Der Kollege Siebers aus Braunschweig hat mir das LG Frankfurt, Urt. v. 23.02.2017 – 5/4 Kls — 36/16 5272 Js 240513/16 – übersandt, das er selbst auch von einem der Verteidiger des Verfahrens erhalten hatte. Obwohl der Kollege selbst zu dem Urteil auch schon gebloggt hat (vgl. hier: Unzulässige Durchsuchung) greife ich das Urteil hier heute auch noch einmal auf. Grund? Es fällt m.E. schon aus dem Rahmen, dass die Strafkammer, wie es in der Praxis sonst leider häufig der Fall ist, sich von den 241 kg Haschisch nicht verführen lässt und die Durchsuchung eben nicht als (noch) zulässig ansieht oder ein Beweisverwertungsverbot verneint.
Der Sachverhalt: Das LG hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge kostenpflichtig zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Dabei ging es um das Zurverfügungstellen einer Lagehalle. Vorgeworfen worden ist dem Angeklagten darüber hinaus bewaffneter unerlaubter Handel mit 241 kg Haschisch, die in einem abgetrennten Raum der Lagerhalle bei einer Durchsuchung sicher gestellt worden waren. Insoweit hatte der Angeklagte jedoch über seine Verteidiger der Verwertung der Durchsuchungsergebnisse mit der Begründung widersprochen, die Durchsuchung sei wegen Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen rechtswidrig gewesen. Das LG hat den Widerspruch anerkannt.
Dabei ist es von in etwa folgendem Verfahrensgeschehen ausgegangen: Am Mittwoch, den 21.09.2016 ist im Laufe des Vormittags durch einen Hinweisgeber, dem seitens der Staatsanwaltschaft Darmstadt Vertraulichkeit zugesichert worden war und zu dem keine näheren Erkenntnisse vorlagen, der Hinweis eingegangen, dass in einer Halle in der X.- Straße zwischen den Hausnummern 1 und 3 in Kelkheim größere — im hohen zweistelligen bis dreistelligen Kilobereich — Mengen Betäubungsmittel gelagert seien. Vor dieser Halle stehe öfter ein Geländewagen, VW Touareg, mit dem Kennzeichen ppp. Eine Halteranfrage habe den Angeklagten als Inhaber des Fahrzeugs ergeben, gegen den aber keinerlei polizeilichen Erkenntnisse bis zu diesem Zeitpunkt vorgelegen hätten. An dem Tag stand ein Sondereinsatzkommando kurzfristig zur Verfügung gewesen, so dass insgesamt zehn Beamte des LKA zu dieser Lagerhalle fuhren. Für diesen Einsatz hatten sie die Anweisung, den Angeklagten als Halter des vor der besagten Halle mehrfach vom Hinweisgeber gesichteten Fahrzeugs zu kontrollieren, festzunehmen und vor allem die Halle zu durchsuchen. Ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss wurde nicht eingeholt. Warum ließ sich nicht klären. Bei der zunächst vorgenommener Observierung der Lagerhalle durch die Beamten vor Ort wurde um 16.09 Uhr beobachtet, dass der Angeklagte mit seinem Pkw bei der Halle vorfuhr. Er betrat diese mehrfach betreten und brachte verschiedene Gegenstände aus der Lagerhalle zum Fahrzeug und fuhr dann weg. Einige Beamte des MEK folgten dem Angeklagten und hielten um 16.20 Uhr wenige hundert Meter von der Halle entfernt an, kontrollierten den Angeklagten und nahmen ihn und fest. Die anderen Beamten blieben bei der Lagerhalle. Die Kontrolle des Angeklagten und seines Pkw ergab keine Hinweise auf Betäubungsmittel. Dem Angeklagten wurde von einem Beamten mitgeteilt habe, dass die Beamten nun beabsichtigten, die Lagerhalle zu durchsuchen. Ihm wurde dazu gesagt, dass er – der Angeklagte – dieser Durchsuchung zustimmen könne, andernfalls würde man mit einem richterlichen Beschluss ebenfalls durchsuchen. Daraufhin erklärte der Angeklagte sein Einverständnis mit der Durchsuchung.
Das LG sieht die Durchsuchung als unzulässig an und geht von einem Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der 241 kg Haschisch aus. Begründung in Kurzfassung – die Langfassung des Urteils ist lesenswert:
Missachtung des Richtervorbehalts: Gefahr im Verzug hat objektiv nicht vorgelegen. Denn es hat zum Zeitpunkt der Durchsuchung um 16.30 Uhr keine Gefahr des Beweismittelverlusts bestanden. Denn jedenfalls nach Kontrolle und Festnahme des Angeklagten sowie Durchsuchung seines Pkw einschließlich der aus der Halle in den Pkw geladenen Gegenstände um 16.20 Uhr sei klar gewesen, dass der Angeklagte keinerlei Betäubungsmittel aus der Halle entfernt hatte, so dass spätestens in diesem Moment Gefahr im Verzug als Grund für die Annahme einer Eilkompetenz der ausführenden Beamten nicht anzunehmen war.
