Pflichti II: Geht eine „kostenneutrale“ Umbeiordnung?, oder: Ja, aber Verzicht muss erklärt werden

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Im zweiten Posting dann wieder einmal etwas zur sog. Kostenneutralen Umbeiordnung, und zwar der LG Braunschweig, Beschl. v. 22.12.2022 – 4 Qs 371/22. Das AG hatte „umbeigeordnet“, allerdings “ mit der Maßgabe, dass der Landeskasse durch die Umbeiordnung keine Mehrkosten entstehen“. Dagegen wendet sich der „umbeigeordnete“ Rechtsanwalt mit Erfolg:

„Die sofortige Beschwerde ist ferner auch begründet.

Die angegriffene gerichtliche Bestimmung, dass für den Beschwerdeführer ein Anspruch auf die bereits entstandenen Verteidigerkosten nicht besteht, findet keine Stütze im Gesetz und ist daher aufzuheben.

Der Wechsel des Pflichtverteidigers ist nunmehr seit Inkrafttreten des Gesetzes vom 10.12.20218 (BGBl. I S. 2128) gesetzlich in § 143 a StPO geregelt. Der hiesige Fall des einverständlichen Pflichtverteidigerwechsels wurde durch das genannte Gesetz zwar nicht explizit geregelt, soll aber nach den von der Rechtsprechung entwickelten Maßgaben weiterhin möglich sein (vgl. BT-Drucks. 19/13829, 47).

Nach diesen Maßgaben ist dem Wunsch des Beschuldigten auf Wechsel des Pflichtverteidigers nachzukommen, wenn der bisherige Pflichtverteidiger damit einverstanden ist und durch die Bestellung des neuen Verteidigers weder eine Verfahrensverzögerung noch Mehrkosten für die Staatskasse verursacht werden (vgl. OLG Stuttgart BeckRS 2017, 130397; KG NStZ 2017,305; 1993, 201; OLG Saarbrücken BeckRS 2016, 18697, OLG Karlsruhe NStZ 2016, 305; OLG Braunschweig BeckRs 2015,15078). Der Begriff der Mehrkosten erfasst nur solche Gebührenpositionen, die durch eine neue Bestellung doppelt entstehen würden (Grund- und Verfahrensgebühr), nicht dagegen Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder (vgl. OLG Celle, BeckRS 2019, 7185). Die erforderliche Kostenneutralität ist gewahrt, wenn der neue Verteidiger auf die bisher für die Pflichtverteidigung angefallenen Gebühren (Grund- und Verfahrensgebühr) verzichtet (vgl. Krawczyk, BeckOK StPO, 37. Edition, Sand 01.07.2020, § 143a Stpo, Rn. 33 ff. m.w.N.).

Diesen Voraussetzungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht, sodass sie keinen Bestand haben kann. Einen Verzicht auf die bereits Rechtsanwalt pp. entstandenen Gebühren hat der Beschwerdeführer nicht erklärt. Er wurde diesbezüglich auch nicht durch das Amtsgericht angehört.

Eine gerichtliche Kompetenz, die Gebühren des neuen Pflichtverteidigers nach Pflichtverteidigerwechsel zu begrenzen, besteht nicht. Vorliegend wäre das Amtsgericht gehalten gewesen, vor der Entscheidung über den Pflichtverteidigerwechsel eine Stellungnahme vom Beschwerdeführer im Hinblick auf die Kostenneutralität des Pflichtverteidigerwechsels einzuholen. Dass dies nicht erfolgt ist, kann nicht zu Lasten des Beschwerdeführers gehen.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert