Und die dritte Pflichtverteidigerentscheidung kommt mit LG Postdam, Beschl. v. 18.09.2019 – 22 Qs 21/19 – vom LG Potsdam. Den Beschluss hat mir der Kollege Streifler aus Berlin geschickt.
Es geht um die Beiordnung des Kollegen bei einem Jugendlichen in einem Verfahren wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten. Das LG hat auf die Beschwerde des Kollegen beigeordnet:
„Mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Potsdam vom 04.06.2019 wird dem zum Tatzeitpunkt 17-jährigen Angeklagten vorgeworfen, am 21.01.2019 um 11.30 Uhr, in einer Weise, die geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu stören, einen Mord (§ 211), Totschlag (§ 212) angedroht zuhaben, in dem er am Ende des Chemieunterrichts im Oberstufenzentrum I in Potsdam, für andere Mitschüler vernehmlich, sinngemäß geäußert haben soll, dass er einen Amoklauf durchführen werde, wenn die Warteschlange in der Mensa wieder so lang sei.
Die Anklage wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 11.07.2019 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren gegen den Jugendlichen vor dem Amtsgericht Potsdam eröfffnet.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 15.07.2019 beantragte der Angeklagte, ihm (seinen damaligen Verteidiger) Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger beizuordnen.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 30.07.2019 lehnte das Gericht die Pflichtverteidigerbeiordnung ab. Zur Begründung wird ausgeführt, dass keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Angeklagte sich nicht selbst verteidigen könne, der Tatvorwurf – auch wenn mehrere Zeugen zu hören seien – überschaubar sei und auch die zu erwartende Maßnahme die Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht rechtfertige, weil im Falle einer Verurteilung allenfalls mit einer Auflage oder einer Weisung zu rechnen sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten mit Schriftsatz seines neuen Verteidigers vom 07.08.2019 unter Hinweis auf eine EU-Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates.
Die statthafte und zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Nach der Ermittlungsakte scheint der Angeklagte in seiner Schule vor allem im Klassenverband und bei seinen Mitschülem — einen gesonderten, eher problematischen und unbeliebten Stand zu haben. Bereits vor diesem Hintergrund ist zu befürchten, dass der Angeklagte sich bei der Klärung des vorgeworfenen Sachvershalts in der Hauptverhandlung, bei der es auch auf seine Persönlichkeit und auf seinen psychischen Zustand ankommen wird und bei der die Mitschüler als Zeugen zu hören sein werden, subjektiv einer Vielzahl von Gegnern gegenüber sieht, was ihn im Anbetracht seines Alters, ohne Rechtsbeistand in seiner Verteidigung erheblich beeinträchtigen könnte.“