Und dann starten wir in die 31. KW., und zwar mit zwei Entscheidungen zu Terminsverlegungsfragen (aus dem OWi-Verfahren).
Zunächst hier der OLG Oldenburg, Beschl. v. 16.06.2022 – 2 Ss (OWi) 95/22. Der Verteidiger des Betroffenen war am 02.02.2022 zur Hauptverhandlung, die auf den 09.02.2022 terminiert war, geladen worden. Er hat dann Verlegung des Hauptverhandlungstermins beantragt, was abgelehnt worden ist. Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde hatte Erfolg:
„Jedoch greift die von dem Betroffenen erhobene Verfahrensrüge durch, mit der er den Verstoß gegen das Recht beanstandet, sich in der Hauptverhandlung durch einen gewählten Verteidiger vertreten zu lassen (Art. 6 Abs. 3 lit. c MRK, 137 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG).
Gemäß § 137 Abs. 1 S. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG kann sich ein Betroffener in jeder Lage des Verfahrens des Beistands durch einen Verteidiger bedienen. Aber selbst im Strafverfahren hat nicht jede Verhinderung des gewählten Verteidigers zur Folge, dass eine Hauptverhandlung gegen den Angeklagten nicht durchgeführt werden kann (vgl. BGH NStZ 199, 527). In diesen Fällen sind vielmehr das Interesse des Betroffenen an seiner Verteidigung und das Interesse des Staates an einer möglichst reibungslosen Durchführung des Verfahrens gegeneinander abzuwägen, wobei im Zweifelsfall das Verteidigungsinteresse Vorrang hat (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28. Februar 2019, 4 RBs 71/19, zit. n. juris). Dabei sind unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die Bedeutung der Sache, die Persönlichkeit des Betroffenen, die Prozesssituation, die Veranlassung der Verhinderung, die Dauer der Verzögerung, der Umfang der Behinderung der Verteidigungsmöglichkeit und das Verhalten des Betroffenen und seines Verteidigers hierzu u.Ä. in Rechnung zu stellen (vgl. BbgOLG, Beschluss vom 23. März 2012 – 1 Z 54/12 – m.w.N.).“ (OlG Brandenburg, BeckRS 2020, 35233).
Im vorliegenden Fall ist zum einen zu berücksichtigen, dass gegen den Betroffenen immerhin eine Geldbuße in Höhe von 290 € verhängt worden ist und Fragen der Ladungssicherung mitunter schwierig zu beurteilen sind. Insbesondere fällt aber ins Gewicht, dass der Verteidiger erst am 02.02.2022 zum Hauptverhandlungstermin am 09.02.2022 geladen worden ist und im Rahmen seines erstmaligen Verlegungsantrages belegt hatte, dass er bereits zuvor eine Ladung für eine Strafsache beim Amtsgericht Cloppenburg erhalten hatte. Hinzu kommt, dass die Sitzungstage bis Ende Mai 2022 lediglich „weitgehend belegt“ gewesen wären, somit eine Terminierung sogar noch bis Ende Mai nicht ausgeschlossen gewesen wäre.
Letztlich hätte die Hauptverhandlung ohnehin bei einem entsprechenden Antrag ausgesetzt werden müssen, da die Ladungsfrist des Verteidigers nicht eingehalten worden war ( §§ 218, 217 StPO ).
Unter Berücksichtigung dieser Umstände hätte das Amtsgericht dem Verlegungsantrag stattgeben müssen. Da es dies nicht getan hat, hat es das Recht des Betroffenen auf Verteidigung verletzt.“
Wegen Nr. 5115 VV-RVG Ladungen immer mit zwei Wochen plus X Vorlauf. Wie soll der Kollege sonst rechtzeitig zurücknehmen 😉