Neue Techniken führen zu neuen Deliktsformen und damit auch zu neuen Problemen in der Rechtsprechung. Das zeigt mal wieder deutlich der BGH, Beschl. v. 16.07.2015 – 2 StR 16/15, obwohl: So neu ist das zugrunde liegende Tatgeschehen an sich nicht. Da sind nämlich Inhabern von Bankkarten aus der Altergruppe zwischen 63 und 99 Jahren -. ich bin also auch gefährdet – von den Tätern, die sich als Bankmitarbeiter ausgegeben hatten, erfundene Geschichten erzähtl worden, die dann dazu geführt haben, dass die Geschädigten ihnen ihre Bankkarten übergeben und auch die Geheimzahl offen gelegt haben. Anschließend wurde dann von den Konten der Geschädigten Bargeld am Geldautomaten abgehoben. Das LG hatte das Tatgeschehen als (gewerbs- und bandenmäßigen) Computerbetrug (§ 263a StGB) angesehen. Der BGH hat das in (gewerbs- und bandenmäßigen) Betrug (§ 263 StGB) abgeändert. Denn:
„a) Der Tatbestand des Computerbetrugs ist nicht erfüllt, da die Mittäter die Bankkarten und Geheimnummern nicht „unbefugt“ im Sinne von § 263a Abs. 1 StGB benutzt haben. Wer vom berechtigten Karteninhaber die Bankkarte und die Geheimnummer durch dessen Verfügung erhält und damit Abhebungen an Geldautomaten vornimmt, begeht keinen Computerbetrug.
Dies folgt aus der verfassungsrechtlich gebotenen einschränkenden Auslegung des Tatbestands des Computerbetrugs (vgl. Heger in Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 263a Rn. 12). Danach handelt nicht schon derjenige „unbefugt“, der Daten entgegen dem Willen des Berechtigten verwendet oder die verwendeten Daten rechtswidrig erlangt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2005 – 4 StR 550/04, BGHSt 50, 174, 179; a.A. SSW/Hilgendorf, StGB, 2014, § 263a Rn. 14; NK/Kindhäuser, StGB, 4. Aufl., § 263a Rn. 27). Aus der im Ver-hältnis zum berechtigten Karteninhaber missbräuchlichen Verwendung der Bankkarte mit der Geheimzahl folgt auch keine fehlerhafte Beeinflussung der automatisierten Abläufe (so die „computerspezifische Auslegung“). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Anwendungsbereich des § 263a Abs. 1 Var. 3 StGB unter Berücksichtigung des Zwecks der Vorschrift durch Struktur- und Wertgleichheit mit dem Betrugstatbestand bestimmt. Mit § 263a StGB sollte lediglich die Strafbarkeitslücke geschlossen werden, die dadurch entstanden war, dass der Tatbestand des Betrugs menschliche Entscheidungsprozesse voraussetzt, die beim Einsatz von EDV-Anlagen fehlen (vgl. Senat, Beschluss vom 21. November 2001 – 2 StR 260/01, BGHSt 47, 160, 162). Das Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ erfordert daher eine betrugsspezifi-sche Auslegung (vgl. Senat, Urteil vom 22. November 1991 – 2 StR 376/91, BGHSt 38, 120, 124; Beschluss vom 21. November 2001 – 2 StR 260/01, BGHSt 47, 160, 163; LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 263a Rn. 16a). Der dazu erforderliche Maßstab ist allerdings wiederum umstritten.
Die missbräuchliche Benutzung der vom Berechtigten mitsamt der Geheimnummer erlangten Bankkarte durch den Täter bei Abhebungen am Geldautomaten entspricht nicht einem Betrug am Bankschalter. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn es bei dem fiktiven Prüfvorgang eines Bankmitarbeiters um dieselben Aspekte ginge, die auch der Geldautomat abarbeitet (vgl. Senat, Beschluss vom 21. November 2001 – 2 StR 260/01, BGHSt 47, 160, 163; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5. Januar 1998 – 2 Ss 437/97 – 123/97 II, NStZ-RR 1998, 137; OLG Koblenz, Urteil vom 2. Februar 2015 – 2 OLG 3 Ss 170/14). Für den Automaten sind Identität und Berechtigung des Abhebenden mit der Eingabe der echten Bankkarte und der zugehörigen Geheimnummer hinreichend festgestellt.
