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OWi II: Ablehnung eines Beweisantrages ohne Begründung, oder: Das geht auch in Bayern nicht

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Die zweite Entscheidung kommt aus Bayern, und zwar vom BayObLG. Dort hatte der Betroffene gegen seineVerurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung geltend gemacht, dass das AG einen Beweisantrag zur Einholung eines Sachverständigengutachtens ohne Begründung abgelehnt hat. Die GStA fand das wohl nicht so schlimm und hatte beantragt, die Rechtsbeschwerde des Betroffenen als unbegründet zu verwerfen. Das BayObLG meint hingegen im BayObLG, Beschl. v. 04.12.2020 – 201 ObOWi 1471/20 -, dass das selbst in bayern 🙂 nicht geht:

„1. Der Verfahrensrüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:

Der Verteidiger beantragte in der Hauptverhandlung vom 17.07.2020 nach Angaben des Verteidigers zur Fahrereigenschaft sowie Vernehmung des Messbeamten als Zeugen die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass die vorliegende Messung nicht den Vorgaben der Bedienungsanleitung des verwendeten Messgeräts ESO 3.0 genügt und daher nicht verwertbar ist. Das Fahrzeug des Betroffenen habe sich fast die ganze Fahrzeuglänge vor der Fotolinie befunden, hätte sich aber nach der Bedienungsanleitung auf Höhe der markierten Fotolinie befinden müssen. Das Amtsgericht lehnte diesen Beweisantrag ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls vom 17.07.2020 per Beschluss mit dem Wortlaut „Der Antrag wird zurückgewiesen.“ ab. In den Urteilsgründen wird ausgeführt, dass der Beweisantrag aufgrund der Aussage des Messbeamten gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zu-rückgewiesen werden konnte. Den Beweisantrag hatte der Verteidiger dem Amtsgericht zusätzlich bereits einen Tag vor der Hauptverhandlung schriftsätzlich übermittelt.

2. Die zulässig erhobene Verfahrensrüge der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags er-weist sich als begründet, weil die gerichtliche Ablehnungsentscheidung rechtlicher Überprüfung nicht standhält. Die Ablehnung unbedingter Beweisanträge darf nicht den Urteilsgründen überlassen werden. Die Ablehnung eines Beweisantrags hat gemäß § 71 Abs. 1 OWiG, § 244 Abs. 6 StPO durch einen noch vor Schluss der Beweisaufnahme mit Gründen zu versehenen und mit diesen gemäß § 273 Abs. 1 StPO zu protokollierenden Gerichtsbeschluss zu erfolgen (BGHSt 40, 287, 288; OLG Köln, Beschl. v. 30.01.1970 – 1 Ws [OWi] 9/70 = BeckRs 9998, 109184; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 63. Aufl. § 244 Rn. 82 m.w.N.; Göhler/Seitz/Bauer OWiG 17. Aufl. § 77 Rn. 23). Die Begründung soll den Antragsteller davon in Kenntnis setzen, wie das Gericht seinen Antrag beurteilt. Er soll dadurch in die Lage versetzt werden, sein weiteres Verteidigungs- bzw. Prozessverhalten auf die neue Verfahrenssituation rechtzeitig einzustellen (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 04.12.2006 – 3 Ss OWi 1614/06 [unveröffentlicht]). Hier liegt überhaupt keine Begründung der Ablehnung vor, es wurde lediglich der Antrag „zurückgewiesen“. Die willkürliche Ablehnung eines Beweisantrags, also die Ablehnung eines Beweisantrags ohne nachvollziehbare, auf das Gesetz zurückzuführende Begründung, die unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist, verletzt aber das rechtliche Gehör (BVerfG NJW 1992, 2811). Daran ändert auch die nachträgliche Begründung der Ablehnung des Beweisantrags im Urteil nichts. Denn daraus kann nicht geschlossen werden, aus welchen Gründen der Beweisantrag in der Hauptverhandlung abgelehnt worden ist.“

OWi II: Ablehnung eines Beweisantrages, oder: Gegenteil bereits erwiesen

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In der zweiten OWi-Entscheidung, dem OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.09.2020 – 1 Rb 37 Ss 473/20, den mir der Kollege Jumpertz aus Jülich geschickt hat, geht es auch um ein verfahrensrechtliches Problem, nämlich um die Ablehnung eines Beweisantrages.

Das AG hat den Betroffenen zu einer Geldbuße verurteilt, weil er seine beiden 14-jährigen und 7-jähren Söhne, in seinem Pkw auf der Rückbank befördert hat, wobei der 7-jährige Sohn mit einer Körpergröße von höchstens 135,5 cm weder in einem Kindersitz noch auf einer Sitzerhöhung gesessen habe. Dagegen hatte der Betroffene die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 80 OWiG) beantragt, die er damit begründet hat, dass das AG in der Hauptverhandlung zu Unrecht einen Beweisantrag des Betroffenen abgelehnt habe, der darauf gerichtet gewesen sei, zum Beweis der Tatsache, dass beide Kinder angeschnallt gewesen seien und der jüngere Sohn auf einer Sitzerhöhung gesessen habe, den älteren Sohn als Zeugen zu vernehmen. Der Antrag auf Zulassusng der Rechtsbeschwerde und die Rechtsbeschwerde hatten beim OLG Erfolg:

„1. Durch das angefochtene Urteil ist eine Geldbuße von mehr als 100 €, aber nicht mehr als 250 € festgesetzt worden. Nach § 80 Abs. 1 OWiG ist die Rechtsbeschwerde daher zuzulassen, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des Rechts (Nr. 1, 1. Alt.) oder zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu ermöglichen (Nr. 1, 2. Alt.) oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (Nr. 2).

Letzteres liegt hier vor.

a) Der Betroffene macht insoweit geltend, das Amtsgericht habe zu Unrecht im Rahmen der Hauptverhandlung am 15.05.2020 einen Beweisantrag des Betroffenen abgelehnt, der darauf gerichtet gewesen sei, zum Beweis der Tatsache, dass beide Kinder unmittelbar vor McDonalds angeschnallt gewesen seien und der Sohn S1 auf einer Sitzerhöhung gesessen habe, den Sohn S2, pp, zu vernehmen. Wäre dieser ältere Sohn antragsgemäß vernommen worden, so hätte dieser bestätigt, dass der jüngere Sohn auf einer Sitzerhöhung gesessen habe.

b) Die Rüge ist ordnungsgemäß erhoben.

Im Falle der Versagung rechtlichen Gehörs durch die Ablehnung eines Beweisantrags kann eine Zulassung nur erfolgen, wenn dies als Verfahrensrüge den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entsprechend ausgeführt worden ist (KK-OWiG/Hadamitzky, 5. Aufl. 2018, OWiG § 80 Rn. 26, 41b). Soweit die fehlerhafte Ablehnung von Beweisanträgen gerügt wird, so genügt die Rüge den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 nur dann, wenn der Beschwerdeführer den Inhalt seines Antrags und des Ablehnungsbeschlusses mitteilt und wenn er die Tatsachen bezeichnet, welche die Fehlerhaftigkeit des Beschlusses ergeben (KK-StPO/Gericke, 8. Aufl. 2019, StPO § 344 Rn. 54).

In der Rechtsbeschwerdebegründung sind der gestellte Beweisantrag und die Entscheidung über diesen mit Begründung wiedergegeben. Es wird auch erklärt, dass der ältere Sohn, wäre er antragsgemäß vernommen worden, bestätigt hätte, dass der jüngere Sohn auf einer Sitzerhöhung gesessen habe.

c) Es liegt auch ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag nach § 244 Abs. 3 StPO vor, durch den die Beweistatsache und das Beweismittel hinreichend konkret bezeichnet werden. Soweit dem Antrag nicht unmittelbar zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll, war eine Darlegung dieser Konnexität im vorliegenden Fall nicht erforderlich, da sich aus bisherigen Verfahrensstand ergab, dass beide Söhne auf der Rückbank gesessen haben sollen und damit das Beweisbegehren auf die Vernehmung eines unmittelbaren Tatzeugen abzielte, der sich im zeitlichen Zusammenhang mit der Tat am Tatort aufhielt und dessen Wahrnehmungsmöglichkeiten zum Zeitpunkt der Antragsstellung nicht zweifelhaft sind (vgl. BGH, Beschl. v. 24.03.2014 – 5 StR 2/14, NStZ 2014, 351).

d) Durch die Ablehnung des Beweisantrags nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG mit der Begründung, dass die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich gewesen sei, da der kontrollierende Polizeibeamte bereits vernommen worden sei, wurde das rechtliche Gehör verletzt.

