Staatsschutzsache beim Jugendschöffengericht, oder: Pauschgebühr wegen „besonderer Schwierigkeit“

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Und dann zum Wochenschluss noch etwas fürs Portemonnaie.

Zunächst hier eine Entscheidung des OLG München Pauschvergütung (§ 51 RVG) – ja, es gibt sie doch noch. Und dann auch noch vom OLG München, das m.E. sonst an der Stelle recht „zugeknöpft“ ist. Es geht im OLG München, Beschl. v. 02.01.2023 – 1 AR 280/22 – um die Frage der „besonderen Schwierigkeit“ i.S. von § 51 Abs. 1 RVG bei einem Staatsschutzdelikt eines Jugendlichen.

Der Kollege Riggenmann aus Ausgbrug, der mit die Entscheidung geschickt hat, war Pflichtverteidiger in einem JGG-Verfahren beim Jugendschöffengericht, in dem dem Angeklagten die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat in Tateinheit mit Sichverschaffens einer Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat zur Last gelegt worden ist. Der Kollege hat nach Abschluss des Verfahrens die Gewährung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG beantragt. Das OLG hat für die Tätigkeit als Pflichtverteidiger des Angeklagten im Vorverfahren und im Hauptverfahren eine Pauschgebühr in Höhe von 2.000,00 EUR bewilligt:

„Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 und 3 RVG ist Voraussetzung der Bewilligung einer Pauschgebühr, die über die gesetzlichen Gebühren hinausgeht, dass diese wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache bzw. des betroffenen Verfahrensabschnitts nicht zumutbar ist. Die Bewilligung einer Pauschgebühr stellt dabei die Ausnahme dar; die anwaltliche Mühewaltung muss sich von sonstigen – auch überdurchschnittlichen Sachen – in exorbitanter Weise abheben (BGH, Beschluss vom 11. Februar 2014 – 4 StR 73/10, Rn. 5; Beschluss vom 17. September 2013 – 3 StR 117/12, Rn. 5). Bei der Beurteilung ist ein objektiver Maßstab zu Grunde zu legen (vgl. BVerfG, NJW 2005, 1264, 1265 mwN). Entscheidend ist, ob die konkrete Strafsache selbst umfangreich war und infolge dieses Umfangs eine zeitaufwändigere, gegenüber anderen Verfahren erhöhte Tätigkeit des Verteidigers erforderlich geworden ist. Dabei ist nur der Zeitaufwand berücksichtigungsfähig, der allein aus verfahrensbezogenen Tätigkeiten des Pflichtverteidigers herrührt, nicht hingegen solcher, der seinen Grund in nur verteidigerbezogenen/persönlichen Umständen hat (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 24. August 2010 – 1 AR 2/09, Rn. 18 zitiert nach juris; OLG Hamm, NStZ 2007, 343).

Bei der Festsetzung einer etwaigen Pauschgebühr kommt es hierbei auf eine Gesamtschau der den Pflichtverteidiger be- und entlastenden Umstände an (Senatsbeschluss vom 17.02.2021,1 1 AR 280/22     – Seite 3 -AR 22/21; so auch Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 22. April 2020 – VerfGH 177/19 –, juris; NStZ RR 2020, S. 191/192).

Auch nach Ansicht des Senats handelte es sich nicht um ein besonders umfangreiches Verfahren. Anders als der Antragsteller meint, entspricht der Aktenumfang – auch unter Berücksichtigung der Sonderbände – noch dem für ein erstinstanzliches Verfahren vor dem Jugendschöffengericht senatsbekannt häufigen Umfang. Selbst ein überdurchschnittlicher Aktenumfang vermag nur dann eine Pauschgebühr gem. § 51 Abs. 1 RVG zu begründen, wenn er besonders ist und die gesetzlichen Gebühren für den Pflichtverteidiger ein unbilliges Sonderopfer bedeuten würden. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Jedoch rechtfertigt vorliegend die besondere Schwierigkeit der Sache i.S.d. § 51 Abs. 1 S.1 RVG die Gewährung einer Pauschgebühr. Gegenstand des Verfahrens ist unter anderem ein Staatsschutzdelikt, die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat in Tateinheit mit Sichverschaffens einer Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Bei Erwachsenen ergäbe sich die sachliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts, mit der Folge, dass die Gebühren gemäß VV 4118 zu Anwendung kommen. Bei Erwachsenen ist hierbei der Schwierigkeitsgrad einer Staatsschutzsache zumindest im Grundsatz bereits durch die erhöhten Verfahrens- und Terminsgebühren für Verfahren im ersten Rechtszug vor den Oberlandesgerichten berücksichtigt (Burhoff/Volpert aaO Rdn. 36 bezogen auf die ebenfalls von VV RVG 4118 erfassten Schwurgerichtssachen und Wirtschaftsstrafsachen), ebenso wie die sogenannten Haftzuschläge bei dem inhaftierten Mandanten eine gewisse Kompensation des hierdurch erhöhten Aufwandes intendieren (OLG München Beschl. v. 16.3.2018 – 8 St (K) 3/18, BeckRS 2018, 19729). Eine entsprechende Regelung in Strafverfahren gegen Jugendliche fehlt. Infolge des Tatvorwurfs ist bei der konkreten Strafsache eine zeitaufwändigere, gegenüber anderen Verfahren vor dem Jugendschöffengericht erhöhte Tätigkeit des Verteidigers erforderlich geworden.“

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