Es ist heute zwar Pfingstmontag und damit Feiertag, aber ich lasse hier dann mal das „normale Programm“ laufen. Und das heißt heute wieder: Corona bzw. Entscheidungen, die mit Corona zu tun haben.
Und zunächst will ich dann auf einen Beschluss des OLG Jena zu dem Thema hinweisen, und zwar auf den OLG Jena, Beschl. v. 14.05.2021 – 1 UF 136/21. Das ist die „Rechtsmittelentscheidung“ zu dem – in meinen Augen falschen und nicht nachvollziehbaren – AG Weimar, Beschl. v. 08.04.2021 – 9 WF 148/21 (vgl. dazu hier: Corona I: AG Weimar und AG Wuppertal melden sich, oder: Zwei etwas “ungewöhnliche” Entscheidungen).
Das OLG hat – wie m.E. nicht anders zu erwarten – den AG Weimar-Beschluss aufgehoben. Leider liegt der Volltext zu der Entscheidung noch nicht vor. Daher muss ich mich hier auf die PM des OLG beschränken. Tue ich ja nur selten, aber in dieser Sache mache ich dann mal wieder eine Ausnahme. In der PM heißt es:
„Keine Zuständigkeit der Familiengerichte zur Überprüfung von Corona-Schutzmaßnahmen an Schulen
Das OLG Jena hatte sich mit einer Beschwerde des Freistaates Thüringen gegen einen Beschluss des AG Weimar zu befassen.
Die Eltern von zwei Kindern, die in Weimar zur Schule gehen, hatten beim Familiengericht Weimar angeregt, von Amts wegen zu deren Schutz ein Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung einzuleiten. Sie vertreten die Ansicht, das körperliche, seelische und geistige Wohl der Kinder und aller weiteren Kinder, die die gleichen Schulen wie ihre Söhne besuchen, sei aufgrund der Anordnungen zum Tragen eines Mund- und Nasenschutzes und zur Wahrung räumlicher Distanz gefährdet. Deshalb haben sie eine Rechtmäßigkeitsüberprüfung der diesen Anordnungen zugrundeliegenden Vorschriften, insbesondere der Dritten Verordnung über außerordentliche Sondermaßnahmen zur Eindämmung einer sprunghaften Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2, gültig ab 15.12.2020, zuletzt geändert am 12.3.2021, angeregt.
In dem daraufhin eingeleiteten Eilverfahren hat das Familiengericht den Lehrern, den Schulleitungen sowie deren Vorgesetzten einstweilen untersagt, das Maskentragen, die Einhaltung von Mindestabständen und die Teilnahme an Schnelltests zur Feststellung des Virus SARS-CoV-2 anzuordnen oder vorzuschreiben. Weiter gebot es den Leitungen und den Lehrern der von den beteiligten Kindern besuchten Schulen, den Präsenzunterricht aufrechtzuerhalten. Das Familiengericht ist bei seiner Entscheidung von der eigenen Zuständigkeit ausgegangen und hat seine Anordnungen mit einer gegenwärtigen Kindeswohlgefährdung durch die von den Eltern kritisierten Maßnahmen und dem Unvermögen der Eltern, diese Gefahr von den Kindern abzuwenden, begründet.
Auf die sofortige Beschwerde des Freistaates Thüringen hat das Thüringer Oberlandesgericht mit Beschluss vom 14.05.2021 den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Weimar vom 09.04.2021 aufgehoben, den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und das Verfahren eingestellt.
Zur Begründung führt das Oberlandesgericht aus, dass das Amtsgericht vor einer Sachentscheidung gehalten gewesen wäre, vorab über seine Zuständigkeit zu entscheiden. Für das mit der Anregung der Eltern verfolgte Ziel, zum Schutz der Kinder schulinterne Maßnahmen, wie die Anordnung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und die Abstandsregeln, außer Kraft zu setzen und die Rechtmäßigkeit der diesen Anordnungen zugrundeliegenden Vorschriften zu überprüfen, fehle es an einer Regelungskompetenz des Familiengerichtes. Im Rahmen des schulrechtlichen Sonderstatusverhältnisses seien die zuständigen Behörden an die das Kindeswohl schützenden Grundrechte gebunden. Die gerichtliche Kontrolle dieses Behördenhandelns – auch hinsichtlich von Gesundheitsschutzmaßnahmen in den jeweiligen Schulen – obliege allein den Verwaltungsgerichten.
Eine Befugnis des Familiengerichts zum Erlass von Anordnungen zur Durchsetzung des Kindeswohls gegenüber Behörden bzw. Beamten dieser Behörden folge insbesondere nicht aus § 1666 Abs. 4 BGB. Behörden, Regierungen und sonstige Träger staatlicher Gewalt seien nämlich keine „Dritte“ im Sinne der Vorschrift, gegen die in Angelegenheiten der Personensorge Maßnahmen getroffen werden könnten.
Da eine Verweisung des von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens an das Verwaltungsgericht nicht in Betracht kam, war die Entscheidung nach Ansicht des Thüringer Oberlandesgerichts aufzuheben und das Verfahren einzustellen.
Das Oberlandesgericht hat die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.“
Wahrscheinlich werden jetzt wieder viele den Untergang des Rechtsstaats vorhersagen und ihn sogar schon sehen. Aber: Nein, gerade nicht. Die Frage durchläuft das dafür vorgesehene rechtsstaatliche Verfahren der Überpüfung durch höhere Instanzen. Und wenn die gesprochen/entschieden haben, sollte man das Ergebnis dann auch akzeptieren. Auch wenn es schwer fallen mag.
Edit 28.05.2021: Inzwischen ist der Volltext des Beschlusses veröffentlicht, und zwar hier.
Und da liest man immer, Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz seien nicht anfechtbar.