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beA-Antrag auf Festsetzung der Beratungshilfe, oder: Vorlage des Originals des Berechtigungsscheins?

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Ich hatte vor einiger Zeit über den LG Osnabrück, Beschl. v. 24.01.2022 – 9 T 466/21 – berichtet (vgl. beA-Antrag auf Festsetzung der Beratungshilfe, oder: Vorlage des Originals des Berechtigungsscheins?) berichtet. Ich erinnere: Dem Rechtssúchen war vom AG antragsgemäß ein Berechtigungsschein für die Beratungshilfe erteilt worden. Der Rechtsanwalt führt die Beratung durch und macht dann über das beA beim AG mit einem Antrag seinen Vergütungsanspruch gegenüber der Landeskasse geltend. Dem Antrag war als eingescanntes Dokument eine Abbildung des Berechtigungsscheins beigefügt. Die zuständige Urkundsbeamtin lehnt den Vergütungsantrag ab, weil der Berechtigungsschein nicht im Original vorgelegt worden sei. Die dagegen eingelegte Erinnerung des Rechtsanwalts weist der Amtsrichter zurück. Die Beschwerde hatte dann aber beim LG Osnabrück Erfolg.

Das OLG Oldenburg hat dann im OLG Oldenburg, Beschl. v. 01.04.2022 – 12 W 25/22 – die weitere Beschwerde der Landeskasse zurückgewiesen:

„Das Landgericht hat seiner Entscheidung die zutreffende Rechtsauffassung zugrunde gelegt, dass es jedenfalls im Falle eines elektronisch eingereichten Vergütungsfestsetzungsantrages keine zwingende Voraussetzung für die Festsetzung der Beratungshilfevergütung des die Beratungsleistung erbringenden Rechtsanwaltes ist, dass der Beratungshilfeschein im Original eingereicht wird.

Tatsächlich ist eine derartige Vorlagepflicht nirgends ausdrücklich normiert. Weder die Vorschriften des RVG zur Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen (§ 55 RVG), noch die Vorgaben des Beratungshilfegesetzes (BerHG) oder die Vorschriften der auf Grundlage der Verordnungsermächtigung in § 11 BerHG erlassenen Beratungshilfeformularverordnung (BerHFV) enthalten eine Norm, die dem Rechtsanwalt ausdrücklich aufgeben würde, bei Antragstellung auf Festsetzung seiner Vergütung den ihm vom Rechtssuchenden überlassenen Berechtigungsschein an das ausstellende Gericht zurückzugeben. Lediglich aus dem Umstand, dass das vom Rechtsanwalt nach § 1 Nr. 2 BerHFV bei Antragstellung zu verwendende Formular (Anlage 2 zu § 1 BerHFV) eine von der Beratungsperson abzugebende Erklärung vorsieht, wonach dem Formular alternativ entweder der Berechtigungsschein im Original oder der Antrag auf nach-trägliche Bewilligung der Beratungshilfe beigefügt sei, wird gefolgert, dass ein er-teilter Berechtigungsschein stets im Original durch die Beratungsperson vorzulegen sei (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2020, 444, hier zit. aus juris, RN 9 m.entspr.N.).

Mit dem OLG Saarbrücken erachtet es der erkennende Senat aber für durchaus zweifelhaft, ob der Erklärungstext in einem zu verwendenden Formular überhaupt eine Rechtsnorm darstellt, durch welche ein Antragsteller zur Vorlage bestimmter Unterlagen verpflichtet werden kann (vgl. OLG Saarbrücken, a.a.O., RN 12). Diese Frage kann indes für den vorliegenden Streitfall ebenso dahinstehen, wie dies auch bei dem vom OLG Saarbrücken zu entscheidenden Sachverhalt der Fall war.