Unbefugt im Sinne des § 263a Abs. 1 StGB handelt danach nur derjenige, der manipulierte oder kopierte Daten verwendet. Nach der Rechtsprechung soll allerdings auch derjenige einen Computerbetrug begehen, der sich durch Diebstahl oder Nötigung die für den Abhebungsvorgang erforderliche Datenkenntnis und Kartenverwendungsmöglichkeit verschafft hat. Insoweit führt die Vergleichsbetrachtung von Betrug und Computerbetrug nicht stets zu einem klaren Auslegungsergebnis. Sie muss um eine Gesamtbetrachtung des Geschehens, das zur Erlangung von Bankkarte und Geheimnummer geführt hat, sowie der Geldabhebung ergänzt werden. Danach gilt das Merkmal der unbefugten Verwendung der Daten nicht für denjenigen, der die Bankkarte und die Geheimnummer vom Berechtigten jeweils mit dessen Willen erlangt hat (vgl. Perron in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 263a Rn. 10; Wohlers/Mühlbauer in MünchKomm, StGB, 2. Aufl., § 263a Rn. 49 f.), mag die Überlassung auch auf einer Täuschung beruhen (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Januar 2013 – 2 StR 553/12; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 263a Rn. 13).
Wenn der Täter mit einer echten Bankkarte und der richtigen Geheimnummer, die er jeweils vom Berechtigten durch dessen täuschungsbedingte Verfügung erhalten hat, Geldabhebungen vornimmt, werden nicht zwei Straftatbestände des Betrugs und des Computerbetrugs erfüllt. Dieses Verhalten erfüllt nur den Tatbestand des Betrugs gegenüber dem Berechtigten (vgl. Senat, Be-schluss vom 15. Januar 2013 – 2 StR 553/12; Bär in Wabnitz/Janovski [Hrsg.], Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 4. Aufl., 14. Kap. Teil B Rn. 23). Der Täter betrügt den berechtigten Inhaber von Bankkarte und Geheimnummer im Sinne von § 263 StGB, aber er „betrügt“ nicht außerdem den Geldautomaten im Sinne von § 263a StGB, weil er danach die echte Bankkarte und die richtige Geheimnummer verwendet.“
Ach so: Das „abgeluchst“ hatten schon die Kollegen von der Rechtslupe (vgl. hier). Einen besseren Begriff habe ich nicht gefunden, so dass ich den abageschrieben habe. Jetzt hoffe ich nur, dass es nicht eine „Liga zur Rettung des frei lebenden Luchses e.V.“ gibt, die mir dann gleich schreibt: „Abgeluchst“ sei für den Luchs diskriminierend :-).
Abgeluchst“ ist für den Luchs diskriminierend, aber wie!
Wo ist denn der qualitative Unterschied, ob die Karte durch Nötigung/Diebstahl oder Betrug erlangt worden ist? Entweder sagt man, der fiktive Bankangestellte würde das Vorliegen einer Vollmacht prüfen, dann wäre in allen Fällen § 263 a StGB erfüllt. Oder man sagt, der fiktive Bankangestellte prüft nur, ob Originalkarte u. PIN vorliegen, dann läge nur Nötigung, Diebstahl oder Betrug vor und die Tat am Automaten wäre straflos. Da letzteres offenbar vom Gesetzgeber nicht gewollt ist, müsste auch im Falle der durch Betrug erlangten Karte konsequenterweise ein Computerbetrug am Automaten bejaht werden. Gibt es irgendeinen Mehrwert für diesen logischen Bruch?