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Befriedungsgebühr Nr. 4141 VV RVG, oder: Was hat Gebührenrecht mit anwaltlicher Schweigepflicht zu tun?

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Der ein oder andere Leser wird sich sicherlich daran erinnern, dass ich vor ein paar Tagen sehr über den AG Aschaffenburg, Beschl. v. 24.07.2017 – 390 AR 46/17 geschimpft habe (vgl. Zusätzliche Verfahrensgebühr, oder: Warum schaut der „Proberichter“ nicht mal in einen Kommentar?). Jetzt kann ich aber mal über einen positiven Beschluss zu Nr. 4141 VV RVG vom AG Aschaffenburg berichten, den mir ebenfalls die Kollegin Waterstradt übersandt hat.

In dem AG Aschaffenburg, Beschl. v. 08.08.2017 – 302 Ls 207 Js 7836/16 jug – geht es um die Abrechnung der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG nach Berufungsrücknahme -also ein Fall der Anm. 1 Satz 1 Nr. 3. Die Berufung ist aber nicht von der Kollegin zurückgenommen worden, sondern von der Mandantin selbst. Die hat dann später mitgeteilt, „dass sie einen Brief zurück haben wolle, in dem sie die Berufung zurückgezogen hatte. Sie wolle dies nicht endgültig beschließen, bevor sie Post von Ihrer Anwältin bekäme. Es wäre ein großer Schritt für sie und den wolle sie nicht ohne Rücksprache mit ihrer Anwältin durchführen.“ Daraus hat der Kostenbeamte den Schluss gezogen, „dass bis zum Zeitpunkt der Berufungsrücknahme durch die Verurteilte keine anwaltliche Mitwirkung bei der Berufungsrücknahme erfolgte. Die Verurteilte wollte schließlich erst noch auf Nachricht von RA’in W. warten. Soweit RA’in Waterstradt ausführt das eine rege Kommunikation stattgefunden hat, so lässt sich dem Aktenverlauf entnehmen das dies erst zu einem Zeitpunkt erfolgt ist als die Berufung schon durch die Verurteilte zurückgenommen war.

Die Amtsrichterin hat es dann anders gesehen:

„Für eine Mitwirkung im Sinne dieser Vorschrift reicht nach diesem Wortlaut jede Tätigkeit gegenüber dem Mandanten, der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht auf den später erzielten Erfolg, die wirksam erklärte Rücknahme der Berufung, aus.

Angesichts der in Nr. 4141 Absatz 2 VV RVG normierten „Beweislastumkehr“ wonach eine Gebühr nur dann nicht entsteht, wenn eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit nicht ersichtlich ist, genügt es auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Vorschrift, wenn die Pflichtverteidigerin hier anwaltlich versichert, es habe zwischen ihr und ihrer Mandantin ein reger Briefwechsel stattgefunden, der maßgeblich für die Berufungsrücknahme gewesen sei. Da hier der Bereich anwaltlicher Schweigepflicht tangiert wird, kann eine Vorlage dieses Briefwechsels und weiterer Vortrag zum dessen Inhalt durch die Verteidigerin nicht erfolgen. Es kann daher nicht alleine auf das Schreiben der Angeklagten vom 03.02.2017 abgestellt werden, bei der Feststellung, dass eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit der Verteidigerin nicht ersichtlich sei. Sondern unter Berücksichtigung des Vorbringens der Verteidigerin ist von einer ausreichenden Mitwirkung an der Berufungsrücknahme im Sinne der Vorschrift auszugehen, zumal die Verteidigerin dargelegt hat, das Zurückziehen der Berufungsrücknahme durch die Angeklagte im Schreiben vom 03.02.2017, sei erfolgt, um den Zeugenstatus in einem Parallelverfahren wieder zu verlieren, den sie durch die Rechtskraft erlangt hatte.“

M.E. richtig. Denn die anwaltliche Versicherung ist sicherlich ein insoweit zulässiges „Beweismittel“. Es sei denn, man wollte die Behauptung aufstellen, dass diese grundsätzlich falsch sind. Das ist mit Sicherheit aber nicht der Fall, so dass nach Abgabe der Versicherung der „Ball im Feld der Staatskasse liegt“.

Ich schreibe jetzt nicht: Geht doch, und zwar auch ohne Kommentar 🙂 .

