„Unsere“ StPO nach der 18/19. Legislaturperiode, oder: Ist die StPO effektiver, moderner, fortentwickelt?

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Ich hatte ja heute morgen über die letzte Bundesratssitzung und das dort beschlossene Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung – Erweiterung der Wiederaufnahmemöglichkeiten zuungunsten des Verurteilten gemäß § 362 StPO und zur Änderung der zivilrechtlichen Verjährung (Gesetz zur Herstellung materieller Gerechtigkeit). berichtet (vgl. hier: News I: Wiederaufnahme zuungunsten des Freigesprochen kommt, oder: Materielle Gerechtigkeit?).

Das und das nahende Ende der 19. Legislaturperiode ist Anlass zu einer kleinen Rückschau. Denn das o.a. Gesetz ist m.E. der Schlusspunkt in einer unheilvollen Geschichte der Änderungsgesetze zur StPO in der 18. und der ablaufenden 19. Legislaturperiode, denn: Man hat

  • (noch in der 18. Legislaturperiode) durch das „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ vom 17.8.2017 (BGBl I, S. 3202)“ die StPO effektiver und praxistauglicher gestalten wollen.

Frage: Hat man wirklich oder hat man nicht nur im Interesse einer schnelleren Justiz Angeklagtenrechte beschnitten? (dazu hier: Sondermeldung: Die Änderungen der StPO 2017 sind da – und dazu gleich ein Ebook),

  • dann durch das „Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens“ v. 10.12.2019“ (BGBl I, S. 2121) die StPO „modernisiert“.

Frage auch hier: Hat man wirklich oder hat man auch mit diesem Gesetz nicht nur im Interesse einer schnelleren Justiz Angeklagtenrechte beschnitten? (vgl. dazu auch hier: News, News, News: “Modernisierung der StPO” und “Änderung der Pflichtverteidigung” morgen in Kraft, oder: Hier gibt es schon ein Ebook) m.w.N.

  • und schließlich durch das „„Gesetz zur Fortentwicklung der StPO u.a.“ v. 25.6.2021 (BGBl. I, S. 2099) die StPO „fortentwickelt.

Frage hier nochmals: Hat man wirklich fortentwickelt, oder hat man……..? (vgl. dazu hier Das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens, oder: Ein Überblick – 10 Punkte).

Die drei Fragen nach der Beschneidung der Rechte des Beschuldigten muss man m.E. eindeutig mit Ja beantworten. Vieles/manches ist eben auf dem Altar der schnelleren Erledigung von Verfahren geopfert worden, ich erinnere an den Richtrevorbehalt, die Änderungen im Ablehnungsrecht und bei der Besetzungsrüge. Wenn man das mit „effektiver und praxistauglicher“, „moderner“ und „fortentwickeln“ meint, dann stimmen die Namen der Gesetze. Ansonsten sind sie „Augenwischerei“, wie wir sie häufig aus dem BMJV lesen können in Gesetzesbezeichnungen, die nichts anderes tun (wollen), als die wahren Absicht zu kaschieren. Leider.

Nun, die Praxis (der Verteidigung) muss mit diesen effektiveren, praxistauglicheren, moderneren und fortentwickelten Verfahrensregelungen leben. Richter und Staatsanwälte übrigens auch. Man wird das Beste darauf machen müssen.

Wenn man sich fragt: Wie wird es in der 20. Legislaturperiode weitergehen? Man weiß es nicht. Aber: Egal, wer ins Kanzleramt mit wem einzieht. Man sollte nichts Gutes erwarten. Wohl klingende Namen wird er sicherlich noch genug geben. Wie wäre es mit „Gesetz zur Vereinfachung des Ablaufs des Strafverfahrens“ oder mit „Gesetz zur Herstellung der Opfergerechtigkeit“ oder auch – aber dann wäre man ehrlich -: „Gesetz zu effektiveren und praxistauglichen Beschleunigung des Strafverfahrens“?

Abschließend: Und nun soll mir niemand damit kommen, dass man aber für Rechtsanwälte und Verteidiger mit dem KostRÄG 2021 v. 21.12.2020 (BGBl I, S. 3229) ja einiges getan habe (vgl. dazu hier Sondermeldung: KostRÄG heute im BGBl., oder: Inkrafttreten am 01.01.2021 sicher m.w.N.). Denn das interessiert den Beschuldigten wahrscheinlich wenig und ist zudem m.E. falsch. Denn die lineare Erhöhung der anwaltlichen Gebühren um 10 % nach mehr als 10 Jahren ist lächerlich. Das mag der DAV als Erfolg feiern, ich nicht.

4 Gedanken zu „„Unsere“ StPO nach der 18/19. Legislaturperiode, oder: Ist die StPO effektiver, moderner, fortentwickelt?

  1. meine5cent

    Nicht nur das kostrÄG. Pflichtverteidigung erheblich ausgeweitet, Aufzeichnung von Vernehmungen ausgeweitet, Revisionsbegründungsfrist verlängert. Sollte man bei allem Unmut nicht vergessen. Und im Beweisantragsrecht wurde teils nur Rechtsprechung ( Konnexität…) kodifiziert. Aus Angeklagten ( Verfahrenskosten) u. Verteidigersicht vielleicht auch angenehm: Nebenklagevertretung gebündelt.

  2. Detlef+Burhoff

    Pflichtverteidiger, ja, weil die EU es vorgegeben hat. Und man nur das Nötigste getan. Und die Gerichte und StA interessiert teilweise noch nicht mal das.

    Beweisantrag, Ja sicher, die Fristsetzung hatte ich vergessen.

    Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist? Ja, aber wie?

  3. RA Markus Stamm

    Ich habe mir in der Arbeitskreissitzung eines Verbandes einmal die Bemerkung gegenüber einem MdB erlaubt (zum Praxistauglichkeitsgesetz 2017), daß der Gesetzgeber schon wieder mit der Kettensäge an die Beschuldigten- und Angeklagtenrechte ging. Frage des MdB, darauf – ob ich bestreiten wolle, daß mit Ablehnungsgesuchen Mißbrauch getrieben werde? Ich habe das nachdrücklich bestritten und um konkrete Fälle gebeten. Diese konnten natürlich nicht gebracht werden. Ich habe auch darauf hingewiesen, daß es wohl nicht die Schuld der Angeklagten ist, wenn ein Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt sei und daß bereits das Grundgesetz verbietet, jemanden seinem gesetzlichen Richter zu entziehen. Ich habe den Eindruck, daß die damit zusammenhängenden Verfahrensrechte allenfalls als lästige Diskussionsgrundlage gesehen wurden.

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