Ich hatte vor einiger Zeit über den LG Osnabrück, Beschl. v. 24.01.2022 – 9 T 466/21 – berichtet (vgl. beA-Antrag auf Festsetzung der Beratungshilfe, oder: Vorlage des Originals des Berechtigungsscheins?) berichtet. Ich erinnere: Dem Rechtssúchen war vom AG antragsgemäß ein Berechtigungsschein für die Beratungshilfe erteilt worden. Der Rechtsanwalt führt die Beratung durch und macht dann über das beA beim AG mit einem Antrag seinen Vergütungsanspruch gegenüber der Landeskasse geltend. Dem Antrag war als eingescanntes Dokument eine Abbildung des Berechtigungsscheins beigefügt. Die zuständige Urkundsbeamtin lehnt den Vergütungsantrag ab, weil der Berechtigungsschein nicht im Original vorgelegt worden sei. Die dagegen eingelegte Erinnerung des Rechtsanwalts weist der Amtsrichter zurück. Die Beschwerde hatte dann aber beim LG Osnabrück Erfolg.
Das OLG Oldenburg hat dann im OLG Oldenburg, Beschl. v. 01.04.2022 – 12 W 25/22 – die weitere Beschwerde der Landeskasse zurückgewiesen:
„Das Landgericht hat seiner Entscheidung die zutreffende Rechtsauffassung zugrunde gelegt, dass es jedenfalls im Falle eines elektronisch eingereichten Vergütungsfestsetzungsantrages keine zwingende Voraussetzung für die Festsetzung der Beratungshilfevergütung des die Beratungsleistung erbringenden Rechtsanwaltes ist, dass der Beratungshilfeschein im Original eingereicht wird.
Tatsächlich ist eine derartige Vorlagepflicht nirgends ausdrücklich normiert. Weder die Vorschriften des RVG zur Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen (§ 55 RVG), noch die Vorgaben des Beratungshilfegesetzes (BerHG) oder die Vorschriften der auf Grundlage der Verordnungsermächtigung in § 11 BerHG erlassenen Beratungshilfeformularverordnung (BerHFV) enthalten eine Norm, die dem Rechtsanwalt ausdrücklich aufgeben würde, bei Antragstellung auf Festsetzung seiner Vergütung den ihm vom Rechtssuchenden überlassenen Berechtigungsschein an das ausstellende Gericht zurückzugeben. Lediglich aus dem Umstand, dass das vom Rechtsanwalt nach § 1 Nr. 2 BerHFV bei Antragstellung zu verwendende Formular (Anlage 2 zu § 1 BerHFV) eine von der Beratungsperson abzugebende Erklärung vorsieht, wonach dem Formular alternativ entweder der Berechtigungsschein im Original oder der Antrag auf nach-trägliche Bewilligung der Beratungshilfe beigefügt sei, wird gefolgert, dass ein er-teilter Berechtigungsschein stets im Original durch die Beratungsperson vorzulegen sei (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2020, 444, hier zit. aus juris, RN 9 m.entspr.N.).
Mit dem OLG Saarbrücken erachtet es der erkennende Senat aber für durchaus zweifelhaft, ob der Erklärungstext in einem zu verwendenden Formular überhaupt eine Rechtsnorm darstellt, durch welche ein Antragsteller zur Vorlage bestimmter Unterlagen verpflichtet werden kann (vgl. OLG Saarbrücken, a.a.O., RN 12). Diese Frage kann indes für den vorliegenden Streitfall ebenso dahinstehen, wie dies auch bei dem vom OLG Saarbrücken zu entscheidenden Sachverhalt der Fall war.