Zusätzliche Verfahrensgebühr, oder: Warum schaut der „Proberichter“ nicht mal in einen Kommentar?

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So, die gebührenrechtlichen Entscheidungen des heutigen Tages beginne ich mit dem AG Aschaffenburg, Beschl. v. 24.07.2017 – 390 AR 46/17, den mir die Kollegin Diane Waterstradt aus Aschafenburg übersandt hat. Die Kollegin war Pflichtverteidigerin des Beschuldigten. Sie hat im Ermittlungsverfahren für den Beschuldigten Stellung genommen. Das Verfahren ist dann nach § 154 StPO eingestellt worden. Die Kollegin hat die Gebühr Nr. 4141 VV RVG geltend gemacht. Die ist von der Rechtspflegerin nicht festgesetzt worden. Die Erinnerung hatte beim AG dann keinen Erfolg:

„Mit Schriftsatz vom 23.05.2017 beantragte Rechtsanwältin Waterstradt die Festsetzung von insgesamt 873,04 Euro, darunter die Gebühr Nr. 4141 VV RVG (BI. 298 d.A.).

Im Ergebnis ist die Gebühr Nr. 4141 VV RVG nicht entstanden. Im Aktenverlauf lässt sich keine Förderung auf das Verfahren gerichtete Tätigkeit von Rechtsanwältin Waterstradt entnehmen. Die Einstellung des Verfahrens erfolgte mit Verfügung vom 17.05.2017 ausdrücklich aufgrund einer in einem anderen Verfahren zu erwartenden Strafe. Die hier verfolgte Tat würde nicht beträchtlich ins Gewicht fallen. Das von Rechtsanwältin Waterstradt vorgetragene Einlassungsverhalten des Beschuldigten spielte daher für die Einstellung des Verfahrens keine Rolle, sodass die Gebühr Nr. 4141 VV RVG mangels auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit nicht entstanden ist. Auf die zutreffenden Ausführungen des Beschlusses des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 05.07.2017 wird Bezug genommen. Für die Entstehung der Gebühr sind höhere Anforderungen als Haftbeschwerde, Akteneinsicht und eine anschließende Einstellung durch die Staatsanwaltschaft erforderlich.“

M.E. ist die Entscheidung falsch. Denn für das Entstehen der Gebühr Nr. 4141 VV RVG reicht jede auf die Förderung der Erledigung des Verfahrens gerichtete und zur Verfahrensbeendigung „objektiv geeignete“ Tätigkeit des Rechtsanwalts aus (zutreffend BGH RVGreport 2008, 431 = AGS 2008, 491 = StRR 2009, 77 m. zust. Anm. Burhoff; OLG Stuttgart RVGreport 2010, 263 = AGS 2010, 202 = StRR 2010, 440; LG Dresden RVGreport 2010, 69 = StRR 2010, 239; LG Saarbrücken RVGreport 2016, 254 = AGS 2016, 171 = StRR 10/2016, 24; weitere Nachw. bei Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, VV 4141 Rn 11 und bei Burhoff/Volpert/Burhoff, Nr. 4141 VV Rn 18). Und dafür wäre das vom AG selbst erwähnte „Einlassungsverhalten“ des Beschuldigte, der im Zweifel geschwiegen hat, ausreichend gewesen, denn das war objektiv geeignet, zur Beendigung des Verfahrens – durch Einstellung – beizutragen. Ob es das tatsächlich hat, ist eine Frage, die im Rahmen der Nr. 4141 VV RVG keine Rolle spielt. Der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft den aus ihrer Sicht vielleicht einfacheren Weg der Einstellung nach § 154 StPO gegangen ist, sagt ja nichts über die Qualität der Mitwirkung des Verteidigers aus. Und das ist m.E. auch zutreffend, denn sonst hätten es die Gerichte in der Hand, durch die Wahl des „richtigen“ Einstellungsgrundes die Voraussetzungen für das Entstehen der Nr. 4141 VV RVG zu legen oder nicht. Das kann aber nicht richtig sein.

