Und als zweite Entscheidung dann noch der LG Aachen, Beschl. v. 26.05.2021 – 60 Qs 18/21. Das LG nimmt umfangreich zur Gebührenbemessung nach § 14 RVG Stellung. Hier sollen dann die ebenfalls umfangreichen Leitsätze reichen, nämlich:
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In strafprozessualen Kostenfestsetzungsverfahren besteht eine Abhilfemöglichkeit nicht. Ein gleichwohl erlassener Nichtabhilfebeschluss ist im Hinblick hierauf (deklaratorisch) aufzuheben.
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Dem Verteidiger steht gegen einen den Antrag auf Festsetzung der Wahlverteidigervergütung teilweise ablehnenden Kostenfestsetzungsbeschluss keine Beschwerderecht zu (Anschluss an LG Saarbrücken, Beschluss vom 7. November 2012 – 2 Qs 40/12; LG Hagen, Beschluss vom 6. Juli 2016 – 44 Qs 65/16). Zu Gunsten des ehemaligen Angeklagten ist ein von dem Verteidiger im eigenen Namen eingelegtes Rechtsmittel daher so auszulegen, dass dieses (auch) im Namen des ehemaligen Angeklagten eingelegt worden ist.
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Die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit, einen Beruf auszuüben, ist untrennbar mit der Freiheit verbunden, eine angemessene Vergütung zu fordern. Gesetzliche Vergütungsregelungen und ihre Anwendung durch die Fachgerichte sind daher am Maßstab dieses Grundrechts zu messen (BVerfG, Kammerbeschuss vom 19. August 2011 – 1 BvR 2473/10).
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Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt in Verfahren, für welche die RVG-VV eine (Betrags-)Rahmengebühr vorsieht, die Höhe der Gebühr innerhalb des vorgegebenen Rahmens unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr von einem Dritten (hier: der Landeskasse), zu erstatten, ist gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung der Gebührenhöhe nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Unbillig ist der Gebührenansatz dann, wenn die beantragte Gebühr um mehr als 20 % über der angemessenen Höhe liegt.
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Darüber hinaus liegt eine vom ersatzpflichtigen Dritten zu tolerierende Gebührenbestimmung durch den Rechtsanwalt nur dann vor, wenn sie aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles in Verbindung mit den Bemessungskriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG getroffen worden ist. Liegt eine solche Ermessensentscheidung nicht vor (hier: pauschale Erhöhung der Gebührentatbestände aufgrund einer psychischen Erkrankung des Mandanten ohne Berücksichtigung der hierdurch jeweils abgegoltenen Tätigkeit), ist die vom Verteidiger vorgenommene Gebührenbestimmung auch dann unbillig, wenn sie die Toleranzgrenze von 20 % nicht überschreitet (Anschluss an OLG Stuttgart, Urteil vom 19. April 2012 – 2 U 91/11; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. April 1998 – 1 Ws 148/98; LG Tübingen, Beschluss vom 15. Juni 2016 – 9 Qs 37/16).
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Sind wesentliche Bemessungskriterien des § 14 Abs. 1 RVG als eher unterdurchschnittlich anzusehen und ist aufgrund einer psychischen Erkrankung des Mandanten ausschließlich die Informationsbeschaffung im Rahmen des Erstgesprächs als überdurchschnittlich anzusehen, kann auch unter Berücksichtigung rechtlicher Schwierigkeiten des Rechtsfalles davon auszugehen sein, dass unter Berücksichtigung des konkreten Umfangs der entfalteten anwaltlichen Tätigkeit bezogen auf den Abgeltungsbereich der Grundgebühr im Vergleich sämtlicher Strafverfahren einschließlich Schwurgerichts- oder Wirtschaftsstrafverfahren insgesamt der Ansatz einer Mittelgebühr angemessen ist (sog. Kompensationstheorie; Anschluss an OLG Saarbrücken, Beschluss vom 16. Januar 2014 – 1 Ws 254/13).
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Ist der später freigesprochene Angeklagte einem Hauptverhandlungstermin unentschuldigt ferngeblieben, hat er keinen Anspruch auf Erstattung der auf diesen Tag entfallenden Gebühren und Auslagen seines Verteidigers. Die von dem Verteidiger entfaltete Tätigkeit stellt sich in diesem Fall als zwecklos dar. Die hierdurch entstandenen Gebühren sind daher keine erstattungsfähigen notwendigen Auslagen i.S. des § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO i.V. mit § 91 Abs. 2 ZPO (Anschluss an LG Osnabrück, Beschluss vom 16. September 1997 – 2 Qs 36/97; AG Koblenz, Beschluss vom 28. Februar 2007 – 2060 Js 49013/04 und AG Tiergarten, Beschluss vom 11. Januar 2016 – 232b Ds 10/15).
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