StPO I: Ohne Einlassung, Feststellungen und Beweise, oder: Setzen, ungenügend!!

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Urheber Photo: Andreas Praefcke

Heute ist hier ein StPO-Tag mit drei BGH-Entscheidungen.

Ich stelle zunächst das BGH, Urt. v. 11.09.2024 – 5 StR 236/24 – vor. Ergangen ist es im Sicherungsverfahren. Das LG Leipzig hat die Unterbringung des Beschuldigten im psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision. Das Rechtsmittel hatte Erfolg:

„Nach der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Antragsschrift der Staatsanwaltschaft Leipzig vom 21. November 2022 liegt dem Beschuldigten zur Last, als Heranwachsender im Zustand der Schuldunfähigkeit in der Nacht vom 14. auf den 15. März 2020 die Tochter der Nebenkläger, Ze., getötet zu haben. Das Landgericht hat sich nicht von der Täterschaft des Beschuldigten überzeugen können und deshalb seine Unterbringung aus tatsächlichen Gründen abgelehnt.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg. Die Revisionsführerin beanstandet zu Recht, dass das Urteil in mehrfacher Hinsicht den rechtlichen Anforderungen nicht entspricht.

1. Das Urteil teilt schon nicht mit, wie sich der Beschuldigte zur Sache eingelassen hat. Dies stellt – auch im Sicherungsverfahren – einen auf die Sachrüge hin zu beachtenden Fehler der Beweiswürdigung dar (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2020 – 4 StR 371/20, NStZ 2022, 228; vom 12. Dezember 2019 – 5 StR 444/19, NStZ 2020, 625).

2. Das Urteil enthält keinen Feststellungsteil, so dass unklar bleibt, von welchem Geschehensablauf sich das Landgericht überzeugt hat und wovon es sich nicht überzeugen konnte. Spricht das Tatgericht einen Angeklagten aus tatsächlichen Gründen frei, muss es regelmäßig in einer geschlossenen Darstellung die als erwiesen angesehenen Tatsachen feststellen, bevor es in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden können; nur so kann das Revisionsgericht die Entscheidung auf mögliche Rechtsfehler nachprüfen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 14. April 2021 – 5 StR 102/20 Rn. 23 mwN). Nichts Anderes kann gelten, wenn das Tatgericht – wie hier – im Sicherungsverfahren die Unterbringung eines Schuldunfähigen wegen Nichterweislichkeit von Anlasstat oder Täterschaft ablehnt. Demgegenüber vermischt das landgerichtliche Urteil einzelne Feststellungen zur Sache mit einer Darstellung von Ergebnissen der Beweisaufnahme, mit deren Würdigung und mit Schilderungen zum Verfahrensgang zu einem letztlich unübersichtlichen Konglomerat. Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe wird nicht klar, wovon sich das Landgericht überzeugt hat.

3. Schließlich werden die für eine Täterschaft des Beschuldigten sprechenden Indizien nicht in der gebotenen Gesamtschau gewürdigt, sondern lediglich einzeln abgehandelt. Der Beweiswert einzelner Indizien ergibt sich jedoch regelmäßig erst aus dem Zusammenhang mit anderen Indizien, weshalb ihrer Inbezugsetzung zueinander im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung besonderes Gewicht zukommt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 2. Februar 2022 – 2 StR 442/21, NStZ-RR 2022, 213 mwN).

4. Auf diesen Rechtsfehlern beruht das Urteil (§ 337 Abs. 1 StPO). Soweit es Feststellungen enthält, waren diese schon deshalb aufzuheben, weil der Beschuldigte sie mangels Beschwer nicht angreifen konnte.“

Wenn man das liest, fragt man sich: Was machen die in Leipzig? Ist denn kein Kammermitglied da, dass die Notleine zieht und darauf hinweist, dass man so ein Urteil nicht begründen kann. In der Schule würde man sagen: Setzen sechs.

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