In die neue Woche starte ich dann mit zwei Entscheidungen zur Durchsuchung. Hier zunächst das AG Osnabrück, Urt. v. 17.03.2021 – 207 Ls (1366 Js 67580/18) 365/20. Das Urteil ist zwar schon etwas älter, aber die mit dem Richtervorbehalt und einem Beweisverwertungsverbot bei Nichtbeachtung zusammenhängenden Fragen sind in der Praxis immer von Bedeutung.
Folgender Sachverhalt: Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, im Zeitraum vom 01.08.2018 bis 07.12.2018 in Osnabrück in zwei Fällen mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG Handel getrieben zu haben, sowie in einem Fall (Fall 1) Betäubungsmittel in nicht geringer Menge ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG besessen zu haben und sich somit gemäß den §§ 1, 3, 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, §§ 52, 53 StGB strafbar gemacht zu haben.
Von den Vorwürfen hat das AG den aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
„Nach Vernehmung der beiden Zeugen PK’in pp. und PK pp. konnte festgestellt werden, dass die beiden Polizeibeamten aufgrund eines Hinweises eines Mitmieters des Mehrfamilienhauses am 07.12.2018 gegen 12:30 Uhr das Mehrfamilienhaus an der Adresse pp. aufgesucht haben. Vor Ort sind die beiden auf den Hinweisgeber, der ihnen mitgeteilt hat, dass er seit einiger Zeit Cannabisgeruch im Hausflur des Mehrparteienhauses festgestellt habe, gestoßen. Er hatte eine Wohnung im zweiten OG bzw. DG im Verdacht. Die beiden Beamten haben bereits im Hausflur Cannabisgeruch feststellen können und sich sodann alleine ins Dachgeschoß begeben. Dort hat sich nach Angaben der beiden der Geruch erheblich verstärkt und sie seien sich sicher gewesen, dass der Geruch aus der Wohnung des Angeklagten gekommen sei. Die Zeugin PK’in pp. hat diesbezüglich bekundet, dass der Geruch regelrecht durch die Ritzen der Tür herausgezogen sei. Der Zeuge PKpp. hat bekundet, dass sich im Dachgeschoß noch eine weitere Wohnung befunden habe und man aus diesem Grund an den Türen gerochen habe. Dabei habe man festgestellt, dass der Geruch an der Tür des Angeklagten sehr massiv gewesen sei. Ohne zuvor einen Durchsuchungsbeschluss zu erwirken haben die beiden Polizeibeamten sodann an der Wohnung des Angeklagten geklingelt und dieser hat die Tür geöffnet. In diesem Moment habe sich der Geruch, nach Angaben der Polizeibeamten, auch noch verstärkt. Es konnte im Rahmen der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden, ob der Angeklagte in diesem Moment die Polizeibeamten freiwillig in seine Wohnung gelassen hat oder aber ihnen den Zutritt verwehrt hat. Beide Polizeibeamten konnten dazu keine Angaben mehr machen. Aus dem Bericht des Polizeibeamten PKpp. ergibt sich auch kein eindeutiges Bild. Da der Polizeibeamte jedoch aufgenommen hat, das „aufgrund von Gefahr im Verzug die Wohnung betreten worden sei“, ist das Gericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte weder ausdrücklich gesagt hat, dass die Beamten seine Wohnung betreten dürfen, noch das er ausdrücklich gesagt hat, dass sie draußen bleiben sollen.
Die beiden Polizeibeamten, die in diesem Moment Gefahr im Verzug angenommen haben, haben sodann die Wohnung betreten und konnten dort diverse abgeerntete Cannabispflanzen, verkaufsfertiges Cannabis und eine Plantage mit neuen Setzlingen feststellen. Nach Belehrung hat der Angeklagte angegeben, dass er das Cannabis zum Eigenkonsum angebaut habe, da er an Multipler Sklerose leidet.
Im vorliegenden Fall liegt ein Beweiserhebungsverbot vor. Mangels eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses hätte die Wohnung nicht durchsucht werden dürfen, da keine Gefahr im Verzug vorlag. Die beiden Polizeibeamten haben übereinstimmend bekundet, dass ihnen bereits bevor die Tür durch den Angeklagten geöffnet worden sei, klar gewesen sei, dass der Cannabisgeruch ganz eindeutig aus der Wohnung des Angeklagten gekommen sei. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich gewesen, dass der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt bereits erkannt hatte, dass sich die Polizei vor seiner Wohnung befindet.
Die Polizeibeamten hätten somit ausreichend Zeit gehabt, einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss zu erwirken. Gefahr im Verzug bestand erst ab dem Zeitpunkt, ab dem die Polizeibeamten geklingelt und der Angeklagte die Tür geöffnet hatte. Diese Situation haben die Polizeibeamten jedoch selbst herbeigeführt.
Das Beweiserhebungsverbot führt hier auch zu einem Beweisverwertungsverbot. Zwar ist dem Strafverfahrensrecht ein allgemeiner Grundsatz, dass jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht fremd. Die Annahme eines Verwertungsverbotes schränkt eines der wesentlichen Prinzipien des Strafverfahrensrechts ein, nämlich den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu strecken hat, die von Bedeutung sind. Der Rechtsstaat kann sich nur verwirklichen, wenn ausreichende Vorkehrungen dafür getroffen sind, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden. Daran gemessen bedeutet ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist. Die Annahme eines Beweisverwertungsverbotes ist von Verfassungs wegen nur bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, bei denen die grundrechtliche Sicherung planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden sind, geboten (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.06.2016, Az. 3 RVs 46/16, so auch BGH, Urteil vom 06.12.2016 – 2 StR 46/15).
Im vorliegenden Fall stellt die Vorgehensweise der Polizeibeamten eine – einer willkürlichen und zielgerichteten Umgehung des Richtervorbehalts gleichgewichtigen – gröbliche Missachtung dieses Vorbehalts dar. Den beiden Polizeibeamten war klar, dass der Geruch aus der Wohnung des Angeklagten stammt. Insoweit bestanden keine Zweifel. Darüber hinaus war ihnen auch klar, dass in dem Moment, in dem sie an der Tür klingeln und der Angeklagte erkennt, dass Polizeibeamte vor seiner Tür stehen, sie sofort die Wohnung betreten müssen, da in diesem Moment die Gefahr des Beweismittelverlustes durch Vernichtung der Betäubungsmittel droht. Es war für die Polizeibeamten unzweifelhaft und leicht zu erkennen, dass in einer solchen Situation zuvor ein Durchsuchungsbeschluss eingeholt werden muss und man nicht die Gefahr im Verzug selbst provozieren darf um sich sodann auf sie zu berufen. Auch die Tatsache, dass im vorliegenden Fall ein Durchsuchungsbeschluss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erlassen worden wäre, ändert nichts daran, dass hier ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen ist. Der Hypothese eines möglichen rechtmäßigen Ermittlungsverlaufs kommt bei grober Verkennung von Bedeutung und Tragweise des Richtervorbehalts im Rahmen der Abwägungsentscheidung über ein Beweisverwertungsverbot nämlich keine Bedeutung zu (so auch BGH, Urteil vom 06.10.2016 – 2 StR 46/15).
Das Beweisverwertungsverbot erstreckt sich auf alle in der Wohnung vorgefundenen Beweismittel und auch auf die Angaben, die der Angeklagte nach dem Betreten seiner Wohnung durch die Polizeibeamten im Rahmen der Durchsuchung gemacht hat bzw. die Bekundungen der Polizeibeamten, die sich zu diesen Angaben des Angeklagten verhalten. ….. „