Ich hatte der Kollegin zu der Entscheidung, die von einem Proberichter stammt, geschrieben, was ich hier lieber nicht schreibe 🙂 . Dem Proberichter kann man wegen der falschen Entscheidung an sich kaum einen Vorwurf machen, denn auch das übergeordnete OLG Frankfurt kann es in meinen Augen nicht besser (vgl. den OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 05.07. 2017 – 2 Ws 35/17). Was man dem Proberichter allerdings „vorwerfen“ kann, ist, dass er offenbar nicht einmal kurz in einen gebührenrechtlichen Kommentar geschaut, sondern das, was die Rechtspflegerin vorgebetet hatte, fast wortgleich übernommen hat (hier der AG Aschaffenburg, Beschl. v. 05.07.2017 – 390 AR 46/17). So viel Zeit sollte aber trotz aller sicherlich vorhandener Belastung sein, auch wenn es „nur“ um anwaltliche Gebühren geht. Dann hätte er nämlich gemerkt/gelesen, dass der Satz „Für die Entstehung der Gebühr sind höhere Anforderungen als Haftbeschwerde, Akteneinsicht und eine anschließende Einstellung durch die Staatsanwaltschaft erforderlich“ so nicht passt.

Leidiges Thema, oder: Reisekostenerstattung für den auswärtigen Wahlverteidiger

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In der zweiten gebührenrechtlichen Entscheidung geht es mal wieder um das leidige Thema der Reisekosten des nicht im Bezirk ansässigen Rechtsanwalts/Wahlverteidigers. Die Betroffene war im Bußgeldverfahren frei gesprochen worden. Sie macht ihre Auslagen geltend. Die geltend gemachten Reisekosten ihres „auswärtigen“ Wahlanwalts werden vom Kostenbeamten nicht festgesetzt. Anders dann das AG Aschaffenburg, Zweigstelle Alzenau im AG Aschaffenburg, Beschl. v. v. 23.06.2017 – 333 OWi 125 Js 9560/16:

„II.

Die Betroffene hat ebenfalls einen Anspruch auf Erstattung der Reisekosten des Wahlverteidigers in der beantragten Höhe von 20,40 €.

1. Ausgangspunkt für die Frage der Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines Rechtsanwalts in einem Bußgeldverfahren ist gemäß § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG. Demnach gehören zu den notwendigen Auslagen des Betroffenen auch die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie nach § 91 Abs. 2 ZPO zu erstatten sind. Reisekosten eines Rechtsanwalts, der – wie hier – nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, sind gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1, Halbsatz 2 ZPO nur insoweit zu erstatten, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Beurteilung der Notwendigkeit im Sinne dieser Vorschrift sind die vom BGH für Zivilprozesse entwickelten Grundsätze auch auf das Bußgeldverfahren anzuwenden (vgl. LG Potsdam, Beschluss vom 22.02.1013 – 24 Qs 177/12, Juris). Nach dem Wortlaut des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind die Reisekosten eines bezirksansässigen Rechtsan¬walts stets, die Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts jedoch lediglich insoweit erstat¬tungsfähig, als seine Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsvertei¬digung notwendig war. Um eine Schlechterstellung von außerhalb des bezirksansässigen Rechtsanwälten zu vermeiden, welche vom Gesetzgeber auch nicht intendiert war (vgl. BT-Druck S 15/1971, 233) ist das Kriterium der Notwendigkeit im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO für auswärtige Rechtsanwälte so auszulegen, dass zumindest die Fahrtkosten bis zur Ge¬richtsbezirksgrenze als erforderlich anzusehen sind, da sich der Mandant auch eines bezirksan¬sässigen Anwalts im äußeren Bereich hätte bedienen können (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 60 455/11, Juris; Herget in Zöller, 31. Auflage, § 91, Rd.Nr. 13 „Reisekosten des Anwalts“). Aus Sicht des Gerichts können diese auch nicht mit dem Argument versagt werden, dass die Beauftragung eines nicht bezirksansässigen Wahlverteidigers vorliegend mit Blick für die Verteidigung nicht notwendig waren, da vorliegend ein geringes Bußgeld im Raum stand und es weder um Punkte noch ein Fahrverbot ging. Denn die fehlende Notwendigkeit führt nur zur Versagung der „Mehrkosten“ die durch die Beauftragung eines nicht bezirksansässigen Rechtsanwalts gegenüber einem bezirksansässigen Rechtsanwalt entstanden sind, nicht jedoch zum grundsätzlichen Entfallen der Ersatzfähigkeit (vgl. I.E. OLG Köln, NStZ-RR 2010, 31).