Insoweit ist das Gericht dazu verpflichtet, die Ausführungen des Betroffenen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Insoweit ist anerkannt, dass keine Gehörs-verletzung vorliegt, soweit das Amtsgericht Beweisanträge des Betroffenen zur Kenntnis genommen sowie – entsprechend § 77 Abs. 3 – mit einer Kurzbegründung verbescheiden hat, wenn es sich in den Urteilsgründen mit dem Vorbringen des Betroffenen näher auseinandergesetzt hat (BeckOK OWiG/Bär, 27. Ed. 1.7.2020, OWiG § 80 Rn. 23a) und die Ablehnung des Beweisantrages so begründet, dass dies für das Rechtsbeschwerdegericht nachprüfbar ist (KG Berlin, Beschl. v. 06.06.2019 — 3 Ws (B) 150/19 —, juris).

Eine weitere Begründung der Ablehnung erfolgte vorliegend auch in den Urteilsgründen nicht. Zwar bedarf es gesonderter Ausführungen nicht, wenn sich aus dem Ge-samtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt, dass der Sachverhalt aufgrund der genutzten Beweismittel so eindeutig geklärt ist, dass die zusätzlich beantragte Beweis-erhebung an der Überzeugung des Gerichts nichts geändert hätte und sie für die Auf-klärung daher entbehrlich gewesen ist (KG a.a.O.). Im vorliegenden Fall — das Amts-gericht lehnt die Vernehmung eines Entlastungszeugen letztlich ab, weil bereits ein (Belastungs)zeuge vernommen worden war — wäre indes eine nähere Auseinander-setzung hiermit zwingend geboten gewesen.

e) In der Sache erfolgte die Ablehnung im Übrigen auch zu Unrecht.

Die beantragte Vernehmung eines Entlastungszeugen kann regelmäßig nicht mit der Begründung abgelehnt werden, durch die Aussagen der bisherigen Belastungszeugen sei das Gegenteil der behaupteten und unter Beweis gestellten Tatsache bereits er-wiesen (KG, Beschl. v. 05.11.2001 – 2 Ss 242/013 Ws (B) 544/01, NZV 2002, 416; Thüringer Oberlandesgericht, Entscheidung vom 10.11.2004 — 1 Ss 248/04 —, juris; BeckOK OWiG/Hettenbach, 27. Ed. 1.7.2020, OWiG § 77 Rn. 16). Ausnahmen hiervon können vorliegen, wenn die Möglichkeit der Wahrnehmung der behaupteten Tatsache zweifelhaft und daher mit einer Erschütterung einer als verlässlich einzustufenden Aussage nicht zu rechnen ist, was beispielsweise der Fall sein kann, wenn durch die Aussage eines Fahrzeuginsassen hinsichtlich einer zu einem bestimmten Zeitpunkt gefahrenen Geschwindigkeit die als verlässlich einzustufende Aussage des Beamten, der die Geschwindigkeitsmessung vorgenommen hat, widerlegt werden soll (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 08.12.1998 – 5 Ss OWi 382/98 – (OWi) 159/98 I, NZV 1999, 260; BeckOK OWiG/Hettenbach, 27. Ed. 1.7.2020, OWiG § 77 Rn. 16). Damit ist der vor-liegende Fall unter Berücksichtigung der Wahrnehmungsmöglichkeiten des benannten Zeugen und des vernommenen Zeugen jedoch nicht vergleichbar.

OWi I: Generelle Ablehnung von Terminsverlegungsanträgen, oder: So geht es nicht

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Seit längerem mal wieder ein Tag mit bußgeldrechtlichen Entscheidungen.

Und den Opener mache ich mit dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 22.09.2020 – (1 B) 53 Ss-OWi 314/20 (254/20), den mir der Kollege Kroll aus Berlin übersandt hat.  Gegenstand der Entscheidung: Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags des Kollegen durch das AG.

