Zulässig? Sog. Vorworte der mündlichen Urteilsbegründung im Internet

Erstaunen macht sich breit, wenn man den Aufsatz von RA Thielmann, Wuppertal, im StV 2009, 607 unter dem Titel „Die im Urteil integrierte Presseerklärung – Zu Form und Inhalt der sog. Vorworte des Staatsschutzsenates des OLG Düsseldorf in Islamistenverfahren“ liest. In der Sache geht es im die Übung des 6. Staatsschutzsenates, in sog. Terroristenprozessen am Tag der Urteilsverkündung ein „Vorwort, bei dem es sich um den ersten Teil der mündlichen Urteilsbegründung handelt zu verlesen und vor allem im Internet zu veröffentlichen.

Höchst interessant, was der Kollege dazu meint und vor allem, was man in den Vorworten so lesen konnte. Dies ist im  Abdall-Verfahren und im Al Tawhid-Verfahren so geschehen, für den Al-Quida-Prozess und für das Kofferbombenverfahren sind die Vorworte auf der Homepage des OLG Düsseldorf noch abbrufbar.

Ich will hier gar nicht dem Terror nach dem Mund reden. Darum geht es m.E. aber auch gar nicht. Sondern um die Frage: Ist das eigentlich zulässig (m.E. höchst fraglich)? Nach dem Lesen des Beitrags des Kollegen Thielmann bleibt nicht nur ein schaler Nachgeschmack, sondern auch eine Frage offen. Wie geht die Verteidigung mit diesen Dingen im Hinblick auf die §§ 24 ff. StPO um? Die Besorgnis der Befangenheit wird man nach dem Inhalt und den Formulierungen m.E. wohl kaum ausschließen können.

8 Gedanken zu „Zulässig? Sog. Vorworte der mündlichen Urteilsbegründung im Internet

  1. Gerd

    Hä? Das ist das Vorwort zur Urteilsbegründung. Halten Sie es im Ernst für bedenklich, dass sich die Richter zu diesem Zeitpunkt eine feste Meinung über die Schuld der Angeklagten gebildet haben??

  2. Tom Paris

    Die mündliche Urteilsbegründung ist aus meiner Sicht ebensowenig ein Problem wie das „Vorwort“. Was muß man sich als Verteidiger in mündlichen Urteilsbegründungen nicht alles anhören: Für viele Richter Gelegenheit, für die vielen Anträge, Vorwürfe, Beschwerden und die aus ihrer Sicht abwegigen Gedankengänge der Verteidigung „Revanche“ zu nehmen, Luft abzulassen und den Verteidigern den Kopf zu waschen. Es gibt schönere Momente im Leben eines Anwalts. Das ist aber durchaus menschlich und nachvollziehbar. Das Gericht muß sich ja im Laufe des Verfahrens auch einiges an den Kopf werfen lassen.

    Worte sind allerdings Schall und Rauch. Am nächsten Tag sind sie vergessen, im Nachhinein kaum noch rekonstruierbar und beweisbar und die anwesende Presse versteht zumeist ohnehin nicht, was der Richter ausführt. Problematischer finde ich es deshalb, die mündliche Urteilsbegründung nebst einen „Vorwort“ zum Dauerabruf auf der Internetseite des Gerichts bereit zu stellen. Immerhin enthalten die Ausführungen ja nicht nur Feststellungen zum konkreten Verfahren, sondern auch Vorfestlegungen im Hinblick auf nachfolgende Verfahren.

  3. Gerd

    Bitte nicht so wolkig, sondern etwas konkreter: Welche Formulierung in einem der beiden Vorworte könnte denn in welchem späteren Verfahren die Besorgnis der Befangenheit begründen?