2. Vorliegend liegt die Maximalentfernung zwischen dem Gerichtssitz und der hiervon am weite¬sten entfernten Gemeinde deutlich oberhalb der seitens des Verteidigers geltend gemachten Ent¬fernung von Rodenbach zum Gerichtsort, weswegen die Fahrtkosten antragsgemäß zu erstatten sind. Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass die tatsächlichen Fahrtkosten des Verteidigers als Obergrenze fungieren, wenn die Entfernung seines Kanzleisitzes zum Gerichtsort geringer ist als die Maximalentfernung zwischen Gerichtssitz und der hiervon am weitesten entfernten Ge¬meinde (vgl. LG Heilbronn, Beschluss vom 21.10.2016, Aktenzeichen 8 Qs 31/16, Juris). Nach Nummer 7003 VVRVG sind die Fahrtkosten für jeden gefahrenen Kilometer für den Verteidiger mit 0,30 anzusetzen.

III.

Unter Berücksichtigung der plausiblen Fahrtzeit sowie der Dauer der jeweiligen Hauptverhand-lung war dem Verteidiger ein Tages- und Abwesenheitsgeld (für nicht mehr als 4 Stunden Dauer) gemäß Nr. 7005 VVRVG in Höhe von 25,00 zu erstatten. Es fanden 2 Termine statt, so dass 2 x 25,00 €, insgesamt 50,00 erstattet verlange werden können. Bei den 25,00 € handelt es sich um den niedrigsten Wert, der einen Zeitraum von bis zu 4 Stunden abdeckt. Auch vor dem Hinter¬grund einer fiktiven Berechnung war daher auch keine Kürzung veranlasst, da die Fahrzeit des nicht ortsansässigen Wahlverteidigers jedenfalls nicht länger ist als die Fahrzeit zwischen Ge¬richtssitz und der hiervon am weitesten entfernten Gemeinde. Ergänzend wird auf die obigen Ausführungen unter Ziffer II. verwiesen.“

Dank an den Kollegen Pfeifer aus Rodenbach für die Übersendung der Entscheidung.

Umladung nicht rechtzeitig gefaxt ==> Schadensersatz…

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Ein kleines Schmankerl ist der AG Aschaffenburg, Beschl. v. 28.07.2016 – 5 F 1723/14, denn wann liest man schon mal von der erfolgreichen „Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Freistaat Bayern“. Und es ging dann aber auch wohl kein Weg daran vorbei, den Rechtsanwalt zu entschädigen:

„Der ursprünglich auf 18.03.2015 anberaumte Verhandlungstermin im Verfahren 5 F 1723/14 wurde von der Richterin des Amtsgerichts Aschaffenburg kurzfristig am 17.03.2015 auf 08.04.2015 verlegt.

Da die Umladung nicht rechtzeitig bekannt gemacht worden war – sie wurde erst am 19.03.2015 an die Kanzlei gefaxt, eine telefonische Abladung erfolgte nicht, reiste Rechtsanwalt pp. vergeblich am 18.03.2015 von Amberg nach Aschaffenburg.

Für die vergebliche Anreise macht Rechtsanwalt pp 227,53 € geltend und legte hierbei eine einfache Entfernung von 252 km zugrunde.

Die Bezirksrevisorin des Landgerichts Aschaffenburg würde gehört.

Dienstliche Stellungnahmen der zuständigen Richterin und der Geschäftsstelle wurden eingeholt.

Der Anspruch des Anspruchstellers ist in weitestem Umfang gerechtfertigt.

Die Geschäftsstelle des Amtsgerichts Aschaffenburg hätte bei der Kürze. der Zeit zwischen Ausführung der Abladung und Termin den Anspruchsteller telefonisch oder noch am 17.03.2015 per Fax von der Aufhebung des Termins informieren müssen. Dann wären die Kosten und Auslagen, die durch die vergebliche Anreise zu den Terminen angefallen sind, vermieden worden.

Der Anspruch ist daher weitestgehend gerechtfertigt.

Eine Abänderung ist nur insoweit veranlasst, als für eine einfache Fahrtstrecke 250 km zu Grunde zu legen sind. Diese Strecke ist auch bei der übrigen, vom Antragsteller akzeptierten, Kostenfestsetzung zu Grunde gelegt worden.“

Die vergeblich aufgewendete Zeit steckt in den dem o.a. Betrag übrigens auch drin…..