Was Landgerichte so alles durchgehen lassen bzw. warum merken Landgerichte eigentlich nicht, wenn die tatsächlichen Feststellungen des AG für eine Berufungsbeschränkung nicht ausreichend sind. Die Frage stellte sich mir nach lesen des OLG München, Beschl. v. 08.06.2012, 4 StRR 97/12.
Das AG trifft zu einem vorsätzlichen § 316 StGB folgende Feststellungen:
„Der Angeklagte fuhr am 18. November 2010 gegen 19.40 Uhr mit dem Pkw Audi A 4, amtliches Kennzeichen xxx, auf der H. Straße in xxxf, obwohl er infolge vorangegangenen Alkoholgenusses fahruntüchtig war.
Eine bei dem Angeklagten am 18.11.2010 um 20.08 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,15 ‰.
Seine Fahruntüchtigkeit hätte der Angeklagte bei kritischer Selbstprüfung erkennen können und müssen. Außerdem hatte der Angeklagte, wie er wusste, nicht die erforderliche Fahrerlaubnis. Der Führerschein war seit 5.8.2010 nach § 94 StPO sichergestellt gewesen.
Durch die Tat hat sich der Angeklagte als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.“
Frage: Reicht das? Antwort: Natürlich nicht! Dazu das OLG – unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung:
Insbesondere zu den Verkehrsdelikten nach §§ 316 StGB, 21 StVG hat der Senat in ständiger Rechtsprechung, an der festzuhalten ist, erkannt, dass der Tatrichter sich nicht auf Feststellungen beschränken darf, die nur die reine tatbestandsmäßige Schuldform betreffen. Vielmehr ist der Tatrichter wegen der Bedeutung für die Rechtsfolgen gehalten, Feststellungen auch zur Motivation der Tat, den konkreten Verkehrsverhältnissen bei Tatbegehung, insbesondere zu möglichen Gefährdungen anderer Straßenverkehrsteilnehmer, und zum Anlass der Tat zu treffen. Beschränkt sich das Erstgericht auf die Feststellungen allein zur Schuldform und unterlässt es die weiteren Feststellungen, ist eine Beschränkung des Rechtsmittels nach § 318 StPO unwirksam und der Berufungsrichter gehalten, den Sachverhalt unter Beachtung der revisionsrechtlichen Vorgaben vollumfänglich festzustellen. (OLG München Beschluss vom 4. April 2012 – Aktenzeichen: 4 StRR 046/12, S. 4 f.; Beschluss vom 18. Februar 2008 – Aktenzeichen: 4 StRR 207/07 = OLG München StraFo 2008, 210; Beschluss vom 10. August 2011 – Aktenzeichen: 4 StRR 127/11; Beschluss vom 19. August 2010 – Aktenzeichen: 4 StRR 118/10, S. 4).
Die vom Amtsgericht getroffenen (…) Feststellungen betreffen nur die reine Schuldform.
Das Urteil des ersten Rechtszugs teilt nichts zur gefahrenen Fahrstrecke, zum Anlass der Fahrt und zu den zur Tatzeit herrschenden Verkehrsumständen, damit zur Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, mit. Mithin war das Urteil lückenhaft und einer Beschränkung der Berufung nach § 318 StPO nicht zugänglich. Das hat die Berufungskammer verkannt.
Sollte man als Berufungskammer wissen. Dann würde man anderen Kammern Nacharbeit ersparen. Den Angeklagten wird es freuen. Er gewinnt Zeit und kann sich „vorbewähren“.
Im konkreten Fall lief es wegen der Bewährungsfrage natürlich nicht schlecht für den Angeklagten, nicht selten aber ist es wegen 69 a Abs. 4 StGB und wegen der Kosten (für die laut OLG so wichtigen Feststellungen zu den zur Tatzeit herrschenden Verkehrsumständen) nur bedingt ein echter Erfolg.
ähm, fahrlässiger, nicht vorsätzlicher 316.
für vorsatz hätten die feststellungen noch sehr viel weniger genügt …
😉