Der Antragsteller hat seinen Vergütungsantrag als elektronisches Dokument eingereicht, was ihm nach § 12b S. 2 RVG, § 8 BerHG i.V.m. § 14 Abs. 2 S. 1 FamFG ausdrücklich gestattet war. Damit kommen gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 FamFG ergänzend die Vorschriften des § 130a ZPO zum elektronischen Dokument zur Anwendung, wonach auch die zu einem Antrag gehörenden Anlagen als elektronisches Dokument eingereicht werden können (vgl. OLG Saarbrücken, a.a.O.). Dies ist vorliegend durch Übersendung einer Bilddatei, die eine eingescannte Abbildung des Originalberechtigungsscheins enthält, erfolgt. Sofern die BerHFV weitergehende Anforderungen enthält, welche die gesetzlich ausdrücklich eingeräumte Möglichkeit einer elektronischen Antragstellung einschränken, haben diese Vorgaben einer einfachen Rechtsverordnung hinter dem höherrangigen Gesetzesrecht zurückzutreten (vgl. OLG Saabrücken, a.a.O.). Dies ist entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde keine Frage eines Redaktionsversehens des Normgebers, sondern Folge des Vorrangs des Gesetzes, welches Geltung beansprucht unabhängig davon, ob nachrangige Normen rechtzeitig an eine veränderte Gesetzeslage angepasst werden.

Gleichwohl kann auch im elektronischen Antragsverfahren die Vorlage des Beratungsscheins vom Gericht (zusätzlich) erfordert werden, wo dies zur Glaubhaft-machung des vom Rechtsanwalt geltend gemachten Vergütungsanspruches gemäß § 55 Abs. S. 1 RVG, § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO erforderlich ist (vgl. OLG Saarbrücken, a.a.O., RN 15). Soweit das Beschwerdegericht im vorliegenden Verfahren hiervon Abstand genommen hat, weil der Antragsteller bereits anwaltlich versichert habe, dass sich der Berechtigungsschein bei ihm im Original befinde und von ihm nach Auszahlung der Vergütung vernichtet werde, ist dies nicht zu beanstanden. Welche Angaben das Gericht zur Glaubhaftmachung für erforderlich ansieht, ist grundsätzlich eine Frage der tatrichterlichen Würdigung, die im Rahmen der weiteren Beschwerde nur auf Rechtsverstöße überprüft werden kann (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 6 S. 1 RVG i.V.m. § 546 ZPO). Mit seiner Beweiswürdigung, wonach die Vergütungsvoraussetzungen vorliegend durch anwaltliche Versicherung im elektronischen Antragsverfahren hinreichend glaubhaft gemacht sind, hat das Landgericht das ihm als Beschwerdegericht eingeräumte tatrichterliche Ermessen aber nicht rechtsfehlerhaft ausgeübt.

Soweit die weitere Beschwerde dagegen die Auffassung vertritt, die Vorlage des Berechtigungsscheins im Original sei erforderlich, um einer möglichen miss-bräuchlichen Verwendung desselben vorzubeugen, findet ein entsprechendes Anliegen im Gesetz keine Stütze. Selbst wenn eine Vorlagepflicht in Anlage 2 zu § 1 BerHFV normiert wäre, dürften mit ihr keine weiterreichenden Zwecke verfolgt werden als sie dem Verordnungsgeber durch die in § 11 BerHG enthaltene Verordnungsermächtigung vorgegeben sind. Dieser wurde hiernach jedoch nur ermächtigt, zur „Vereinfachung und Vereinheitlichung des Verfahrens“ durch Rechtsverordnung Formulare einzuführen und deren Verwendung vorzuschreiben.

Maßnahmen zur Vorbeugung einer „Doppelliquidation“ sind hiervon nicht umfasst. Derartigen Gefahren kann ohne weiteres durch verwaltungsinterne organisatorische Maßnahmen begegnet werden, wie sie vom Landgericht mit Verweis auf den Erlass des MJ vom 15.07.2005 sowie auf § 25 Abs. 1 und 3 S. 3 AktO i.V.m. der Liste 4a, Ziff. 7 bis 9 zutreffend aufgezeigt wurden.“

beA-Antrag auf Festsetzung der Beratungshilfe, oder: Vorlage des Originals des Berechtigungsscheins?

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Und dann zum Wochenschluss – na ja, noch nicht ganz – noch zwei Entscheidungen mit gebührenrechtlichem Einschlag.

