Wiedereinsetzung I: Quasi-Verlängerung der Begründungsfrist, oder: Nachholung von Verfahrensrügen

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Heute am „Vatertag“ – wird sicherlich noch einmal ein etwas ruhigerer „Festtag“ – drei Entscheidungen zur Wiedereinsetzung. Es ist zwar Feiertag heute, aber ich lasse das Programm durchlaufen.

Ich starte mit dem BGH, Beschl. v. 02.12.2020 – 2 StR 267/20. Also schon etwas älter 🙂 . Der Angeklagte hatte einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt, den der BGH zurückgewiesen hat:

„1. Der Antrag des Angeklagten, ihm Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 31. Januar 2020 zu gewähren, ist unzulässig, weil seine Revision bereits von seinen Pflichtverteidigern frist- und formgerecht begründet worden ist.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung von Verfahrensrügen kommt nur ausnahmsweise bei besonderen Verfahrenslagen in Betracht, in denen dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 1951 – 1 StR 5/51, BGHSt 1, 44, 46; vom 23. August 2012 – 1 StR 346/12; vom 14. November 2019 – 5 StR 505/19 je mwN). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier – wie vom Generalbundesanwalt näher ausgeführt – nicht vor, auch nicht mit Blick darauf, dass die Urteilszustellung an den Wahlverteidiger zunächst nicht bewirkt werden konnte. Durch die sodann erfolgte spätere Zustellung der Urteilsurkunde wurde die Revisionsbegründungsfrist für den Beschwerdeführer insgesamt sogar verlängert.

2. Der weitere Antrag des Angeklagten auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Heilung der Mängel von nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Verfahrensrügen ist ebenfalls unzulässig. Die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsgesuchs ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass geltend gemacht wird, den Angeklagten treffe an den Mängeln kein Verschulden. Könnte ein Angeklagter, dem durch die Antragsschrift des Generalbundesanwalts ein formaler Mangel in der Begründung einer Verfahrensrüge aufgezeigt worden ist, diese unter Hinweis auf ein Verschulden seines Verteidigers nachbessern, würde im Ergebnis die Formvorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO außer Kraft gesetzt. Dies würde nicht mit dem öffentlichen Interesse in Einklang stehen, einen geordneten Fortgang des Verfahrens zu sichern und ohne Verzögerung alsbald eine klare Verfahrenslage zu schaffen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachbesserung einer Verfahrensrüge kommt daher nur in besonderen Prozesssituationen ausnahmsweise in Betracht, wenn dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. August 1991 – 4 StR 384/91, wistra 1992, 28; vom 25. September 2012 – 1 StR 361/12, wistra 2013, 34). Eine solche Ausnahmesituation liegt ersichtlich nicht vor.“

Dagegen hatte der Angeklagte dann noch die Anhörungsrüge erhoben, die der BGH mit BGH, beschl. v. 02.03.2021 – 2 StR 267/20 – zurückgewiesen hat. Da meint der BGH noch:

„Soweit der Verurteilte die Formulierung in dem angefochtenen Beschluss, durch die zweite Zustellung der Urteilsurkunde an den Wahlverteidiger sei die Revisionsbegründungsfrist für den Beschwerdeführer insgesamt sogar verlängert worden, als rechtlich verfehlt beanstandet, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Erfolgt in Fällen der Mehrfachverteidigung entgegen Nr. 154 Abs. 1 Satz 2 RiStBV die Zustellung an mehrere Verteidiger zu unterschiedlichen Zeiten, führt dies für den Verurteilten zu einer faktischen Fristverlängerung ( BGH, Urteil vom 30. August 1990 – 3 StR 459/87 , BGHR StPO § 345 Abs. 1 Fristbeginn 4 ; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 37 Rn. 29). Hier wurde die Revisionsbegründungsfrist mit Urteilszustellung an die beiden Pflichtverteidiger am 23. April 2020 in Gang gesetzt und endete aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten weiteren Zustellung an Rechtsanwalt S. erst am 8. Juni 2020. Mithin standen dem Verurteilten damit insgesamt mehr als sechs Wochen zur Begründung seiner Revision zur Verfügung.“

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