Archiv für den Monat: November 2020

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Wie rechne ich die Teilnahme an der mündlichen Anhörung in der StVK-Sache ab?

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Am vergangenen Freitag hatte ich gefragt: Ich habe da mal eine Frage: Wie rechne ich die Teilnahme an der mündlichen Anhörung in der StVK-Sache ab?

Meine Antwort an den Kollegen:

„Die Zweifel habe ich auch. Geht so m.E. gar nicht.

Sie sind im Bereich der Strafvollstreckung, da können Sie keine Gebühren aus Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG abrechnen. Das, was das Gericht vorschlägt, ist falsch.

M.E. haben Sie hier auch die Diskussion betreffend den Terminsvertreter. Ich denke, Sie hätten besser die Nrn. 4201, 4203 VV RVG bzw. die Nrn. 4205, 4207 VV RVG abgerechnet: Das würde m.E. passen und wäre richtig gewesen. Sie sollten insoweit umstellen und darlegen, dass Sie nicht nur die TG abrechnen können. Sie haben sich vorbereitet, mit dem Kollegen gesprochen usw. Das bringt die VG.

Ggf. wird man Ihnen nur die TG geben oder sogar nur eine Nr. 4301 Nr. 6 VV RVG. Die Nr. 4101, 4103 oder nur die Nr. 4103 VV RVG geht jedenfalls gar nicht.2

Die Kollegen, die geantwortet hatten, haben alos richtig gelegen.

StPO II: Besetzungseinwand im Bußgeldverfahren?, oder: Die §§ 222a, 222b StPO gelten nicht

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Die zweite Entscheidung kommt mit dem OLG Köln, Beschl. v. 01.10.2020 – 2 Ws 534/20 – vom OLG Köln. Das hat zur Anwendbarkeit der §§ 222a, 22b StPO im Bußgeldverfahren Stellung genommen, wenn dort das LG erstinstanzlich entscheidet.

Bußgeldverfahren? Ja.  Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit hatte gegen die Betroffene mit Bußgeldbeschluss vom 27.11.2019 wegen Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung (Art. 83 Abs. 4 a i.V.m. Art. 32 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (DSGVO)) eine Geldbuße festgesetzt. Auf den Einspruch der Betroffenen hat der Bundesbeauftragte den Bußgeldbescheid nach Prüfung aufrechterhalten und das Verfahren der Staatsanwaltschaft Bonn übersandt. Die Staatsanwaltschaft Bonn hat das Verfahren dem LG Bonn – Kammer für Bußgeldsachen – vorgelegt, Beim LG Bonn ist das Verfahren nach Eingang der 9. Strafkammer – als Kammer für Bußgeldsachen – zugeleitet worden. Der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Bonn für das Geschäftsjahr 2020 weist der 9. Strafkammer als Kammer für Bußgeldsachen die Bearbeitung von Ordnungswidrigkeitenverfahren des ersten Rechtszuges zu. Um die Besetzung dieser Kammer geht es. Die Betroffene hat mit Schriftsatz ihres Verteidigers die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts gerügt und beantragt, gemäß § 222 b Abs. 2 S. 2 StPO festzustellen, dass das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt sei. Der Besetzungseinwand ist für nicht begründet erachtet und dem OLG zur Entscheidung vorgelegt worden. Der Einwand hatte keinen Erfolg:

„Der von der Betroffenen erhobene Besetzungseinwand bleibt ohne Erfolg. Der Besetzungseinwand ist im vorliegenden Bußgeldverfahren nicht statthaft. Er war daher als unzulässig zurückzuweisen.