Gegen den Betroffenen war ein Verfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um mindesten 44 km/h anhängig. In dem hat das AG nach Einspruch des Betroffenen mit Verfügung vom 02.01.2020 Termin zur Hauptverhandlung auf den 16.03.2020 um 10:30 Uhr anberaumt. Die Terminsladung wurde dem Verteidiger des Betroffenen am 13.01.2020 zugestellt. Am 22.1.2020 beantragte der Verteidiger Terminverschiebung, da er an dem avisierten Hauptverhandlungstermin bereits als Verteidiger in einer Strafsache bei einem anderen AG geladen sei. Mit Schreiben vom 24.01.2020 teilte das AG dem Verteidiger mit, dass dem Antrag auf Terminverlegung nicht stattgegeben werden könne: Zur Begründung wird ausgeführt, dass es „bei der Vielzahl von Einsprüchen in Owi-Sachen“ ausgeschlossenen sei, Termine wegen Verhinderung des Verteidigers zu verlegen. Zu dem Hauptverhandlungstermin am 16.03.2020 erschien weder der Betroffene noch sein Verteidiger. Hierauf hat das AG den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid gem. § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen hatte Erfolg:

„b) Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben.

Es kann dahin gestellt bleiben, ob dem Betroffenen das rechtliche Gehör verkürzt worden war. Denn die Verhinderung seines Verteidigers nimmt dem Betroffenen nicht die Möglichkeit, sich selbst vor Gericht rechtliches Gehör zu verschaffen. Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet nur das rechtliches Gehör als solches, nicht rechtliches Gehör gerade durch Vermittlung eines Rechtsanwalts (BVerfG NJW 1984, 862; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss zuletzt vom 18. März 2020, (1 Z) 53 Ss-OWi 131/20 (78/20), zit. n. juris; zuvor schon beispielsweise Senatsbeschluss vom 16. Juni 2014, 1 (Z) 53 Ss-OWi 264/14 (143/14); Senatsbeschluss vom 20. Februar 2014, 1 (Z) 53 Ss-OWi 31/14 (32/14); Senatsbeschluss vom 29. Juli 2013, 1 (Z) 53 Ss-OWi 231/13 (143/13); ebenso: OLG Hamm, Beschluss vom 12. November 2012, 2 RBs 253/12; BayObLG, Beschluss vom 31. Mai 1994 – 2 ObOWi 194/94 — jew. zit. n. juris; OLG Köln VRS 83, 367; OLG Düsseldorf VRS 95, 104). Mithin hätte der Betroffene mit seinen Einwendungen gehört werden können.

Jedoch greift die von dem Betroffenen erhobene Verfahrensrüge durch, mit der er den Verstoß gegen das Recht beanstandet, sich in der Hauptverhandlung durch einen gewählten Verteidiger vertreten zu lassen (Art. 6 Abs. 3 lit. c MRK, 137 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG).

Gemäß § 137 Abs. 1 S. 1 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG kann sich ein Betroffener in jeder Lage des Verfahrens des Beistands durch einen Verteidiger bedienen. Aber selbst im Strafverfahren hat nicht jede Verhinderung des gewählten Verteidigers zur Folge, dass eine Hauptverhandlung gegen den Angeklagten nicht durchgeführt werden kann (vgl. BGH NStZ 199, 527). In diesen Fällen sind vielmehr das Interesse des Betroffenen an seiner Verteidigung und das Interesse des Staates an einer möglichst reibungslosen Durchführung des Verfahrens gegeneinander abzuwägen, wobei im Zweifelsfall das Verteidigungsinteresse Vorrang hat (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28. Februar 2019, 4 RBs 71/19, zit. n. juris). Dabei sind unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die Bedeutung der Sache, die Persönlichkeit des Betroffenen, die Prozesssituation, die Veranlassung der Verhinderung, die Dauer der Verzögerung, der Umfang der Behinderung der Verteidigungsmöglichkeit und das Verhalten des Betroffenen und seines Verteidigers hierzu u. Ä. in Rechnung zu stellen (vgl. BbgOLG, Beschluss vom 23. März 2012 -1 Z 54/12 – m. w. N.).

Im vorliegenden Fall ist der Betroffene durch den Bußgeldbescheid nicht nur mit einem Bußgeld, sondern auch mit einem Fahrverbot belegt worden, was keine geringe Sanktion darstellt. Auch ist keine auf Prozessverschleppung ausgerichtete Verteidigungsstrategie erkennbar. Wie in der Rüge ausgeführt und durch den Akteninhalt belegt, handelte es sich um den ersten anberaumten Hauptverhandlungstermin, dessen Verlegung der Verteidiger wegen einer Terminkollision beantragt hatte.

