Und die dritte Entscheidung zum Verkehrsrecht kommt aus dem Bußgeldverfahren. Es handelt sich um den LG Magdeburg, Beschl. v. 13.12.2019 – 28 Qs 956 Js 73928/19 (39/19). Gestritten worden ist um die Bestellung eines Pflichtverteidigers, die – bei der der Entscheidung zugrunde liegenden Konstellation in Verfahren mit verkehrsrechtlichem Einschlag immer wieder auftreten kann.
Das LG Magdeburg hat auf die Beschwerde einen Pflichtverteidiger bestellt:
„Mit seiner Beschwerde begehrt der Betroffene die Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Halberstadt, durch den die Beiordnung seines bisherigen Wahlverteidigers pp. als Pflichtverteidiger abgelehnt worden war.
Aus den Akten ergibt sich folgender Verfahrensablauf:
Am 7. Februar 2009 erließ die Zentrale Bußgeldstelle im Technischen Polizeiamt regen den Betroffenen wegen des Führens eines Kraftfahrzeuges unter Einwirkung berauschender Mittel einen Bußgeldbescheid über 500,– €. Gleichzeitig wurde gegen ihn ein Fahrverbot x-on einem Monat verhängt. Gegen diesen Bescheid legte der Betroffene mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 20. Februar 2019 Einspruch ein.
Bis zu diesem Zeitpunkt enthielt die Akte eine Übersicht über den Verfahrensablauf, eine Auskunft des Kraftfahrt Bundesamtes. einen Journaleintrag nebst Feststellung zum Sachverhalt, ein polizeiliches Protokoll nebst ärztlichem Untersuchungsbericht zur Blutentnahme, eine von PK pp. vorgefertigte Dokumentation zur Blutentnahme ohne Ausfüllung der vorgegebenen Feststellungen sowie einen Ergebnisbericht, aus dem sich ein positiver Nachweis von Cannabinoiden im Blut des Betroffenen ergab.
Auf den Einspruch des Betroffenen hin fand am 07. Juni 2019 eine Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht statt, zu der neben dem Betroffenen und seinem Verteidiger auch der geladene Zeugen PK pp. erschien, jedoch nach Einlassung des Betroffenen über seinen Verteidiger unvernommen entlassen wurde. Das Gericht setzte die Hauptverhandlung aufgrund der Einlassung des Betroffenen, er habe lediglich THC Tropfen eingenommen, die frei verkäuflich seien und auch in kleinsten Mengen erhöhte THC-Werte im Blut hervorrufen könnten, ohne jedoch berauschende Wirkungen zu entfalten, zwecks Einholung eines Sachverständigengutachtens aus. Im Anschluss an diese Hauptverhandlung wandte sich der bereits unvernommen entlassene Zeuge PK pp. außerhalb der Hauptverhandlung an den entscheidenden Richter, um ihm mitzuteilen, dass entgegen der soeben abgegebenen Einlassung des Betroffenen, er gegenüber dem Polizeibeamten angegeben habe, gelegentlich ein „Tütchen“ zu konsumieren.
Dem Betroffenen und seinem Verteidiger wurde hierüber ein entsprechender richterlicher Vermerk und ein seitens des Zeugen pp. zu den Akten gereichtes Gedächtnisprotokoll weitergeleitet. Diesbezüglich wurden seitens des Verteidigers für den Betroffenen weitere Anträge gestellt, u.a. die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens bezüglich der Bekundungen des Zeugen pp. sowie Anträge auf Vernehmung der ebenfalls bei der Kontrolle anwesenden Polizeibeamten. die insoweit bestätigen sollen, dass die Behauptung des Zeugen pp., der Betroffene habe ihm unmittelbar nach der Blutprobe mitgeteilt, regelmäßig am Wochenende von Samstag auf Sonntag eine Tüte zu rauchen. frei erfunden sei.