1. Allgemein ist zunächst Folgendes vorwegzustellen: Die 9. Kammer für Bußgeldsachen des Landgerichts Bonn ist derzeit mit der Bearbeitung des vorliegenden erstinstanzlichen Bußgeldverfahrens befasst. Üblicherweise entscheidet nach § 68 Abs. 1 S. 1 OWiG das Amtsgericht über Einsprüche gegen Bußgeldbescheide. Vorliegend ist ausnahmsweise das Landgericht mit der Entscheidung über einen Einspruch im Bußgeldverfahren befasst. Hintergrund hierfür ist, dass der Gesetzgeber in § 41 Abs. 1 BDSG bestimmt hat, dass hinsichtlich Verstößen nach Art. 83 Abs. 4 bis 6 DSGVO die Vorschriften des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sinngemäß Anwendung finden, wobei § 68 OWiG mit der Maßgabe Anwendung findet, dass „das Landgericht“ entscheidet, wenn die festgesetzte Geldbuße – wie hier – den Betrag von 100.000 € übersteigt. Der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Bonn sieht daher auch eine Zuständigkeit der 9. Strafkammer als Kammer für Bußgeldverfahren für Ordnungswidrigkeiten des ersten Rechtszuges vor (vgl. § 46 Abs. 7 OWiG).

Auch in anderen Fällen hat der Gesetzgeber bestimmt, dass ausnahmsweise – abweichend von § 68 OWiG – nicht das Amtsgericht zur erstinstanzlichen Bearbeitung von Einsprüchen in Bußgeldverfahren berufen ist. So sieht § 83 GWB vor, dass das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk die zuständige Kartellbehörde ihren Sitz hat, im gerichtlichen Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 81 GWB entscheidet. Nach § 62 WpÜG entscheidet das für den Sitz der Bundesanstalt in Frankfurt am Main zuständige Oberlandesgericht im gerichtlichen Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 60 WpÜG.

Angesichts der als „systemwidrig“ (so der Gesetzesantrag des Landes Hessen vom 02.03.2020, BR-Drs. 107/20, S. 14) erscheinenden erstinstanzlichen Befassung des Landgerichts mit Bußgeldsachen haben sich die Justizministerinnen und Justizminister der Länder auf der Herbstkonferenz am 15.11.2018 in Thüringen für die Abschaffung der erstinstanzlichen Zuständigkeit der Landgerichte in datenschutzrechtlichen Bußgeldsachen ausgesprochen (TOP II.10). Sie haben die Bundesregierung gebeten, zeitnah einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorzulegen, mit dem die singuläre Zuständigkeitsbestimmung der Landgerichte, die ansonsten nicht mit erstinstanzlichen Bußgeldsachen befasst seien, abgeschafft werde. Der Bundesrat hat unter dem 03.07.2020 einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelegt, nach welchem § 41 Abs. 1 S. 3 BDSG ersatzlos aufgehoben werden soll (BR-Drs. 107/20, S. 9, S. 43 f.). Der Entwurf wurde dem Bundestag zugeleitet, wurde aber bislang – soweit ersichtlich – noch nicht beraten.

2. Der durch die Betroffene erhobene Besetzungseinwand ist im vorliegenden Bußgeldverfahren nicht statthaft und daher unzulässig.

Nach § 222 a Abs. 1 StPO ist die Besetzung des Gerichts spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung mitzuteilen, wenn die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Landgericht oder dem Oberlandesgericht stattfindet. Auf Anordnung des Vorsitzenden kann sie schon vor der Hauptverhandlung mitgeteilt werden. Hat das Gericht die Besetzung mitgeteilt, kann der Einwand, dass das Gericht vorschriftswidrig besetzt sei, innerhalb einer Woche geltend gemacht werden (§ 222 b Abs. 1 S. 1 StPO). Hält das Gericht den Einwand nicht für begründet, hat es ihn spätestens vor Ablauf von drei Tagen dem Rechtsmittelgericht nach § 222 b Abs. 3 S. 1 StPO vorzulegen (Vorabentscheidungsverfahren).

