Und dann – bevor es morgen RVG-Entscheidungen gibt – noch ein „normaler“ Tag. An dem werde ich heute Entscheidungen vorstellen, die mit „Einziehung“ (§§ 73 ff. StGB) zu tun haben.
Ich beginne mit dem KG, Beschl. v.23.11.2020 – (4) 121 Ss 165/20 (205/20) -, den mir der Kollege O. Sydow aus Berlin geschickt hat. Das Jugendschöffengericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen und ihn angewiesen, an einem sozialen Kompetenztraining, teilzunehmen. Ferner hat es „das sichergestellte Handy und die beschlagnahmten 30 € Handelserlös“ eingezogen. In den Urteilsgründen findet sich (nur) die Feststellung, dass der Angeklagte das. abgeurteilte Handelsgeschäft über „das sichergestellte iPhone 7 Plus mit Schutzhülle, SIM-Karte und mit der IMEI ppp., das dem Angeklagten gehörte“ vereinbart habe. Die Einziehungsentscheidungen hat das Amtsgericht wie folgt begründet: „Die Einziehung von 30,00 € basiert auf § 73 Abs. 1 StGB, jene des Mobiltelefons auf § 74 Abs. 1 StGB“.
Das reicht dem KG so nicht. Es hat den Rechtsfolgenausspruch aufgehoben:
2. Zu Recht beanstandet die Revision, dass das angefochtene Urteil hinsichtlich der getroffenen Einziehungsentscheidung des. Mobiltelefons keine Erwägungen enthält, die über die Nennung der Vorschrift des § 74 Abs. 1 StGB hinausgehen. Dafür, dass das Jugendschöffengericht sich des ihm nach § 74 Abs. 1 StGB eröffneten Ermessens überhaupt bewusst war, lässt sich den Urteilsgründen nichts entnehmen (vgl. KG, Beschluss vom 30. Juli 2020 – (5) 161 Ss 74/20 (31/20) -).
Es entspricht indes (auch) der kammergerichtlichen Rechtsprechung, dass, wenn die Einziehung nicht zwingend vorgeschrieben ist, das Urteil erkennen lassen muss, dass sich der Tatrichter der Befugnis, nach seinem Ermessen zu entscheiden, bewusst gewesen ist. Die Erwägungen, die der Ermessens-entscheidung zugrunde liegen, sind in dem Urteil darzulegen. In diesem Rahmen bedarf es auch sowohl der nachvollziehbaren Auseinandersetzung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als auch des Tätigens von Angaben zum Wert des Einziehungsgegenstandes oder solcher, auf deren Basis der Wert geschätzt werden kann (KG, Beschluss vom 5. April 2019 – (3) 161 Ss 28/19 (20/19) -). Dies lässt das angefochtene Urteil vermissen, weshalb der diesbezügliche Ausspruch keinen Bestand haben kann.
3. Der dargelegte Mangel des Urteils führt aus dem oben zu 1. genannten Grund zur Aufhebung der gesamten Rechtsfolgenaussprüche. Das neue Tatgericht wird diese auch in ihrer Wechselwirkung neu zu beurteilen haben; es liegt dabei nicht fern, dass es erneut zu einer Einziehungsentscheidung gelangt. Das Ansinnen der Revision, dass der Strafsenat selbst die Entscheidung treffen möge, von einer Einziehung abzusehen, ist zurückzuweisen, zumal das Vorbringen, das Gerät gehöre nicht dem Angeklagten, sondern dessen Mutter, als urteilsfremd keine Berücksichtigung finden kann.
Das Urteil ist mithin in den Rechtsfolgenaussprüchen mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache gemäß § 354 Abs. 2 S. 1 StPO an eine andere Jugendabteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.“
Der Senat tritt diesen Ausführungen, die auch seiner Rechtsprechung entsprechen (vgl. etwa Beschluss vom 29. November 2019 — [4] 161 Ss 115/19 [203/19] —), bei; er entscheidet deshalb (unter weiterer Anwendung des § 349 Abs. 4 StPO) gemäß dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft.
Das neu mit der Sache befasste Gericht wird die Gelegenheit haben, die Vorausset-Zungen des § 74 Abs. 3 Satz 1 StGB unter Auswertung aller aktenkundigen Umstände in nachprüfbarer Weise zu begründen; hierbei wird es bedenken können, dass allein die Tatsache, dass der Erwerb des Smartphones durch die Mutter des Angeklagten zu einem Zeitpunkt erfolgte, als dieser noch 16-jährig war, entgegen der Auffassung der Revision nicht notwendig gegen das Vorliegen dieser Voraussetzungen sprechen muss. Zudem ist bei erneuter Einziehungsentscheidung zu beachten, dass ein einzuziehender Gegenstand (schon) im Urteilstenor so genau zu bezeichnen ist, dass bei allen Beteiligten und der Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht (vgl. KG, Beschluss vom 30. Juli 2020, aaO, mwN); dass sich die erforderliche Individualisierung notfalls auch unter Zuhilfenahme der Urteilsgründe ergeben kann (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2020 — 6 StR 71/20 — [juris] mwN), ändert nichts an dem grundsätzlichen Erfordernis der Vollstreckbarkeit des Urteils schon anhand eines hinreichend klaren Entscheidungssatzes.“