Die 3. KW., eröffne ich mit zwei BGH-Entscheidungen zur Einziehung.
In dem Zusammenhang stelle ich zunächst den BGH, Beschl. v. 24.10.2019 – 1 StR 173/19 – vor. Der BGH nimmt Stellung zum Zusammenspiel Verjährung und Einziehung. Das LG hatte den Angeklagten mit Urteil vom 17.10.2018 u.a. wegen Umsatzsteuerverkürzung in den Jahren 2001 und 2002 verurteilt und insoweit die Einziehung des Wertes von Taterträgen für die Umsatzsteuerverkürzungen in den Jahren 2001 (47.633,50 EUR) und 2002 (45.832,38 EUR)
Der BGH sagt:
„Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis waren zum Zeitpunkt des Urteilserlasses (§ 78c Abs. 3 Satz 3, § 78b Abs. 3 StGB) bereits verjährt (§ 169 Abs. 2 Satz 2, § 171 Abs. 7 AO) mit der Folge, dass sie nach § 47 AO, § 73e Abs. 1 StGB erloschen sind und daher die Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73c Satz 1 StGB nicht mehr in Betracht kommt. Gemäß § 354 Abs. 1 StPO analog entscheidet der Senat in der Sache selbst und stellt insoweit das selbständige Einziehungsverfahren ein; hinsichtlich der betroffenen Beträge entfällt die Einziehung.
a) Die Hinterziehung der Umsatzsteuer für die Besteuerungszeiträume 2001 und 2002 war jeweils mit dem Eingang der Steuererklärung vom 22. August 2002 bzw. 13. Juni 2003 beim Finanzamt vollendet und beendet. Denn aus der jeweiligen Umsatzsteuerjahreserklärung ergab sich eine zu niedrige Zahllast; mit ihrem Eingang war eine zu geringe Umsatzsteuerschuld festgesetzt (§ 370 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 168 Satz 1, § 150 Abs. 1 Satz 3 AO, § 18 Abs. 3 Satz 1, § 2 Abs. 1 UStG, vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2019 – 1 StR 265/18 Rn. 18 mwN). Da die maßgebliche Wertgrenze von 50.000 Euro (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 – 1 StR 373/15, BGHSt 61, 28 Rn. 32 ff.) jeweils unterschritten war, konnte von einem besonders schweren Fall nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO nicht mehr ausgegangen werden. Somit galt die fünfjährige Verjährungsfrist aus § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB, § 169 Abs. 2 Satz 2, § 171 Abs. 7 AO.
b) Die Strafverfolgungsverjährung hinsichtlich des Einziehungsbeteiligten und damit auch die Verjährung aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 169 Abs. 2 Satz 2, § 171 Abs. 7 AO) trat vorliegend spätestens 15 Jahre (vgl. § 78b Abs. 4 StGB) nach Tatbeendigung ein. Ein Urteil des ersten Rechtszuges war zu diesen Zeitpunkten, bezogen auf die Hinterziehung von Umsatzsteuer für die Besteuerungszeiträume 2001 und 2002, gegen den Einziehungsbeteiligten noch nicht ergangen (§ 78b Abs. 3 StGB).
c) Entgegen den Ausführungen des Landgerichts führt das Erlöschen des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 47 AO: hier wegen Verjährung) zum Ausschluss der Einziehung des Tatertrages oder des Wertersatzes nach § 73e Abs. 1 StGB (aA: Madauß NZWiSt 2018, 28, 33 f.; 2019, 49, 52). Nach dieser Vorschrift kann eine Einziehung nach den §§ 73 bis 73c StGB nicht erfolgen, soweit der Anspruch, der dem Verletzten aus der Tat auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen ist, erloschen ist. Der Auslegung von § 73e Abs. 1 StGB durch die Strafkammer, dass der „Anspruch der Staatskasse auf Zahlung der Steuern“ aber bereits auf dem jeweiligen Steuergesetz beruhe und „dem Fiskus folglich nicht aus der Tat erwachsen“ sei, kann nicht gefolgt werden. Der sich aus dem Steuerschuldverhältnis ergebende Steueranspruch (§ 37 Abs. 1 AO) bezieht sich vielmehr konkret auf die geschuldete Steuer als Geldleistung (Ratschow in Klein, AO, 14. Aufl., § 37 Rn. 4). Durch die über steuerlich erhebliche Tatsachen mittels unrichtiger oder unvollständiger Angaben bewirkte Steuerverkürzung erspart sich der Täter Aufwendungen, für die er – sofern ihm ein wirtschaftlicher Vorteil zugeflossen ist – nach § 73c StGB im Wege der Einziehung in Anspruch genommen werden kann. Die nicht entrichteten und geschuldeten Steuern aus dem Steuerschuldverhältnis (vgl. § 37 AO) können als ersparte Aufwendungen des Täters das von ihm Erlangte im Sinne von § 73e Abs. 1 StGB darstellen, auf den sich der Rückgewähranspruch bezieht. Entgegen der Meinung des Landgerichts ist daher der Begriff des Erlöschens im Sinne von § 47 AO und § 73e Abs. 1 StGB schon wegen des untrennbaren sachlichen Inhalts einheitlich auszulegen. Der eindeutige Wortlaut beider Normen verbietet eine gegensätzliche Auslegung über deren Wortsinn hinaus (Art. 103 Abs. 2 GG). Die Strafgerichte sind gehalten, den Gesetzgeber beim Wort zu nehmen; ihn zu korrigieren, ist ihnen verwehrt (BGH, Beschluss vom 7. August 2019 – 4 StR 189/19 Rn. 16 mwN). Soweit der Gesetzgeber die Vorschrift des § 73e Abs. 1 StGB mit Wirkung vom 1. Juli 2017 in das Strafgesetzbuch eingefügt und § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB aF gestrichen hat, ergibt sich daraus nichts Gegenteiliges. Es sollte nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 18/9525, S. 69) zwar weiterhin verhindert werden, dass der Täter bei Erlöschen der Forderung des Geschädigten doppelt in Anspruch genommen werden kann. Eine Aussage zu dem (Nicht-)Erlöschen von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis enthalten die Gesetzesmaterialien jedoch nicht.“