Ob die in der Strafprozessordnung für das Strafverfahren im ersten Rechtszug vorgesehenen Vorschriften der §§ 222 a, 222 b StPO auch in Bußgeldverfahren Anwendung finden, ist in der Literatur umstritten. Die Frage wird regelmäßig in Bezug auf erstinstanzlich vor dem Oberlandesgericht geführte Kartellordnungswidrigkeitenverfahren (§ 82 GWB) diskutiert, soweit dort eine Hauptverhandlung stattfindet, also nicht im schriftlichen Verfahren (§ 72 OWiG) entschieden wird. Teilweise wird die Ansicht vertreten, § 222 a StPO sei auch in Bußgeldverfahren vor dem Oberlandesgericht wegen Kartellordnungswidrigkeiten anzuwenden (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 222 a Rdn. 2; Deiters in SK-StPO, 4. Aufl., § 222 a Rdn. 4; Eschelbach in KMR StPO, 2018, § 222 a Rdn. 24). Andere Stimmen halten die Vorschriften der §§ 222 a, 222 b StPO in Kartellordnungswidrigkeitenverfahren nicht für anwendbar (Wrage-Molkenthin/Bauer in Jaeger/Kokott/Pohlmann/Schroeder, Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, 96. Lieferung 2020, § 83 GWB Rdn. 27) oder vertreten die Ansicht, dass diese Vorschriften in Bußgeldverfahren ganz allgemein nicht anwendbar seien (Gmel in Karlsruher Kommentar, StPO, 8. Aufl., § 222 a Rdn. 3; Julius/Reichling in Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, 6. Aufl., § 222 a Rdn. 2; Keller in AK-StPO, § 222 a Rdn. 2; vgl. auch Graf, StPO, 3. Aufl., § 222 a Rdn. 5: keine Anwendung in Bußgeldverfahren mit Ausnahme der vor dem OLG verhandelten Kartellordnungswidrigkeiten).

Der Senat schließt sich in diesem Streit der letztgenannten Ansicht an, wonach die Vorschriften im Bußgeldverfahren nicht anwendbar sind. Dies entspricht auch der Ansicht des Bundesgerichtshofs, der in einem Kartellordnungswidrigkeitenverfahren ausdrücklich entschieden hat, dass die §§ 222 a, 222 b StPO (a.F.) im Bußgeldverfahren keine Anwendung finden (BGH, Beschluss vom 27.05.1986, KRB 13/85 (KG), NStZ 1986, 518).

Zwar schließt der Wortlaut des § 222 a Abs. 1 S. 1 StPO eine Anwendung auf erstinstanzlich vor dem Landgericht geführte Bußgeldverfahren – soweit aufgrund einer Hauptverhandlung entschieden wird – nicht aus. Nach dem Wortlaut ist die Besetzung mitzuteilen, wenn die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Landgericht oder dem Oberlandesgericht stattfindet. Auch in einem nach § 41 Abs. 1 S. 3 BDSG geführten Bußgeldverfahren findet die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Landgericht statt. Hinzukommt, dass der Gesetzgeber in § 41 Abs. 2 S. 1 BDSG bestimmt hat, dass die Vorschriften des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich der Strafprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes, durchaus entsprechend gelten.

Indes gelten die Vorschriften der Strafprozessordnung für das Bußgeldverfahren nur sinngemäß und nur insoweit, als das Ordnungswidrigkeitengesetz nichts anderes bestimmt. Gemäß § 71 Abs. 1 OWiG richtet sich das Verfahren nach zulässigem Einspruch – soweit im Ordnungswidrigkeitengesetz nichts anderes bestimmt ist – nach den Vorschriften der Strafprozessordnung, die nach zulässigem Einspruch gegen den Strafbefehl gelten. Für ein Strafbefehlsverfahren, das ausweislich der Regelungen in §§ 407 ff. StPO vor dem Amtsgericht stattfindet, sind die §§ 222 a, 222 b StPO indes gerade nicht anwendbar. Der Bundesgerichtshof ist vor diesem Hintergrund zu dem Ergebnis gelangt, dass die §§ 222 a, 222 b StPO (a.F.) im Bußgeldverfahren keine Anwendung finden (BGH, Beschluss vom 27.05.1986, KRB 13/85 (KG), NStZ 1986, 518). Auch eine sinngemäße Anwendung dieser Vorschriften erscheint nicht geboten (BGH, Beschluss vom 27.05.1986, KRB 13/85 (KG), NStZ 1986, 518). Dies gilt auch unter Berücksichtigung, dass das Landgericht Bonn vorliegend beabsichtigt, nicht im Beschlusswege (§ 72 OWiG), sondern auf der Grundlage einer Hauptverhandlung zu entscheiden.