Der Antragsteller hat seinen Vergütungsantrag als elektronisches Dokument eingereicht, was ihm nach § 12b S. 2 RVG, § 8 BerHG i.V.m. § 14 Abs. 2 S. 1 FamFG ausdrücklich gestattet war. Damit kommen gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 FamFG ergänzend die Vorschriften des § 130a ZPO zum elektronischen Dokument zur Anwendung, wonach auch die zu einem Antrag gehörenden Anlagen als elektronisches Dokument eingereicht werden können (vgl. OLG Saarbrücken, a.a.O.). Dies ist vorliegend durch Übersendung einer Bilddatei, die eine eingescannte Abbildung des Originalberechtigungsscheins enthält, erfolgt. Sofern die BerHFV weitergehende Anforderungen enthält, welche die gesetzlich ausdrücklich eingeräumte Möglichkeit einer elektronischen Antragstellung einschränken, haben diese Vorgaben einer einfachen Rechtsverordnung hinter dem höherrangigen Gesetzesrecht zurückzutreten (vgl. OLG Saabrücken, a.a.O.). Dies ist entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde keine Frage eines Redaktionsversehens des Normgebers, sondern Folge des Vorrangs des Gesetzes, welches Geltung beansprucht unabhängig davon, ob nachrangige Normen rechtzeitig an eine veränderte Gesetzeslage angepasst werden.
Gleichwohl kann auch im elektronischen Antragsverfahren die Vorlage des Beratungsscheins vom Gericht (zusätzlich) erfordert werden, wo dies zur Glaubhaft-machung des vom Rechtsanwalt geltend gemachten Vergütungsanspruches gemäß § 55 Abs. S. 1 RVG, § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO erforderlich ist (vgl. OLG Saarbrücken, a.a.O., RN 15). Soweit das Beschwerdegericht im vorliegenden Verfahren hiervon Abstand genommen hat, weil der Antragsteller bereits anwaltlich versichert habe, dass sich der Berechtigungsschein bei ihm im Original befinde und von ihm nach Auszahlung der Vergütung vernichtet werde, ist dies nicht zu beanstanden. Welche Angaben das Gericht zur Glaubhaftmachung für erforderlich ansieht, ist grundsätzlich eine Frage der tatrichterlichen Würdigung, die im Rahmen der weiteren Beschwerde nur auf Rechtsverstöße überprüft werden kann (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 6 S. 1 RVG i.V.m. § 546 ZPO). Mit seiner Beweiswürdigung, wonach die Vergütungsvoraussetzungen vorliegend durch anwaltliche Versicherung im elektronischen Antragsverfahren hinreichend glaubhaft gemacht sind, hat das Landgericht das ihm als Beschwerdegericht eingeräumte tatrichterliche Ermessen aber nicht rechtsfehlerhaft ausgeübt.
Soweit die weitere Beschwerde dagegen die Auffassung vertritt, die Vorlage des Berechtigungsscheins im Original sei erforderlich, um einer möglichen miss-bräuchlichen Verwendung desselben vorzubeugen, findet ein entsprechendes Anliegen im Gesetz keine Stütze. Selbst wenn eine Vorlagepflicht in Anlage 2 zu § 1 BerHFV normiert wäre, dürften mit ihr keine weiterreichenden Zwecke verfolgt werden als sie dem Verordnungsgeber durch die in § 11 BerHG enthaltene Verordnungsermächtigung vorgegeben sind. Dieser wurde hiernach jedoch nur ermächtigt, zur „Vereinfachung und Vereinheitlichung des Verfahrens“ durch Rechtsverordnung Formulare einzuführen und deren Verwendung vorzuschreiben.
Maßnahmen zur Vorbeugung einer „Doppelliquidation“ sind hiervon nicht umfasst. Derartigen Gefahren kann ohne weiteres durch verwaltungsinterne organisatorische Maßnahmen begegnet werden, wie sie vom Landgericht mit Verweis auf den Erlass des MJ vom 15.07.2005 sowie auf § 25 Abs. 1 und 3 S. 3 AktO i.V.m. der Liste 4a, Ziff. 7 bis 9 zutreffend aufgezeigt wurden.“