Zunächst hier der LG Osnabrück, Beschl. v. 24.01.2022 – 9 T 466/21 – zu einer Problematik in Zusammenhang mit der Beratungshilfe. Ist ja im Strafverfahren nicht ganz so häufig, aber sie kommt auch immer wieder vor. U.a. darum stelle ich den Beschluss vor:

Dem Rechtssúchen wird vom AG  antragsgemäß ein Berechtigungsschein für die Beratungshilfe (wegen einer Kündigung aufgrund von Eigenbedarf) erteilt. Der Rechtsanwalt führt die Beratung durch und macht dann über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) beim AG Antrag seinen Vergütungsanspruch gegenüber der Landeskasse geltend. Dem Antrag war als eingescanntes Dokument eine Abbildung des Berechtigungsscheins beigefügt. Nachrichtlich teilte der Beschwerdeführer mit, das Original des Berechtigungsscheins befinde sich bei ihm und werde nach Zahlungseingang entwertet, was anwaltlich versichert werde. Die zuständige Urkundsbeamtin lehnt den Vergütungsantrag ab, weil der Berechtigungsschein nicht im Original vorgelegt worden sei. Die dagegen eingelegte Erinnerung des Rechtsanwalts weist der Amtsrichter zurück. Die Beschwerde hatte dann aber beim LG Osnabrück Erfolg.

„Mit der inzwischen wohl herrschenden Meinung ist die Kammer der Ansicht, dass der Antragsteller bei einem elektronisch eingereichten Antrag auf Festsetzung der Beratungshilfevergütung, dem der Berechtigungsschein als eingescanntes Dokument beigefügt ist, das Original des Berechtigungsscheins grundsätzlich nicht vorzulegen hat. Insoweit folgt die Kammer insbesondere der Entscheidung des OLG Saarbrücken mit Beschluss vom 16.12.2019. Die Kammer macht sich die Begründung des OLG nach Maßgabe der weiter nachfolgenden Ausführungen vollumfänglich zu eigen (vgl. zitiert nach juris, dort Rn. 11 bis15 sowie MDR 2020, 634 f.). Diese Auffassung hat zuvor bereits Hansens in seiner ablehnenden Anmerkung zu der erstinstanzlichen Entscheidung des LG Saarbrücken, Beschluss vom 28.08.2019 (5 T 83/19), RVGreport 2019, 478 ff. vertreten und zutreffend ausgeführt, nirgends sei normiert, auch nicht in den Regelungen der Beratungshilfeformularverordnung (BerHFV), dass das Original vorzulegen sei. Dieser Auffassung sind im Ergebnis auch: Gottschalk/Schneider, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 10. Auflage 2022, Rn. 1302; Volpert in Burhoff/Volpert, 6. Auflage 2021, Beratungshilfe, Rn. 523; Biallaz in: Ory-Weth, jurisPK-ERV Bd. II, 1. Auflage, § 14 FamFG (Stand: 01.09.2020) Rn. 61; Lissner, RVGreport 2020, 2 (6).

Zwar ist nach § 1 Nr. 2 BerHFV im Bereich der Beratungshilfe von der der Beratungsperson für den Antrag auf Zahlung einer Vergütung das in Anlage 2 bestimmte Formular zu verwenden und in dem Formular ein Text anzukreuzen, nach dem der Berechtigungsschein im Original beigefügt sei. Jedoch hat — anders als damals das Saarland — das Land Niedersachsen mit Erlass des MJ vom 15.07.2005 (Az.: 5650-204.19, Fassung vom 16.12.2016, gültig seit dem 01.07.2017, (Nds. Rpfl. 2005, Nr. 8, S. 244) zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 16.12.2016 (Nds. Rpfl. 2017, Nr. 1 S. 10)) zur Vergütung bei Beratungshilfe zu Ziffer 1. Satz 1 angeordnet, der Festsetzungsantrag könne auch mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung erstellt werden oder von einem amtlichen Formular abweichen, wenn er inhaltlich diesem entspreche. Da in Niedersachsen nicht einmal das Original der Anlage 2 der BerHFV verwendet werden muss, spricht dies umso mehr dafür, dass es keine Regelung gibt, nach der zwingend der Beratungshilfeschein im Original vorzulegen ist.

