Es ist ja schon an verschiedenen anderen Stellen auf den zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehenen BGH, Beschl. v. 20.02.2013, 1 StR 585/12 – hingewiesen worden (vgl. z.B. hier und hier). in dem der BGH zur Sittenwidrigkeit von Körperverletzungen trotz erteilter Einwilligung bei verabredeten tätlichen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen Stellung genommen hat (so die Überschrift der PM 52/13 des BGH). Man kann es auch kürzer ausdrücken: Der BGH zur Strafbarkeit verabredeter Schlägereien.
Nach dem dem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalt hatten die drei Angeklagten, die zu einer Jugendgruppe gehörten, mit einer verfeindeten Gang ausgehandelt, ihren Streit mit den Fäusten auszutragen. Dabei verletzten die Angeklagten ihre Gegner schwer. Einer von ihnen musste drei Tage stationär im Krankenhaus behandelt werden, davon einen Tag auf der Intensivstation. Obwohl die Verletzten in die Prügelei eingewilligt hatten, verurteilte das LG die Angeklagten wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung. Die Einwilligungen verstießen nach Auffassung der Strafkammer gegen die guten Sitten.
Der BGH, Beschl. v. 20.02.2013, 1 StR 585/12 – hat das landgerichtliche Urteil bestätigt. Bei derartigen Prügeleien komme es typischerweise zu gruppendynamischen Prozessen, die zu gefährlich seien, um darin einwilligen zu können. Schlägereien seien nicht mit sportlichen Wettkämpfen zu vergleichen, da sie jederzeit eskalieren könnten. Sie unterschieden sich daher von körperbetonten Sportarten wie dem Boxen, wo jederzeit eine neutrale Instanz kontrolliere, dass die Regeln eingehalten werden.
Wenn Hooligans oder andere Gruppen sich zum Prügeln verabreden, können die Gruppenmitglieder sich also wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar machen. Dass alle einverstanden waren, ist unerheblich. In der PM heißt es zu den Auswirkungen des Beschlusses.
Die Entscheidung des 1. Strafsenats wird – auch wenn darüber nicht unmittelbar zu entscheiden war – Auswirkungen die strafrechtliche Bewertung verabredeter Schlägereien zwischen rivalisierenden Hooligan-Gruppen haben (häufig sog. Dritte Halbzeit). Selbst wenn solche körperlichen Auseinandersetzungen auf getroffenen Abreden über die Art des „Kampfes“ beruhen, werden sich die Taten wegen der typischen Eskalationsgefahren trotz der Einwilligungen sämtlicher Beteiligungen als Verstoß gegen die „guten Sitten“ erweisen.
Dagegen sind mit erheblichen Gesundheitsgefahren verbundene Sportwettkämpfe auch bei Austragung durch Mannschaften nicht betroffen. Das vorhandene Regelwerk der Sportarten, dessen Einhaltung regelmäßig durch eine neutrale Instanz kontrolliert wird, begrenzt üblicherweise den für die Beteiligten vorhandenen Gefährdungsgrad. Wie schon bisher sind strafbare Körperverletzungen hier erst dann gegeben, wenn diese aus grob regelwidrigem Verhalten hervorgehen.
Aus der PM des BGH habe ich den Begriff der „dritten Halbzeit“. War mir in dem Kontext noch nicht untergekommen. Man lernt eben nie aus 🙂
Der Begriff der „Dritten Halbzeit“ oder im Polizeideutsch DOA für Drittortauseinandersetzung ist nun nicht gerade neu. Neu ist hier allerdings etwas, was man als Obiter Dictum einer Pressemitteilung bezeichnen kann. Der 1. Senat hatte diese Frage weder zu entscheiden noch hat er sich tatsächlich mit der Thematik beschäftigt. In seiner Entscheidung hat er eine Tendenz angedeutet. Da ist der Pressereferent wohl etwas über das Ziel hinausgeschossen.
Hallo Herr Franek, für mich war er neu. Man lernt eben nie aus 🙂
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Den Kommentar von Anonymus habe ich gelöscht 🙁
Und die vierte Halbzeit ist dann auf der Intensivstation.
und wenn es eine fünfte gibt, ggf. in der JVA
Ein wesentlicher Unterschied zwischend dem hiesiegen Fall und der sog. Dritten Halbzeit dürfte in dem Umstand liegen, dass Hooligans bei ihren Auseinandersetzungen tatsächlich Regeln (zumindest die eine, dass niemand, der am Boden liegt, weiter traktiert werden darf) aufstellen und deren Einhaltung überwachen (z..T. sogar mit Videobeweis). Vor ein paar Jahren war dazu mal ein Beitrag in der NStZ, der zu dem Ergebnis kam, dass allenfalls § 231 StGB einschlägig sein kann. Warum man sich jetzt beim BGH so große Mühe gibt, die DOA darüber hinaus generell strafbar zu machen, verstehe ich nicht. Ich kann gut damit leben, wenn die Polizei sich um wichtigere Dinge kümmern kann, als irgendwelchen Typen auf Ackern hinterher zu jagen, damit sie sich nicht in gegenseitigem Einvernehmen vermöbeln… Aber gut, 1. Senat halt…
Pingback: “Dritte Halbzeit”: “Cosa Nostra” gegen “Schickeria” – Burhoff online Blog