In die 22. KW. starte ich dann mit zwei Entscheidungen zu Bewährungsfragen.
Zunächst stelle ich den BVerfG, Beschl. v. 28.03.2019 – 2 BvR 252/19 – vor. Gegenstand der Entscheidung ist eine Verfassungsbeschwerde gegen den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung wegen gröblichen und beharrlichen Verstoßes gegen eine Weisung, und zwar auf der Grundlage folgenden Sachverhalts:
„1. a) Der wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln im Jahr 2015 vorbestrafte Antragsteller wurde mit Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 24. August 2017 wegen des vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 32 Fällen, in 15 Fällen jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit zwei Fällen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt.
b) Mit Bewährungsbeschluss vom 24. August 2017 setzte das Amtsgericht Augsburg die Bewährungszeit auf drei Jahre fest und erteilte dem Antragsteller die Auflage, eine Summe von insgesamt 1.000 Euro an eine Drogenhilfeeinrichtung zu zahlen. Ferner wies es ihn unter anderem an, auf Aufforderung des Gerichts unverzüglich auf eigene Kosten Urinproben abzugeben.
2. Mit Beschluss vom 5. Dezember 2018 hat das Amtsgericht Augsburg die gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen und die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten angeordnet; die bisher erbrachten Leistungen von 1.000 Euro würden in Höhe von einem Monat gemäß § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB auf die Strafe angerechnet. Zur Begründung des Widerrufs führte das Gericht unter Verweis auf § 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB aus, der Antragsteller habe die mit Beschluss vom 24. August 2017 erteilte Weisung, Urinproben zum Abstinenznachweis abzugeben, gröblich und beharrlich nicht erfüllt, was Anlass zur Besorgnis der Begehung neuer Straftaten gebe.
Der Antragsteller habe keinen der fünf Termine für eine Urinkontrolle wahrgenommen. Er habe dies damit begründet, dass er als selbständiger Monteur für Photovoltaikanlagen im gesamten süddeutschen Raum unterwegs sei. Er erhalte die Arbeitstermine regelmäßig kurzfristig mitgeteilt und habe daher die ebenfalls kurzfristig angesetzten Urinkontrolltermine nicht wahrnehmen können. Im Anhörungstermin sei ihm ein Abwarten bis Ende Oktober für die nächste Urinkontrolle zugesagt worden. Den neuen Termin am 3. Dezember 2018 habe er dennoch nicht wahrgenommen, da er sich bis Ende des Jahres im Raum Freiburg aufhalten werde.
3. Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2018 legte der Antragsteller sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts ein. Darin verweist er insbesondere darauf, dass die Möglichkeit bestanden hätte, ihm einzuräumen, die Urinkontrolle jeweils an seinem Einsatzort durchzuführen. Ein gröblicher und beharrlicher Weisungsverstoß liege nicht vor, da es ihm aus beruflichen Gründen nicht möglich gewesen sei, die Termine zur Urinkontrolle wahrzunehmen, und er diese nicht ohne unverzügliche Rückmeldung habe verstreichen lassen. Im Übrigen stünden weniger einschneidende Maßnahmen als der Bewährungswiderruf, wie beispielsweise die Verlängerung der Bewährungszeit, zur Verfügung.
Mit Beschluss vom 11. Januar 2019 hat das Landgericht Augsburg die sofortige Beschwerde als unbegründet verworfen. Das Beschwerdevorbringen entkräfte die Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht. Das Landgericht trete den Gründen der angefochtenen Entscheidung bei. Ganz am Rande sei zu bemerken, dass die Erfüllung von Auflagen eben nicht unter dem Vorbehalt schlechter Auftragslage stehe.“
Der Verurteilte hat Verfassungsbeschwerde eingelegt und den Erlass einer einstweiligen Anorndnung beantragt. Das BVerfG hat die erlassen und führt dazu aus:
2. a) Die Verfassungsbeschwerde ist weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG nicht ausgeschlossen.
Gemäß § 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB wird die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen, wenn der Verurteilte gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstoßen hat oder sich der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass er erneut Straftaten begehen werde. Bei der nach § 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB zu treffenden Entscheidung handelt es sich um die Auslegung und Anwendung einfachen Gesetzesrechts, die Sache der Strafgerichte ist. Dabei haben die Fachgerichte den grundgesetzlichen Wertmaßstäben Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>). Insoweit stellt bereits der Wortlaut des Gesetzes klar, dass allein der beharrliche oder gröbliche Verstoß des Verurteilten gegen ihm erteilte Weisungen den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nicht rechtfertigt. Der Bewährungswiderruf ist keine Strafe für den Weisungsverstoß. Maßgeblich ist vielmehr, ob unter Berücksichtigung der gesamten Umstände der Verstoß zu der kriminellen Neigung oder Auffälligkeit des Verurteilten so in einer kausalen Beziehung steht, dass die Gefahr weiterer Straftaten besteht. Die Fachgerichte haben unter Einbeziehung des Verhaltens des Verurteilten während der Bewährungszeit eine erneute Prognose zu stellen. Dabei lässt der Verstoß gegen eine Weisung nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf eine kriminelle Prognose zu (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Juni 2007 – 2 BvR 1046/07 -, Rn. 16-19, 21 m.w.N.). Dass die angegriffenen Beschlüsse diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, ist nicht ohne weiteres ersichtlich.
b) Die somit nach § 32 BVerfGG gebotene Abwägung fällt zugunsten des Antragstellers aus…..“
Laut Homepage des BVerfG ist der Beschluss von März 2019, nicht 2020.
Mittlerweile müsste doch die Hauptsache auch durch sein. Ist immerhin mehr als ein Jahr her.
Jepp, berichtigt. Danke.
Ein Jahr? Das ist beim BVerfG doch nicht lang.