Beweisverwertungsverbot: Das Fehlen einer richterlichen Durchsuchungsanordnung führte hier nach Auffassung des LG auch zu einem Beweisverwertungsverbot. Das LG bejaht einen schwerwiegenden gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben. Es sei ganz bewusst ein gesamtes MEK zum Zwecke der Durchsuchung zu der Lagerhalle ausgesandt worden, ohne dass auch nur versucht wurde, an einem Werktag tagsüber zu dienstüblichen Zeiten eine richterliche Entscheidung zu erlangen oder wenigstens einen Staatsanwalt in diese Ermittlungsmaßnahmen einzubeziehen.
Kein hypothetischer rechtmäßiger Ermittlungsverlauf: Bei einer derartigen Verkennung des Richtervorbehalts kommt nach Auffassung des LG auch dem Aspekt eines möglichen hypothetischen rechtmäßigen Ermittlungsverlaufs keine Bedeutung zu. Es sei hier vor allem fraglich, ob bei dem zum Zeitpunkt der Durchsuchung vorliegenden polizeilichen Ermittlungsstand überhaupt eine richterliche Durchsuchungsanordnung wäre erlassen worden.
Und auch mit der vermeintlichen Einwilligung wird das LG „fertig“:
„Schließlich ist das Fehlen einer richterlichen Durchsuchungsanordnung auch nicht durch eine vermeintliche Zustimmung des Angeklagten zur Durchsuchung geheilt. Zunächst durften gemäß den obigen Anforderungen die eingesetzten Beamten des MEK des Hessischen Landeskriminalamts nicht ohne richterlichen Beschluss zum Zwecke einer Durchsuchung eingesetzt werden, lediglich in dem Vertrauen darauf, dass der Angeklagte einer solchen Maßnahme zustimmen werde. Vielmehr hätten sie sich rechtzeitig unter Berücksichtigung des Richtervorbehalts um eine Durchsuchungsanordnung bemühen müssen. Darüber hinaus lag unter den hiesigen Voraussetzungen auch keine wirksam freiwillig gewährte Durchsuchung der Lagerhalle vor. Dabei ist nämlich entscheidend, dass eine Durchsuchung nur dann in Aussicht gestellt werden darf, wenn deren Voraussetzungen vorliegen. Andernfalls kann nicht von einer Wirksamkeit der Einwilligung ausgegangen werden (vgl. OLG Hamburg, StV 2008, 12, Rn. 11; Meyer-Goßner, StPO, 59. Aufl. 2016, § 105, Rn. 1). Daran fehlt es bei der vorliegend vom Angeklagten eingeholten Einwilligung. So berichteten die Zeugen W. und G. davon, dass sie unabhängig voneinander dem Angeklagten, nachdem er durch mehrere Beamte des MEK in seinem Pkw angehalten, kontrolliert, gefesselt und vorläufig festgenommen worden war, erklärt hätten, dass sie nun beabsichtigen würden, die Lagerhalle zu durchsuchen. Er könne dazu sein Einverständnis geben, ansonsten würden sie auch ohne dieses Einverständnis mittels richterlichen Beschlusses durchsuchen. Der Zeuge G. erklärte zudem, er habe dem Angeklagten überdies erklärt, dass seine Zustimmung sich später beim Richter positiv für ihn auswirken könne. Daraufhin habe dieser zugestimmt. Diese Art und Weise, eine Zustimmung des Angeklagten für die von vornherein geplante Durchsuchung einzuholen, entsprach nicht den gesetzlichen Anforderungen. Abgesehen davon, dass bereits fraglich ist, ob der Angeklagte in dieser — nach eigenen und gut nachvollziehbaren Angaben — ihn vollkommen überrumpelnden Situation — gerade vom MEK aus dem Auto geholt, gefesselt und festgenommen — überhaupt in der Lage war, ein rechtlich wirksames Einverständnis zu erklären, entsprach jedenfalls die Belehrung durch die beiden polizeilichen Zeugen keineswegs den tatsächlichen Umständen und war deshalb falsch. Denn sie suggerierten dem Angeklagten, dass eine Durchsuchung der Halle — neudeutsch gesprochen — „alternativlos“ war und seine eigene Erklärung praktisch bedeutungslos. Denn weder lag bereits ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss vor, aufgrund dessen eine unmittelbare Durchsuchung — wie sie dem Angeklagten suggeriert worden war —, hätte durchgeführt werden können, noch war ein solcher wenigstens beantragt worden. Jedenfalls war aber zu diesem Zeitpunkt keineswegs klar, wie es dem Angeklagten jedoch suggeriert wurde, dass anhand der eher schwachen Beweislage überhaupt die Voraussetzungen nach § 102 StPO für den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses vorgelegen hätten.“
Wenn es doch nur mehr von solchen Entscheidungen standhafter Kammern gäbe.
Großes Kino. Es gibt Sie also noch, Richter die nicht jeden Mist einfach durchwinken.
Wenn Beweisverwertungsverbote nur ein klein wenig häufiger vorkämen (die krassen Fälle reichen sicher aus) würde die verbreitete Haltung „was schert mich das Gesetz – ich bin das Gesetz“ zweifellos nachlassen.
Was bleibt ich die Hoffnung …