Der in der vorgenannten Entscheidung des OLG Saarbrücken genannte Ausnahmefall liegt nicht vor. Dem Akteninhalt lässt nicht entnehmen, die ursprünglich tätig gewesene Urkundsbeamtin habe das Original des Berechtigungsscheins zur Glaubhaftmachung der tatsächlichen Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs der Beratung sperson für erforderlich gehalten. Es ist davon auszugehen, dass ihre ablehnende Entscheidung nach dem knappen Inhalt formal auf das Fehlen des Originals abstellt. Zudem hat der Beschwerdeführer in dem Antrag mitgeteilt, er versichere anwaltlich, dass sich das Original des Berechtigungsscheins bei ihm befinde und nach Zahlungseingang entwertet werde.

Eine doppelte Liquidation ist bereits aus dem vorgenannten Gründen nicht zu erwarten. Zudem ist die Festsetzung der Gebühren und Auslagen nach dem o. g. Erlass des MJ vom 15.07.2005 zur Vergütung bei Beratungshilfe zu Ziffer 1. Satz 2 zur Durchschrift des Berechtigungsscheins zu nehmen. Nach § 25 Abs. 1 und 3 Aktenordnung (Az. 1454 — 102. 12 vom 17.12.2019, Nds. Rpfl. 2020, 50) i. V. m. der Liste 4a, dort Ziff. 7 bis 9 sind in Angelegenheiten der Beratungshilfe die gebührenrelevanten Tatbestände zu vermerken (siehe auch die Erläuterungen zu Ziffer 3. der Liste 4a).“

Die Kammer hat die weitere Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Fragen aus § 33 Abs. 6 Satz 1 RVG zugelassen. Dazu darf sich dann demnächst das OLG Oldenbrug äußern.

Und: Wir hatten schon: Beratungshilfe, oder: In welcher Form muss der Berechtigungsschein beim elektronischen Festsetzungsantrag beigefügt werden?

Beratungshilfe, oder: In welcher Form muss der Berechtigungsschein beim elektronischen Festsetzungsantrag beigefügt werden?

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Heute am Gebührenfreitag dann zunächst eine Entscheidung, die m.E. in die Rubrik gehört: Wenn der Gesetzgeber nicht aufpasst, muss die Rechtsprechung es richten.

Es handelt sich um den OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.12.2019 – 9 W 30/19. Ergangen ist er in/nache einem Beratungshilfeverfahren. Dem Rechtssuchenden war ein Berechtigungsschein für die Inanspruchnahme von Beratungshilfe erteilt worden. Der Rechtsanwalt, der die Beratung erteilt hatte, reichte seinen Vergütungsfestsetzungsantrag im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs ein. Dem Antrag hatte er eine – bearbeitete – Abbildung des Berechtigungsscheins beigefügt. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat den Vergütungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass dem Antrag der Berechtigungsschein nicht im Original beigefügt sei. Das AG hat der Erinnerung des Rechtsanwalts stattgegeben. Auf die Beschwerde der Landeskasse hat das LG Saarbrücken (RVGreport 2019, 478) den AG-Beschluss aufgehoben und den Festsetzungsantrag zurückgewiesen. Das OLG Saarbrücken war dann mit der Sache aufgrund der (zugelassenen) weiteren Beschwerde des Rechtsanwalts befasst. Es hat den AG-Beschluss „wiederhergestellt“:

„Die weitere Beschwerde ist begründet und führt zur Wiederherstellung der Entscheidung des Erinnerungsrichters. Der Beschluss des Beschwerdegerichts beruht auf einer Verletzung des Rechts (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 6 Satz 2 RVG, § 546 ZPO)

Wird einem Rechtsuchenden Beratungshilfe (§§ 1, 2 BerHG) gewährt, richtet sich die Vergütung der Beratungsperson gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 BerHG nach den für die Beratungshilfe geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG). Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 RVG wird die Vergütung auf Antrag durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des in § 4 Abs. 1 BerHG bestimmten Gerichts festgesetzt.