Nachdem das Gericht von der Einholung eines Sachverständigengutachtens im Hinblick auf die Auswirkungen von freiverkäuflichem Hanföl auf die Blutwerte Abstand genommen hatte und auch eine vom Verteidiger beantragte Terminsverlegung abgelehnt hatte, wurde zunächst über das Ablehnungsgesuch gegen den entscheidenden Richter sowie die Ablehnung der Terminsverlegung für einen auf den 13. Dezember anberaumten Termin entschieden. Diesbezüglich liegt auch eine Entscheidung über die Beschwerde gegen den die Terminsverschiebung ablehnenden Beschluss durch das Landgericht Magdeburg vom 9. Dezember 2019 vor.
Die Staatsanwaltschaft hat im Rahmen ihrer Stellungnahmen zu dem Befangenheitsantrag, den eingelegten Beschwerden und zu den gestellten Anträgen u.a. ausgeführt, dass sie zwar ein Glaubwürdigkeitsgutachten hinsichtlich des Zeugen PK pp., insbesondere auch vor dem Hintergrund der Vernehmung der benannten weiteren Zeugen, nicht für erforderlich erachte. Im Übrigen ist sie der Einholung eines Gutachtens zur Feststellung, ob frei verkäufliches Hanföl zu erhöhten THC-Werten im Blut ohne entsprechende berauschende Wirkung führen kann, nicht entgegengetreten.
Die gegen den Beschluss, durch den die Beiordnung als Pflichtverteidiger abgelehnt wurde, eingelegte Beschwerde begründet der Betroffene im Wesentlich damit, dass der Umstand. dass das Gericht bislang von der ursprünglich vorgesehenen Einholung eines Gutachtens zu den Auswirkungen der Einnahme von Hanföl auf die Blutwerte im Hinblick auf die Zeugenvernehmungen abgesehen habe, es nicht rechtfertige. die Beiordnung eines Pflichtverteidigers abzulehnen, da das Verfahren in seiner Gesamtschau betrachtet werden müsse und keine künstliche Aufspaltung vorgenommen werden dürfe. Insofern sei zu berücksichtigen, dass hier die Einholung eines Gutachtens im Raum stehe, die eine Beiordnung eines Pflichtverteidigers erforderlich machen würde.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Nach der gern. § 46 Abs. 1 OWiG sinngemäß anwendbaren Vorschrift des § 140 StPO kommt eine Beiordnung vorliegend in Betracht. wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint. Eine Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage ist vorliegend deshalb zu erwägen, weil die Auseinandersetzung mit einem Sachverständigengutachten zu mindestens zu erwarten ist. auch wenn das Gericht zunächst von der Einholung eines diesbezüglichen Sachverständigengutachtens abgesehen hat. Bereits der bisherige Verfahrensablauf zeigt, dass für das Bestreiten des Betroffenen. er habe dem Polizeibeamten PK pp. gegenüber gesagt. gelegentlich „ein Tütchen zu rauchen“. u.a. seine protokollierte Angabe irr Rahmen der Blutentnahme spricht. Dort wurde ein vorheriger Konsum generell verneint. Ob und inwieweit dann seine Einlassung, er habe lediglich Hanföl konsumiert, das keine berauschenden Wirkungen erzeuge, zutrifft, bedarf dann einer umfassenden Würdigung ggf. auch unter Hinzuziehung des Sachverständigen im Hinblick auf die Frage, ob die Blutwerte auf den Konsum von Hanföl hindeuten können. Angesichts der naheliegenden Möglichkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens und einer späteren Auseinandersetzung damit, war bereits zum jetzigen Zeitpunkt die Beiordnung eines Pflichtverteidigers gem. § 140 Abs. 2 StPO erforderlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung der §§ 464. 467 StPO.“
M.E. zutreffend. Ich weiß, andere LG machen es (leider) anders.
Übrigens wurde ein weiteres Ablehnungsgesuch als unzulässig wegen angeblicher Verzögerungsabsicht verworfen, gleichzeitig wurde das Verfahren eingestellt. Ein wochenlanger Kampf, der sich gelohnt hat und zum gewünschten Ergebnis geführt hat.