Auch die Gesetzesmaterialien zur Einführung des Vorabentscheidungsverfahrens nach § 222 b Abs. 3 StPO (BR-Drs. 532/19) geben keine Veranlassung zu einer abweichenden Entscheidung. Insbesondere lässt sich ihnen nicht entnehmen, dass die Vorschriften der §§ 222 a, 222 b StPO – und damit auch das Vorabentscheidungsverfahren – nach den Vorstellungen des Gesetzgebers auch in Bußgeldverfahren Anwendung finden soll. Ziel der Einführung des Vorabentscheidungsverfahrens war vielmehr, einem Angeklagten die Möglichkeit zu eröffnen, seinen grundrechtsgleichen Anspruch auf Gewährleistung des gesetzlichen Richters schon vor Ende der Hauptverhandlung abschließend überprüfen zu lassen. Die Regelung soll die Urteilsaufhebung wegen vorschriftswidriger Besetzung in land- und oberlandesgerichtlichen Verfahren reduzieren und das Strafverfahren von unnötigem Aufwand sowie erheblichen Verfahrensverzögerungen entlasten. Vergleichbare Erwägungen für Bußgeldverfahren hat der Gesetzgeber nicht angestellt.

Eine Anwendung der §§ 222 a, 222 b StPO erscheint im Bußgeldverfahren auch nicht geboten. Der Gesetzgeber hat bei der Abfassung der Regelungen – auch bereits vor Einführung des Vorabscheidungsverfahrens – von der Einbeziehung weiterer Verfahren bewusst abgesehen (Arnoldi in Münchener Kommentar, StPO, 1. Aufl., § 222 a Rdn. 5). Dies betrifft zunächst amtsgerichtliche Verfahren, die trotz der Möglichkeit, Sprungrevision einzulegen, zumeist mit der Berufung angegriffen werden. Auch für zweitinstanzliche Verfahren vor dem Landgericht ist die Mitteilung der Besetzung nicht vorgesehen worden, obwohl auch Berufungsurteile mit der Revision angreifbar sind. Insoweit hat der Gesetzgeber auch berücksichtigt, dass Berufungsverhandlungen regelmäßig nicht so umfangreich wie erstinstanzliche Hauptverhandlungen vor den Strafkammern und Strafsenaten sind (Arnoldi, aaO). Auch für Bußgeldverfahren gilt, das diese regelmäßig nicht vergleichbar umfangreich sind. Das Bedürfnis, die Urteilsaufhebung wegen eines Besetzungsfehlers zu vermeiden, ist vor diesem Hintergrund auch hier weniger dringlich (vgl. hierzu allgemein Jäger in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 222 a Rdn. 2).

Da sich der Besetzungseinwand nach alledem bereits als unstatthaft erweist, kann der Senat offen lassen, ob der Besetzungseinwand vom 10.09.2020 betreffend die Besetzungsmitteilung vom 31.08.2020 angesichts der erneuten Besetzungsmitteilung vom 09.09.2020 und des Besetzungseinwandes vom 17.09.2020 prozessual überholt ist. Der Besetzungseinwand ist jedenfalls mangels Statthaftigkeit unzulässig. Vor diesem Hintergrund hatte der Senat auch über die Frage der Begründetheit des Besetzungseinwandes nicht zu entscheiden.“

StPO I: Wenn der Schöffe schläft, oder: Warum wird der verschlafene Teil der HV nicht wiederholt?