Zu dem Inhalt des Antrags ist im RVG geregelt, dass dieser eine Erklärung über die von der Beratungsperson bis zum Tag der Antragstellung erhaltenen Zahlungen zu enthalten hat und dass bei Zahlungen auf eine anzurechnende Gebühr bestimmte zusätzliche Angaben erforderlich sind (vgl. § 55 Abs. 5 Satz 2, 3 RVG). Weitere Anforderungen an den Antrag enthält das RVG nicht, solche ergeben sich allerdings aus der auf der Grundlage von § 11 BerHG erlassenen BerHFV. Nach § 1 Nr. 2 BerHFV hat die Beratungsperson für ihren Antrag auf Zahlung einer Vergütung das in der Anlage 2 zur BerHFV bestimmte Formular zu verwenden. In diesem Formular, das auch hier verwendet wurde, ist in der Textzeile „Der Berechtigungsschein im Original oder der Antrag auf nachträgliche Bewilligung der Beratungshilfe ist beigefügt“ das Zutreffende anzukreuzen. Hierauf gestützt wird allgemein angenommen, dass ein erteilter Berechtigungsschein stets im Original durch die Beratungsperson vorzulegen sei (vgl. NK-GK/Stollenwerk, 2. Aufl., § 55 RVG Rn. 9; Poller/Teubel/Köpf, Gesamtes Kostenhilferecht, § 55 RVG Rn. 22; Lissner/Dietrich, Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 3. Aufl., Rn. 344).

Zumindest dann, wenn der Festsetzungsantrag – wie hier – in elektronischer Form eingereicht wird, ist die Vorlage des Originals des Berechtigungsscheins jedoch nicht in jedem Fall erforderlich.

Gemäß § 12 b Satz 2 RVG i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 1 FamFG können Anträge in Beratungshilfeangelegenheiten auch als elektronisches Dokument übermittelt werden. Das gilt auch für den Antrag der Beratungsperson auf Festsetzung ihrer aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung gemäß § 55 RVG (vgl. NK-GK/Klos, aaO, § 12 b RVG Rn. 12; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 24. Aufl., § 12 b Rn. 3). Zwar wurde die Anlage 2 zur BerHFV im Zusammenhang mit der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs nicht geändert. § 3 Abs. 2 Satz 1 BerHFV enthält lediglich eine Öffnungsklausel dahingehend, dass die Länder Änderungen oder Anpassungen von dem in der Anlage 2 bestimmten Formular zulassen dürfen, die es, ohne den Inhalt zu verändern oder dessen Verständnis zu erschweren, ermöglichen, das Formular in elektronischer Form auszufüllen und dem bearbeitenden Gericht als strukturierten Datensatz zu übermitteln. Von dieser Befugnis hat das Saarland bislang keinen Gebrauch gemacht. Die unterbliebene Anpassung des Antragsformulars an die Verfahrensabläufe des elektronischen Rechtsverkehrs steht indes der elektronischen Übermittlung des Antrags auf Vergütungsfestsetzung nicht entgegen (ebenso Lissner/Dietrich, aaO, Rn. 344 aE; vgl. auch [zur elektronischen Übermittlung eines Prozesskostenhilfe-Erklärungsvordrucks] LAG Sachsen, NZA-RR 2019, 278 m. zust. Anm. Müller; Tiedemann, jurisPR-ArbR 10/2019 Anm. 7). Hiervon geht auch das Beschwerdegericht ersichtlich aus und die Landeskasse zieht ebenfalls nicht in Zweifel, dass der von dem Beschwerdeführer über das beA eingereichte Antrag auf Festsetzung seiner Vergütung gegen die Landeskasse formell wirksam gestellt ist.