Die Abwägung zwischen dem Interesse an einer reibungslosen Durchführung des Verfahrens und dem Verteidigungsinteresse des Betroffenen fällt bei dieser Sachlage zugunsten des Betroffenen aus. Die starre Haltung der Bußgeldrichterin eine Terminverlegung wegen Terminkollision bei dem Verteidiger infolge „der Vielzahl von Einsprüchen in Owi-Sachen“ generell zu verweigern, ist jedenfalls dann nicht nachvollziehbar, wenn es sich um einen ersten (begründeten) Terminverlegungsantrag handelt und Anhaltspunkte für eine Prozessverschleppung nicht ersichtlich sind.“

Dazu nur folgende Anmerkungen:

1. Die Entscheidung ist zutreffend. So, wie es das AG gemacht hat, geht es nun wirklich nicht.

2. Das OLG hat, was an sich unüblich ist, von der Möglichkeit des § 79 Abs. 6 OWiG Gebrauch gemacht und die Sache an eine andere Abteilung des AG Neuruppin zurückverwiesen. Begründet hat es das mit den zahlreichen Fehlern, die die Bußgeldrichterin bei der Bearbeitung der Sache gemacht hatte. Denn es war nicht nur die Bescheidung des Verlegungsantrages nicht korrekt, sondern sie hatte auch die Rechtsbeschwerde des Betroffenen als unzulässig, weil nicht rechtzeitig ausreichend begründet, verworfen. Das war aber nicht der Fall.

3. Unschön ist der Hinweis des OLG an den neuen Tatrichter, dass er „sich angesichts der dem Betroffenen vorgeworfenen relativ hohen Geschwindigkeitsüberschreitung bei der deutlich herabgesetzten Höchstgeschwindigkeit auf einer Autobahn auch besonders sorgfältig mit dem subjektiven Tatbestand auseinandersetzen“ müsse. Das ist der Hinweis auf Vorsatz. Der Betroffene wird sich also ggf. überlegen (müssen), ob es Sinn macht, das Verfahren weiter zu betrieben.

OWi II: Ablehnung eines Beweisantrages, oder: Anforderungen an die Rechtsbeschwerde

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Als zweite Entscheidung stelle ich heute dann den OLG Köln, Beschl. v. 24.04.2020 – III-1 RBs 114/20 – vor. In ihm hat das OLG zu den den Darlegungsanforderungen der Rüge, ein Beweisantrag sei entgegen §§ 77 Abs. 3 OWiG, 244 Abs. 6 S. 1 StPO nicht beschieden worden, Stellung genommen:

„Die Rüge, das Tatgericht habe einen Beweisantrag entgegen §§ 244 Abs. 6 StPO, 77 Abs. 3 OWiG nicht beschieden, versagt. Sie ist nicht im Sinne von §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 344 Abs. 2 S. 2 StPO ordnungsgemäß ausgeführt.

a) Mit der Rechtsbeschwerdebegründung wird folgender in der Hauptverhandlung gestellter Antrag mitgeteilt:

„Zum Beweis der Tatsache, dass die Messung fehlerhaft ist, beantrage ich, das Reparaturbuch und die Lebensakte der im vorliegenden Verfahren eingesetzten Messanlagen, die gerätespezifische Bedienungsanleitung, eine Kopie der digitalen Falldaten im geräte-spezifischen Format mit dem dazugehörigen öffentlichen Schlüssel, das Auswerteprogramm und die gesamte Messreihe einzuholen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens und die Einholung eines Beschilderungsplanes“

Diesen Antrag hat das Tatgericht ausweislich der Urteilsgründe – wie sich aus der Nennung von § 77 Abs. 2 Ziff. 1 OWiG in diesem Kontext ergibt – jedenfalls insoweit als Beweisantrag gewertet, als mit diesem die Einholung eines Sachverständigengutachtens begehrt wurde. Die Antragsbegründung, die „umfangreich“ gewesen sei, wird mit der Rechtsbeschwerdebegründung nicht wiedergegeben.

b) Das Vorbringen genügt den Darlegungsanforderungen insgesamt nicht:

Allerdings besteht in Rechtsprechung und Schrifttum keine Einigkeit darüber, ob es in dem Falle, dass eine Verletzung von §§ 244 Abs. 6 StPO, 77 Abs. 3 OWiG gerügt werden soll, der Wiedergabe auch der Antragsbegründung bedarf oder ob es bei der Benennung von Beweismittel und Beweistatsache sein Bewenden haben kann.

aa) Im Schrifttum wird zumeist ohne weitere Differenzierung verlangt, der Beschwerdeführer müsse angeben, in welcher Form und mit welchem Inhalt der Antrag dem Gericht unterbreitet worden sei (KK-StPO-Krehl, 8. Auflage 2019, § 244 Rz. 226; Sarstedt/Hamm, Die Revision in Strafsachen, 6. Auflage 1998, Rz. 616), es sei die Mitteilung des Beweisantrags erforderlich (KK-OWiG-Senge, 5. Auflage 2018, § 77 Rz. 53; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Auflage 2019, § 244 Rz. 106; LR-StPO-Becker, 27. Auflage 2019, § 244 Rz. 377).

Soweit der aufgeworfenen Frage Beachtung geschenkt wird, wird teils vertreten, es genüge die Mitteilung von Beweistatsache und Beweismittel (so ausdrücklich SK-StPO-Frister, 5. Auflage 2015, § 244 Rz. 255; Krause StV 1984, 483 [488]; unklar OLG Stuttgart NJW 1968, das einerseits vom „Beweisthema“ spricht, andererseits die Darlegung verlangt, es sei „ein formgerechter Antrag gestellt worden“), teils wird die Mitteilung auch der Begründung verlangt (so: MüKo-StPO-Trüg/Habetha, § 244 Rz. 406 [„vollständig“] und Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 8. Auflage 2013, Rz. 307 [„in vollem Wortlaut“ gerade im Falle der Nichtbescheidung]). Der Senat muss diese Rechtsfrage auch anlässlich des vorliegenden Falles nicht abschließend entscheiden. Er muss daher auch nicht zu – freilich nicht entscheidungstragenden – Rechtsauffassung des OLG Hamburg Stellung beziehen, wonach es im Falle der behaupteten Verletzung von § 244 Abs. 6 StPO der Wiedergabe des Beweisantrags überhaupt nicht bedürfe (OLG Hamburg JR 1963, 473):

Es entspricht nämlich der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass eine (inhaltlich) fehlerhafte Ablehnung von Beweisanträgen im Fall des § 77 Abs. 2 Ziff. 1 OWiG nicht selbständig gerügt werden, sondern nur mit der Aufklärungsrüge (st. Senatsrechtsprechung, s. nur SenE v. 18.12.2013 – III-1 RBs 304/13 -; SenE v. 08.03.2016 – III-1 RBs 86/16 -; SenE v. 11.03.2016 – III-1 RBs 93/16 -; SenE v. 18.07.2017 – III-1 RBs 202/17 -; SenE v. 12.07.2018 – III-1 RBs 175/18 -; SenE v. 26.04.2019 – III-1 RBs 146/19 -; SenE v. 13.03.2020 – III-1 RBs 81/20 -). Daher gehört zur ordnungsgemäßen Ausführung der Rüge neben der Angabe der Inhalte von Beweisantrag und Ablehnungsbeschluss die Angabe der Tatsachen, welche die Fehlerhaftigkeit der Ablehnung ergeben (SenE v. 29.02.2000 – Ss 108/00 Z -; SenE v. 11.04.2000 – Ss 170/00 Z -; SenE v. 13.10.2000 – Ss 404/00 B -; SenE v. 15.02.2005 – 8 Ss-OWi 126/04 -; SenE v. 14.01.2010 – 83 Ss-OWi 100/09 -; SenE v. 24.10.2013 – III-1 RBs 290/13 -). Ferner ist mitzuteilen, welche – dem Betroffenen günstige – Tatsache die unterlassene Beweisaufnahme ergeben hätte, wobei es nicht genügt, ein günstiges Ergebnis lediglich als möglich hinzu­stellen (SenE v. 25.09.2002 – Ss 318/02 Z -; SenE v. 28.01.2003 – Ss 1/03 B -; SenE v. 03.08.2010 – III-1 RBs 192/10 -; SenE v. 26.04.2019 – III-1 RBs 146/19 -) und welche Umstände den Tatrichter zu einer solchen Beweiserhebung hätten drängen oder den Gebrauch des Beweismittels zumindest hätten nahe legen müssen (SenE v. 06.11.2001 – Ss 429/01 B -; SenE v. 08.02.2002 – Ss 34/02 B -; SenE v. 14.01.2010 – 83 Ss-OWi 100/09 -; SenE v. 03.08.2010 – III-1 RBs 192/10 -; s. insgesamt jüngst SenE v. 27.03.2020 – III-1 RBs 101/20).

Die Tatsachen, die das Tatgericht zu der begehrten Beweiserhebung hätten drängen müssen, ergeben sich hier – wie regelmäßig im Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht – nicht bereits aus der Benennung von Beweisthema und Beweismittel. Da die Rechtsbeschwerdebegründung auch über die fehlende Antragsbegründung hinaus nicht dazu ausführt, welche Umstände den Gebrauch des Beweismittels zumindest hätte nahelegen müssen, ist der Senat nicht in die Lage versetzt zu beurteilen, ob das Urteil auf der Nichtbescheidung des Beweisantrags beruhen kann. So verhält es sich auch hinsichtlich der weiter mit dem Antrag begehrten tatrichterlichen Aufklärungsbemühungen.“

Das hat also nicht gereicht. Im Rechtsfolgenausspruch hat das OLG dann aber aufgehoben. Darauf komme ich noch mal zurück.

Ablehnung I: Vorgelegter „Fragenkatalog“, oder: Kein „Ausfragerecht“ des Angeklagten

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Heute stelle ich drei Entscheidungen zu Ablehnungsfragen (§§ 24 ff. StPO) vor.

Ich eröffne mit dem BGH, Beschl. v. 14.04.2020 – 5 StR 14/20. Das LG hat den Angeklagten wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung verurteilt; es hat sich um den sog. Chemenitzer Stadtfest-Fall gehandelt. Der BGH hat die Revision verworfen. Er macht in seinem Verwerfungsbeschluss dann auch Ausführungen zur einer Rüge des Angeklagten, mit der geltend gemacht worden war, ein Befangenheitsgesuch sei zu Unrecht abgelehnt worden:

„c) Die Rüge, ein Befangenheitsgesuch sei zu Unrecht abgelehnt worden, bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Zu der Beantwortung des von der Verteidigung vorgelegten „Fragenkataloges“, mit dem etwaige Befangenheitsgründe erfragt werden sollten, waren die Mitglieder der Schwurgerichtskammer unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet.

Nach den Regelungen über den Ausschluss und die Ablehnung von Gerichtspersonen gibt es einerseits gesetzliche Ausschlussgründe, die nach §§ 22, 23 StPO von Amts wegen zu berücksichtigen sind. Richter und Schöffen sind zum anderen nach §§ 30, 31 StPO dienstlich verpflichtet, von Verhältnissen Anzeige zu machen, die ihre Ablehnung nach § 24 StPO rechtfertigen könnten. Jenseits davon hat der Antragsteller die von ihm behaupteten Gründe, die eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen sollen, selbst vorzutragen und glaubhaft zu machen (§ 26 Abs. 2 StPO).

Dass ein Antragsteller ohne hinreichend konkrete tatsächliche Anhaltspunkte – gleichsam „ins Blaue hinein“ und aufs „Geratewohl“ – durch Fragenkataloge mögliche Befangenheitsgründe ausforscht, sieht das Gesetz nicht vor. Eine solche Möglichkeit würde auch der Systematik der Ausschluss- und Ablehnungsregeln widersprechen. Das Regelungsgefüge der §§ 24 ff. StPO würde unterlaufen, wenn ohne konkrete tatsächliche Anhaltspunkte ein gesetzlich nicht vorgesehenes „Ausfragerecht“ der Ablehnungsberechtigten (§ 24 Abs. 3 Satz 1 StPO) etabliert würde. Dass derartige tatsächliche Anhaltspunkte bei einzelnen Mitgliedern der Schwurgerichtskammer konkret bestanden hätten, ist dem Revisionsvorbringen nicht zu entnehmen. Der Hinweis auf allgemeine politische Entwicklungen reicht hierfür nicht aus. Den Anforderungen an ein faires Verfahren ist durch das Verfahren des Schwurgerichts Genüge getan.“