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Mit einem besinnlichen „Moin“ geht es dann in die 49. KW des Jahres 2020. Heute stelle ich zwei StPO-Entscheidungen vor.

Die erste hat auch mit „besinnlich“ zu tun. Etwas sehr besinnlich war allerdings. Denn: Im ersten Haupverhandlungstag der Hauptverhandlung, die zu einer Verurteilung des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung geführt hat, war einer der Schöffen bei der Verlesung der Anklage „entschlafen. Dagegen die Revision, die mit der Verfahrensrüge nach § 338 Nr. 1 StPO beim BGH mit dem BGH, Beschl. v. 14.10.2020 – 1 StR 616/19 – Erfolg hatte:

„Die Revision macht zu Recht geltend, dass die Wirtschaftsstrafkammer, die in dieser Sache entschieden hat, nicht vorschriftsmäßig besetzt war, weil der Schöffe S. im ersten Termin zur Hauptverhandlung am 12. März 2019 über einen nicht unerheblichen Zeitraum fest geschlafen hat, so dass er der Verlesung der Anklageschrift nicht vollständig folgen konnte. Dass der Schöffe geschlafen hat, ist nach einer Gesamtwürdigung der Umstände, wie sie sich aus der Darstellung des Verteidigers in der Revisionsbegründung ergeben, die durch die dienstliche Äußerung des Staatsanwalts bestätigt wird, bewiesen.

Nach der Revisionsbegründung bemerkte der Verteidiger des Angeklagten am Nachmittag des ersten Verhandlungstages während der Verlesung des Anklagesatzes, dass der Schöffe S. die Augen geschlossen, den Mund leicht geöffnet und eine erschlaffte Sitzhaltung eingenommen hatte. Er beobachtete den Schöffen, der weiterhin in dem beschriebenen Zustand auf der Richterbank saß, mindestens eine Minute lang und wandte sich dann während der Verlesung der Tatvorwürfe Nr. 176 bis 177 der Anklageschrift mit der Bemerkung an den Vorsitzenden Richter, er möge sich versichern, ob der Schöffe noch wach sei. Der Vorsitzende erwiderte spontan, dass der Schöffe noch wach sei; der Schöffe selbst reagierte auf die vom Verteidiger veranlasste Unterbrechung der Verlesung der Anklageschrift und den Wortwechsel zwischen dem Verteidiger und dem Vorsitzenden nicht. Als sich die Berufsrichter zu dem Schöffen hinwandten, öffnete dieser die Augen und benötigte ersichtlich einen kurzen Augenblick, um zu realisieren, dass er eingeschlafen war. Die Verlesung der Anklageschrift wurde anschließend fortgesetzt, aber nicht – auch nicht teilweise – wiederholt.

Diese Darstellung des Verteidigers wird durch die Angaben des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft in der Revisionsgegenerklärung dahin bestätigt, dass der Verteidiger, als er selbst mit der Verlesung der Anklageschrift befasst gewesen sei, den Vorsitzenden um Prüfung gebeten habe, ob der Schöffe eingeschlafen sein könne. Der Schöffe habe seiner – des Staatsanwalts – Beobachtung nach weder die Intervention des Verteidigers noch die Äußerung des Vorsitzenden mitbekommen. Wie es dazu gekommen sei, dass der Schöffe kurze Zeit später „erwacht sei“, sei ihm nicht bekannt. Er könne auch über den „Zeitraum des Schlafs“ des Schöffen keine Angaben machen.

Die Angaben der beisitzenden Richter in ihren dienstlichen Stellungnahmen stehen der Darstellung von Verteidiger und Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft nicht entgegen. Insbesondere ergeben sich aus diesen Stellungnahmen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Schöffe in der fraglichen Zeit entgegen dem nachvollziehbar auf das geschilderte Verhalten des Schöffen gestützten Eindruck von Verteidiger und Staatsanwalt wach gewesen sein könnte; beide beisitzenden Richter haben erklärt, dass sie nicht aus eigener Wahrnehmung heraus sagen könnten, ob der Schöffe geschlafen hat.