  4. Jean-Luc Picard

    @Gerd:

    Einige Verteidiger und einen Gefängnisgeistlichen in einer öffentlich abrufbaren Schrift in die Nähe von Strafvereitelern zu rücken, dem Gesetzgeber offen zu empfehlen, das Beweisantragsrecht einzuschränken, die Polizei über den grünen Klee zu loben, die Verteidigung zu schelten und überhaupt den Eindruck zu erwecken, durch die Hauptverhandlung habe sich nur das bestätigt, was man schon immer über „Al Qaida“ gewußt habe, ist etwas grenzwertig. Zumal die Ausführungen zu beiden Verfahren in weiten Teilen wortidentisch sind und das Gericht damit den Eindruck erweckt, Verteidiger und Beschuldigte in solchen Verfahren alle in die gleiche Schublade stecken zu können.

    Das bekommt der Herr Vorsitzende in künftigen Verfahren sicher in Form eines Befangenheitsantrags unter die Nase gerieben. Nicht, daß es etwas nützen würde. Das wird, ohne Konsequenzen zu haben, nur die Vorurteile gegen „solche“ Verteidiger weiter verfestigen. Wenn das OLG Düsseldorf es für angezeigt hält, ein solches „Vorwort“ auf der Gerichts-Webseite zum Abruf bereit zu halten, scheint man sich ja bis hinein ins Präsidium einig zu sein.

  5. Detlef Burhoff

    Hallo, bin unterwegs und kann mich daher in die Diskussion nur kurz einschalten. Genau um die Stellen und um die Auswirkungen (?) auf andere Verfahren geht es mir. Es reicht die Besorgnis der Befangenheit.

  6. Gerd

    Wer auf so etwas einen Befangenheitsantrag stützt, sollte sich nicht wundern, wenn dem kein Erfolg beschieden ist. Wer das ohne die déformation professionelle des Strafverteidigers liest, wird darin nichts entdecken, was die Entscheidungsfindung des Senats in späteren Verfahren – und nur darauf kommt es an – unzulässig präjudizieren könnte.

  7. Leser

    „Dies verdient allerhöchste Anerkennung.“, „beachtliche Leistung“ und „Dieses Strafverfahren hätte nicht und erst recht nicht mit dem hohen Maß an Aufklärung durchgeführt werden können, wenn nicht die Ermittlungsgruppe des Polizeipräsidiums
    Mainz mit ihrem Leiter KR Schweikardt und ihrem Chefermittler im vorliegenden Verfahren KHK Plein ganz außergewöhnliche und überaus professionelle Arbeit unter höchstem persönlichen Einsatz geleistet hätte.“ zur Arbeit der Strafverfolgungsbehörden.

    „Allerdings soll in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben, dass der Senat aufgrund der von Verfassungsgericht und Gesetzgeber gemachten Einschränkungen von der Verwertung einiger – ggf. bedeutsamer – Gesprächspassagen abgesehen hat, ja hat absehen müssen.“ – Wenn er sie nicht berücksichtigen durfte, sollte der Senat sie unerwähnt lassen. Das „müssen“ kann, ja muss man sogar als Anzeichen eines gesetzeswidrigen Wunsches nach Berücksichtigung verstehen. Im folgenden äußert sich der Senat zu seinen politischen Ansichten, wie die Wohnraumüberwachung ausgestaltet sein sollte. Gericht oder politisches Podium?

    „In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Erfahrungen des Senats und seine hierauf basierenden Vorschläge für eine Modernisierung der Strafprozessordnung mit dem Ziel, die Strafverfahren – auch im Sinne der Überlegungendes Bundesgerichtshofs – straffer und effektiver führen zu können, durchaus ein offenes Ohr im politischen Raum bei den zuständigen Gremien finden.“ – Es ist schön, wenn der Senat seine politische Ansichten im politischen Bereich mit Erfolg durchzusetzen vermag. Ist vielleicht auch noch der Vorsitzende zum Schatzmeister des Sportvereins gewählt worden? Befinden der werten Frau Gemahlin gut? Was hat das in einem Urteil zu suchen?

    Man muss kein Strafverteidiger oder Sympathisant von Terrorgruppen sein, um diese Äußerungen kritisch zu sehen. Ein Strafgericht sollte sich solch wenig objektiver Äußerungen enthalten, jdf. an diesem Ort.

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