Der OLG Hamm, Beschl. v. 23.02.2016 – 2 Ws 49/16 – verhält sich zur Wirkungsdauer/zum Wirkungsumfang. Es ging um die Wirksamkeit der Zustellung einer sog. Nachtragsentscheidung, nämlich eines Gesamtstrafenbeschlusses. Dagegen war Beschwerde eingelegt, fraglich war, ob rechtzeitig. Im Rahmen des Wiedereinsetzungsverfahrens führt das OLG dann aus:
b) Das Landgericht ist in dem angefochtenen Beschluss zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Bochum der Verurteilten durch Übersendung an ihren Pflichtverteidiger spätestens am 24. Februar 2015 wirksam nach § 145 a Abs. 1 StPO zugestellt worden ist und deshalb die sofortige Beschwerde von der Verurteilten verspätet eingelegt wurde.
Eine wirksame Zustellung des Gesamtstrafenbeschlusses an den Pflichtverteidiger der Verurteilten nach § 37 Abs. 1 StPO, § 174 Abs. 1 ZPO gegen Empfangsbekenntnis ist nicht erfolgt. Zwar findet sich eine diesbezügliche Zustellungsanordnung der zuständigen Richterin des Amtsgerichts Bochum in den Akten. Auch ist die von dem Landgericht Bochum in der angegriffenen Entscheidung vertretene Auffassung, dass die Pflichtverteidigerbestellung am 5. Januar 2011 für das Verfahren der nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 460 StPO, § 55 StGB mangels Zurücknahme bzw. Widerruf der Pflichtverteidigerbeiordnung fortwirkte (vgl. KG, a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 140 Rdnr. 33), zutreffend. Die Rechtswirksamkeit einer Zustellung an einen Rechtsanwalt gegen Empfangsbekenntnis nach § 37 Abs. 1 StPO, § 174 Abs. 1 ZPO (vormals § 212 a ZPO) setzt jedoch neben der Übermittlung des zuzustellenden Schriftstücks und dem Willen des Absenders (hier des Gerichts), es zuzustellen, auf Seiten des Anwalts die Kenntnis von der Zustellungsabsicht der Geschäftsstelle sowie dessen Willen voraus, das in seinen Gewahrsam gelangte Schriftstück als zugestellt anzunehmen (zu vgl. BVerfG, NJW 2001, 1563; BGH, NStZ-RR 2005, 77; NJW 1994, 2297; OLG Celle, StraFo 2000, 279; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 37 Rdnr. 19; KK-Maul, StPO, 7. Aufl., § 37 StPO Rdnr. 8). Diesen unverzichtbaren Annahmewillen muss der Rechtsanwalt grundsätzlich unter Beifügung des Datums durch seine Unterschrift auf dem Empfangsbekenntnis dokumentieren. Dies muss nicht zwingend auf dem üblichen gerichtlichen Vordruck oder in Schriftform geschehen. Bei einer Zustellung gegen Empfangsbekenntnis an einen Rechtsanwalt kann der Zustelladressat seinen Annahmewillen und seine Empfangsbereitschaft auch konkludent zum Ausdruck bringen etwa in der Weise, dass er sich auf den Inhalt des zugegangenen Schriftstücks einlässt (vgl. BGH, NStZ-RR 2005, 77). Eine konkludente Bekundung des Willens, ein ihm gegen vorbereitetes Empfangsbekenntnis zugegangenes Urteil als zugestellt anzunehmen, hat der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung (NStZ – RR 2005, 77) in einem Fall angenommen, in dem der Verteidiger auf das ihm zugegangene Urteil in einer von ihm verfassten Revisionsbegründung und der darin ausgeführten Sachrüge Bezug genommen hat. Eine vergleichbare Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor. Aus dem Vermerk der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Bochum vom 24. Februar 2015 und dem nachfolgenden Schriftsatz des Pflichtverteidigers der Verurteilten vom 2. März 2015 geht vielmehr hervor, dass dieser das „Verteidigungsmandat“ zu der Verurteilten (wenn auch irrtümlich) aufgrund des seit langem nicht mehr bestehenden Kontakts zu der Verurteilten als beendet angesehen hat. Insbesondere mit seiner in dem Schriftsatz geäußerten Bitte, vom Gericht aus eine Zustellung (unmittelbar) an die Verurteilte zu veranlassen, hat der Pflichtverteidiger der Verurteilten hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ihm der Wille fehlte, das in seinen Gewahrsam gelangte Schriftstück (Gesamtstrafenbeschluss) als zugestellt anzunehmen. Nur so ist auch erklärlich, dass er das vorbereitete Empfangsbekenntnis trotz mehrfacher Aufforderung nicht zurücksandte. Bei einer – wie hier – fehlenden Empfangsbereitschaft des Rechtsanwalts, die für eine Zustellung gegen Empfangsbekenntnis nach § 37 Abs. 1 StPO, § 174 Abs. 1 ZPO unverzichtbar ist, ist auch eine Heilung des Zustellungsmangels nach § 37 Abs. 1 StPO, § 189 ZPO nicht möglich (vgl. BGH, NStZ-RR 2005, 77).“