Und dann zum Wochenschluss – na ja, noch nicht ganz – noch zwei Entscheidungen mit gebührenrechtlichem Einschlag.
Zunächst hier der LG Osnabrück, Beschl. v. 24.01.2022 – 9 T 466/21 – zu einer Problematik in Zusammenhang mit der Beratungshilfe. Ist ja im Strafverfahren nicht ganz so häufig, aber sie kommt auch immer wieder vor. U.a. darum stelle ich den Beschluss vor:
Dem Rechtssúchen wird vom AG antragsgemäß ein Berechtigungsschein für die Beratungshilfe (wegen einer Kündigung aufgrund von Eigenbedarf) erteilt. Der Rechtsanwalt führt die Beratung durch und macht dann über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) beim AG Antrag seinen Vergütungsanspruch gegenüber der Landeskasse geltend. Dem Antrag war als eingescanntes Dokument eine Abbildung des Berechtigungsscheins beigefügt. Nachrichtlich teilte der Beschwerdeführer mit, das Original des Berechtigungsscheins befinde sich bei ihm und werde nach Zahlungseingang entwertet, was anwaltlich versichert werde. Die zuständige Urkundsbeamtin lehnt den Vergütungsantrag ab, weil der Berechtigungsschein nicht im Original vorgelegt worden sei. Die dagegen eingelegte Erinnerung des Rechtsanwalts weist der Amtsrichter zurück. Die Beschwerde hatte dann aber beim LG Osnabrück Erfolg.
„Mit der inzwischen wohl herrschenden Meinung ist die Kammer der Ansicht, dass der Antragsteller bei einem elektronisch eingereichten Antrag auf Festsetzung der Beratungshilfevergütung, dem der Berechtigungsschein als eingescanntes Dokument beigefügt ist, das Original des Berechtigungsscheins grundsätzlich nicht vorzulegen hat. Insoweit folgt die Kammer insbesondere der Entscheidung des OLG Saarbrücken mit Beschluss vom 16.12.2019. Die Kammer macht sich die Begründung des OLG nach Maßgabe der weiter nachfolgenden Ausführungen vollumfänglich zu eigen (vgl. zitiert nach juris, dort Rn. 11 bis15 sowie MDR 2020, 634 f.). Diese Auffassung hat zuvor bereits Hansens in seiner ablehnenden Anmerkung zu der erstinstanzlichen Entscheidung des LG Saarbrücken, Beschluss vom 28.08.2019 (5 T 83/19), RVGreport 2019, 478 ff. vertreten und zutreffend ausgeführt, nirgends sei normiert, auch nicht in den Regelungen der Beratungshilfeformularverordnung (BerHFV), dass das Original vorzulegen sei. Dieser Auffassung sind im Ergebnis auch: Gottschalk/Schneider, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 10. Auflage 2022, Rn. 1302; Volpert in Burhoff/Volpert, 6. Auflage 2021, Beratungshilfe, Rn. 523; Biallaz in: Ory-Weth, jurisPK-ERV Bd. II, 1. Auflage, § 14 FamFG (Stand: 01.09.2020) Rn. 61; Lissner, RVGreport 2020, 2 (6).
Zwar ist nach § 1 Nr. 2 BerHFV im Bereich der Beratungshilfe von der der Beratungsperson für den Antrag auf Zahlung einer Vergütung das in Anlage 2 bestimmte Formular zu verwenden und in dem Formular ein Text anzukreuzen, nach dem der Berechtigungsschein im Original beigefügt sei. Jedoch hat — anders als damals das Saarland — das Land Niedersachsen mit Erlass des MJ vom 15.07.2005 (Az.: 5650-204.19, Fassung vom 16.12.2016, gültig seit dem 01.07.2017, (Nds. Rpfl. 2005, Nr. 8, S. 244) zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 16.12.2016 (Nds. Rpfl. 2017, Nr. 1 S. 10)) zur Vergütung bei Beratungshilfe zu Ziffer 1. Satz 1 angeordnet, der Festsetzungsantrag könne auch mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung erstellt werden oder von einem amtlichen Formular abweichen, wenn er inhaltlich diesem entspreche. Da in Niedersachsen nicht einmal das Original der Anlage 2 der BerHFV verwendet werden muss, spricht dies umso mehr dafür, dass es keine Regelung gibt, nach der zwingend der Beratungshilfeschein im Original vorzulegen ist.
Der in der vorgenannten Entscheidung des OLG Saarbrücken genannte Ausnahmefall liegt nicht vor. Dem Akteninhalt lässt nicht entnehmen, die ursprünglich tätig gewesene Urkundsbeamtin habe das Original des Berechtigungsscheins zur Glaubhaftmachung der tatsächlichen Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs der Beratung sperson für erforderlich gehalten. Es ist davon auszugehen, dass ihre ablehnende Entscheidung nach dem knappen Inhalt formal auf das Fehlen des Originals abstellt. Zudem hat der Beschwerdeführer in dem Antrag mitgeteilt, er versichere anwaltlich, dass sich das Original des Berechtigungsscheins bei ihm befinde und nach Zahlungseingang entwertet werde.
Eine doppelte Liquidation ist bereits aus dem vorgenannten Gründen nicht zu erwarten. Zudem ist die Festsetzung der Gebühren und Auslagen nach dem o. g. Erlass des MJ vom 15.07.2005 zur Vergütung bei Beratungshilfe zu Ziffer 1. Satz 2 zur Durchschrift des Berechtigungsscheins zu nehmen. Nach § 25 Abs. 1 und 3 Aktenordnung (Az. 1454 — 102. 12 vom 17.12.2019, Nds. Rpfl. 2020, 50) i. V. m. der Liste 4a, dort Ziff. 7 bis 9 sind in Angelegenheiten der Beratungshilfe die gebührenrelevanten Tatbestände zu vermerken (siehe auch die Erläuterungen zu Ziffer 3. der Liste 4a).“
Die Kammer hat die weitere Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Fragen aus § 33 Abs. 6 Satz 1 RVG zugelassen. Dazu darf sich dann demnächst das OLG Oldenbrug äußern.
Und: Wir hatten schon: Beratungshilfe, oder: In welcher Form muss der Berechtigungsschein beim elektronischen Festsetzungsantrag beigefügt werden?