Nach der Vorschrift in § 130 a Abs. 1 ZPO, die aufgrund der Verweisungen in § 12 b Satz 2 RVG und § 14 Abs. 2 Satz 2 FamFG auf Vergütungsfestsetzungsanträge im Beratungshilfeverfahren anwendbar ist, können auch die zu einem Antrag gehörenden Anlagen als elektronisches Dokument eingereicht werden. Als höherrangige Norm geht § 130 a Abs. 1 ZPO nach der allgemeinen Kollisionsregel („lex superior derogat legi inferiori“; vgl. hierzu etwa Staudinger/Honsell, BGB [2018], Einl. BGB Rn. 147) der BerHFV vor. Unabhängig davon, ob der Text des in der Anlage 2 zur BerHFV enthaltenen Antragsformulars („Der Berechtigungsschein im Original … ist beigefügt“) überhaupt eine Rechtsnorm darstellt, durch welche die Beratungsperson zur Vorlage des Originals des Berechtigungsscheins verpflichtet wird, ist es somit aufgrund der Normhierarchie zulässig, bei einem elektronisch gestellten Vergütungsfestsetzungsantrag auch den Berechtigungsschein als elektronisches Dokument zu übermitteln.

Den Vorschriften des RVG als gegenüber § 130 a ZPO gleichrangigen Normen ist eine Verpflichtung zur Vorlage des Berechtigungsscheins im Original nicht zu entnehmen.

Aus der Verweisung in § 55 Abs. 5 Satz 1 RVG auf § 104 Abs. 2 ZPO folgt, dass es für die Festsetzung der durch die Beratungsperson beanspruchten Vergütung genügt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen eines in Nr. 2500 ff. VV-RVG geregelten Gebührentatbestands glaubhaft gemacht sind (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, aaO, § 55 Rn. 33). Die Gebühr ist also festzusetzen, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen ihrer Voraussetzungen spricht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2007 – II ZB 10/06, NJW 2007, 2187 Rn. 8; Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 16. Aufl., § 104 Rn. 18), wobei sich das Gericht aller Beweismittel bedienen kann (vgl. § 294 Abs. 1 ZPO).

Voraussetzung aller bei der Beratungshilfe in Betracht kommenden Gebührentatbestände ist (sofern kein Fall des § 6 Abs. 2 BerHG vorliegt), dass aufgrund eines durch das Gericht erteilten Berechtigungsscheins eine Beratungshilfeleistung erbracht wurde (vgl. OLG Düsseldorf, JurBüro 2010, 304, 305). An die Erteilung des Berechtigungsscheins wird deshalb für den Vergütungsanspruch angeknüpft, weil das Gesetz bei der Bewilligung von Beratungshilfe – anders als bei der Prozesskostenhilfebewilligung (vgl. § 120 ZPO) – keine Beiordnung eines Rechtsanwalts vorsieht. Die danach bei der Geltendmachung des Vergütungsanspruchs durch die Beratungsperson erforderliche Glaubhaftmachung, dass der Rechtsuchende unter Vorlage des Berechtigungsscheins um eine Beratung oder Vertretung gebeten hat, kann dadurch erfolgen, dass die Beratungsperson den ihr von dem Rechtsuchenden ausgehändigten Berechtigungsschein im Original vorlegt. Zwingend erforderlich ist das gemäß § 55 Abs. 5 Satz 1 RVG i.V.m. § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO aber nicht, sofern das Gericht aufgrund sonstiger Umstände das Vorliegen dieser Voraussetzung für glaubhaft gemacht hält.

Im konkreten Fall lässt die Begründung in dem Beschluss des Erinnerungsrichters erkennen, dass dieser die als elektronisches Dokument übermittelte Abbildung des Berechtigungsscheins mit den von dem Beschwerdeführer vorgenommenen Ergänzungen (Durchstreichung, Kennzeichnung als „entwertet“, Kanzleistempel und Unterschrift) als ausreichend erachtet, um die tatsächlichen Voraussetzungen der geltend gemachten Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV-RVG als glaubhaft gemacht anzusehen, und die Vorlage des Originals des Berechtigungsscheins aus seiner Sicht hierfür nicht notwendig war. Diese Würdigung wird von dem Landgericht, das lediglich aus Rechtsgründen die Vorlage des Originals des Berechtigungsscheins für erforderlich hält, nicht in Zweifel gezogen. Da sie einen Rechtsfehler nicht erkennen lässt, ist sie auch für die Entscheidung über die weitere Beschwerde zugrunde zu legen.

Auch die Funktion des Berechtigungsscheins gebietet dessen Vorlage im Original nicht. …..“