Danach liegt, weil es sich bei der Verlesung des Anklagesatzes um einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung handelt und der Schöffe dieser während einer erheblichen Zeitspanne schlafbedingt nicht gefolgt ist, der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 1 StPO vor (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. April 2019 – 5 StR 87/19 Rn. 9; vom 19. Juni 2018 – 5 StR 643/17 Rn. 3 und vom 20. Oktober 1981 – 5 StR 564/81 Rn. 1).“

Man fragt sich allerdings: Was hat sich eigentlich die Strafkammer in Kassel gedacht. Vorsitzender und Beisitzer hatten den schlafenden Schöffen doch bemerkt, sie waren also wach 🙂 . Aber offenbar nicht so wach, dass man die Verlesung der Anklage nicht wiederholt. Da lässt man lieber die Hauptverhandlung über drei Monate weiter laufen und hat den Revisionsgrund im Gepäck. Ist für mich unverständlich.

Sonntagswitz, am 1. Adventssonntag fällt das nicht schwer……

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Auch heute dann der Sonntagswitz. Zunächst aber: Nochmals allen einen frohen ersten Advent und dann: Die Thematik fällt natürlich am 1. Adventssonntag nicht schwer. Und zum 1. Advent gibt es dann „zur Feier des Tages“ auch mal ein anderes Bild:

Vater: Und, Sohn wer bringt an Weihnachten die Geschenke?

Sohn: Amazon!

Vater: Nein, ich meine den dicken Mann mit dem Bart.

Sohn: Achso, der Postbote!


Sagt eine Kerze zur anderen: „Was machst du heute Abend?

Sagt die andere: „Ich gehe aus.“


Jingle Bells,Jingle Bells, Schlitten fahren im Schnee –

Die Abgaswerte stimmen nicht.

Das Dingen ist von VW.


Vater klärt seinen Sohn auf:

„Du sollst es nun endlich erfahren: Der Weihnachtsmann und der Osterhase, das bin immer ich gewesen.“

„Weiß ich doch längst, Papa“, beruhigt ihn der Sohn.

„Nur der Storch, das war Onkel Werner.“

 

Wochenspiegel für die 48. KW., das war Corona, beA, Rassismus, Wikipedia und „ausufernde Schriftsätze“.

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Ich schließe die 48. KW. – die letzte „Voradventwoche“ – dann mit dem allwöchtentlichen Wochenspiegel. Zunächst allen einen – trotz Corona – frohen 1. Advent.

Im „Spiegel“ ist dann heute enthalten:

  1. Coronakrise und Mietanpassung: Der Einzelfall entscheidet,

  2. Corona schlägt unbarmherzig zu – VG Schleswig verbietet Anwesenheit von Eltern und Trauzeugen auf dem Standesamt,

  3. OVG Koblenz: Corona-Infektionszahlen zu Ortsgemeinden müssen an Presse herausgegeben werden ,

  4. Datenschutz in der Corona-Pandemie: Das 3. Bevölkerungsschutzgesetz,

  5. Kein Platz für Rassisten im Unternehmen,

  6. AG Ebersberg: Keine Wiedereinsetzung für Anwälte, die ihr beA nicht abrufen,

  7. Französische Polizei hackt sich in „Enchrochat“-Server ein,

  8. LG Stuttgart: Eingriffe in die Kfz-Elektronik nur durch Betrieb, der in die Handwerksrolle eingetragen ist,
  9. Zur Nutzung von Wikipedia in Gerichtsentscheidungen – ein Beispiel,

  10. und aus meinem Blog: OWi II: “…. Verteidigerbüros … überfluten mit ausufernden Schriftsätzen, oder: Angefressen?