wie das AG Wuppertal entschieden: Daten der Messserie sind herauszugeben, keine datenschutzrechtlichen Belange.
  • Und dann schließlich noch das AG Fürstenwalde/Spree im AG Fürstenwalde/Spree, Beschl. v. 26.11.2015 – 3 OWi 723/15 (GE): Da gibt es die Daten der Messserie nicht. Begründung: Die gesamte Messserie mit persönlichen Daten völlig fremder Verkehrsteilnehmer ist für den Betroffenen kein Beweisstück zur Überprüfung seiner Messung auf Richtigkeit. Sie gehört unter anderem auch aus diesem Grunde nicht zum zwingend vorgeschriebenen Akteninhalt.
  • Und zur Abrundung habe ich dann noch den AG Gera, Beschl. v. 07.10.2015 – 14 OWi 424/15. Der sagt: „Im Bußgeldverfahren sind auf Anforderung dem Verteidiger die Lehr­gangs­be­schei­ni­gun­gen für den Mess­be­am­ten, der gül­ti­gen Eich­schein für das verwendete Messgerät, der Token sowie das Pass­wort herauszugeben.“

Mit allen Beschlüssen – außer mit dem des AG Fürstenwalde – wird man als Verteidiger argumentieren (können). Also: Packen wir es an 🙂 .

„Munition“ für die Akteneinsicht im Bußgeldverfahren – immer wieder Kampf um Eichschein, Bedienungsanleitung u.a.

Der Kollege Melchior berichtet gerade (vgl. hier) über ein Akteneinsichtsgesuch, bei dem ihm der Eichschein nicht übersandt worden ist mit der Begründung (in Bayern), dass der nicht Bestandteil der Akten sei und nur auf gerichtliche Anforderung übersandt werde. Der Kollege Voigt berichtet in einem Kommentar dazu, dass es in NRW etwa heißt, „haben wir nicht, gibt es also auch nicht, im Übrigen sind die Beamten geschult“.

Der dauernde Kampf um diese oder andere Unterlagen erstaunt mich dann doch immer wieder. Schließlich geht es bei der Frage der Akteneinsicht – auch des Umfangs – um das rechtliche Gehör. Wie soll eigentlich der Betroffene die Ordnunsgemäßheit einer Messung überprüfen, wenn er nicht alle Unterlagen kennt, die dafür von Bedeutung sind. Und dazu gehören m.E. Eichschein usw. Auch das Argument: Urheberrecht des Verfassers der Bedienungsanleitung zieht m.E. nicht. Der Anspruch auf rechtliches Gehör geht m.E. vor. M.E. muss sich der Verteidiger auch nicht damit zufrieden geben, dass die Behörde sagt: War geeicht und die Beamten sind geschult. Das ist m.E. nichts anderes als „Parteivortrag“.

In dem Kampf 🙂 muss man gut gerüstet sein. Dazu gehört die entsprechende Rechtsprechung der AG, die sich m.E. auf dem richtigen Weg befinden und dem Verteidiger ein Akteneinsichstrecht in all die Unterlagen einräumen, die auch einem Sachverständigen für ein Gutachten zur Verfügung gestellt werden müssen. Das sind:

Jeweils für Bedienungsanleitung bzw. Messfilm oder Messfoto

über AG Erfurt und AG Schwelm haben wir ja auch hier schon berichtet.

Die Bedienungsanleitung für das Dräger-Gerät findet sich im Internet unter: http://www.draeger.com/DE/de/products/alcohol_drug_detection/evidential/cdi_alcotest_7110_evidential.jsp

Für die sog. Lebensakte ist ganz interessant:

Ach so: Und dann muss man natürlich, wenn man Munition für die Rechtsbeschwerde haben will, mit der Problematik auch verfahrensrechtlich richtig umgehen. Im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde natürlich Antrag nach § 62 OWiG, zu allem anderen: Fortsetzung folgt :-).