Und dann heute gleich noch einmal ein OWi-Tag, den ich dann mit dem KG, Beschl. v. 09.07.2018 – 3 Ws (B) 154/18 – eröffne. Der nimmt noch einmal zur Frage des Vorsatzes bei einer Geschwindigkeitsbeschränkung Stellung. Er bringt aber nichts Neues, wenn das KG dort ausführt:
„Bei der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit drängt sich vorsätzliche Begehungsweise umso mehr auf, je massiver das Ausmaß der Überschreitung ist. Insoweit kann nach dem gegenwärtigen Wissensstand auf den Erfahrungssatz zurückgegriffen werden, dass jedenfalls bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 40% von Vorsatz auszugehen ist, sofern nicht besondere Umstände eine abweichende Wertung veranlassen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur VRS 100, 471). Vorliegend belief sich die Geschwindigkeitsüberschreitung auf 106,66 % (UA S. 5). Besondere Umstände, die trotzdem der Annahme vorsätzlicher Begehungsweise entgegenstehen könnten, sind den allein maßgeblichen Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Dass die am Tatort zulässige Höchstgeschwindigkeit 30 km/h betrug, ist kein solcher besonderer Umstand.“
War zu erwarten und liegt auf der Linie der Rechtsprechung. „Verkehrsberuhigte Zone“ oÄ ist immer schwierig 🙂 .
Es ist und bleibt falsch, anhand einer willkürlichen Prozentzahl auf einen inneren Tatumstand zu schliessen und wird nicht durch ständige Wiederholung richtiger.
Zum Vorsatz gehört auch das Wissen um die Höhe der erlaubten Geschwindigkeit. Und innerorts 30 ist immer noch die Ausnahme, auch wenn ein autofeindlicher Zeitgeist und seine Protagonisten es gerne anders hätten.
Bei einer Ausnahmeregelung anhand von willkürlichen vermeintlichen Wahrnehmbarkeitsgrenzen auf die Kenntnis der Ausnahme und damit auf den Nachweis von Vorsatz trotz des Grundsatzes „im Zweifel FÜR den Angeklagten“ zu schliessen ist eines studierten Strafrechtlers eigentlich unwürdig.
Warum 40 %? Warum nicht 50 oder 60 oder 67,8 % als Vorsatzgrenze? Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse rechtfertigen diese Grenze?
Und warum ist beim Fahrverbot der gesetzliche Regelfall heilig und eine Ausnahme nach OLG-Praxis praktisch unmöglich, beim gesetzlichen Regelfall der Fahrlässigkeit aber mit willkürlichen %-Grenzen bereits ausser Kraft?
Alles eigentlich Fragen für den BGH, aber da trauen sich die OLGs ja nicht hin, wie durch den aktuellen Cierniak-Aufsatz in der DAR wieder offenkundig wird, weil absehbar ist, dass es da eine Ohrfeige gäbe… traurig. Aber so ist das, wenn man als OLG selbst entscheiden darf, ob die eigene Auffassung überhaupt von anderen überprüft werden darf. Manche würden es vielleicht feige nennen.
Schimpfen Sie doch nicht mit mir :-). Ich kann es doch nicht mehr ändern 🙂
Leif Hermann Kroll hunderprozentige Zustimmung!! Es ist immer wieder schön beim AG, wenn bei 45km/h innerorts auf Vorsatz geschlossen wird, da ja 50 %ige Überschreitung vorhanden sei. Ich kann es auch nicht mehr hören….Wenn der Richter sich mal in ein Fahrzeug setzt und mir den Unterschied zwischen 30 und 45 km/h sagt wäre ich begeistert….
Ich glaube nicht, dass der Kollege Kroll mit Ihnen meckert, Herr Kollege Burhoff. Vielmehr tut er das einzig Richtige und stellt die nachvollziehbarere Gegenauffassung dar. Diese bedarf mindestens ebenso der ständigen Wiederholung wie diese unsäglichen Entscheidungen. Daher: danke dafür!
Immer schön den ganzen Kommentar sehen und den Smiley nicht übersehen 🙂
Es kommt auf die Umstände an. Gut ausgebaute vierspurige Bundesstraße kurz vor dem Ortsausgangsschild (Leipzig) … da finde ich eine Messung(fester Blitzer) zu 100 % übertrieben. Warum der da steht ist doch wohl jedem klar 😅