Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den OLG Köln, Beschl. v. 12.06.2018 – 1 RVs 107/18. Der behandelt zwei Fragen, die von Bedeutung sind. Ich greife heute die „Vollmachtsfrage“ auf, auf die andere Frage komme ich dann noch einmal zurück. Auch insoweit geht es um die Frage der Verwerfung einer Berufung nahc § 329 Abs. 1 StPO. Der Verteidiger hatte dazu nahc Auffassung des OLG in seiner Verfahrensrüge nicht ausreichend vorgetragen. In der Begründung seiner Verwerfungsentscheidung weist das OLg auf einen Umstand hin, der leider häufig übersehen wird:
„b) Mit der Beiordnung des bisherigen Wahlverteidigers als Pflichtverteidiger endet das Mandat und damit auch die (etwa) erteilte Vertretungsvollmacht. Das folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 168 BGB, wonach die Vollmacht mit dem ihr zugrunde liegenden Rechtsgeschäft erlischt (SenE v. 15.04.2016 – III-1 RVs 55/16 -; SenE v. 08.07.2016 – III-1 RVs 129/16; OLG Hamm B. v. 14.06.2012 – III-1 RVs 41/12 und B. v. 03.04.2014 – III-5 RVs 11/14 [= ZfS 2014, 470] – bei Juris und jeweils unter Bezugnahme auf BGH NStZ 1991, 94; OLG München B. v. 14.07.2010 – 4 StRR 93/10 = BeckRS 2010 18330; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 142 Rz. 7; MüKo-StPO-Thomas/Kämpfer, § 141 Rz. 14 aE; HK-StPO-Julius, 5. Auflage 2012, § 141 Rz. 16). Bei fortbestehendem Willen des Angeklagten, sich von dem nunmehrigen Pflichtverteidiger vertreten zu lassen, ist die Erteilung einer neuen, den Anforderungen des § 329 StPO genügenden Vollmacht vonnöten (SenE a.a.O.). Aus diesem Grund setzt die formgerechte Ausführung der Rüge der Verletzung des § 329 Abs. 1 S. 1 StPO – neben einer Darstellung des genauen Inhalts der Vollmacht – Vortrag dazu voraus, ob und bejahendenfalls zu welchem Zeitpunkt der Verteidiger zum Pflichtverteidiger bestellt worden ist (SenE v. 08.07.2016 – III-1 RVs 129/16; SenE v. 10.10.2017 – III-1 RVs 238/17). Nur so wird der Senat in die Lage versetzt zu prüfen, ob ein Fall wirksamer Vertretung in der Berufungshauptverhandlung vorliegt.
Entsprechenden Vortrag lässt die Revisionsbegründung vermissen. Ihr ist lediglich zu entnehmen, dass dem Verteidiger die in der Berufungshauptverhandlung vorgelegte (erste) Vollmacht am 20. Januar 2017 erteilt worden ist. Zu einer Bestellung als Pflichtverteidiger und deren Zeitpunkt verhält sie sich nicht. Soweit man der mit der Revisionsbegründung (dort S. 3) mitgeteilten Terminsladung, ausweislich derer „L, U (Pflicht-Vert. zu Besch 1)“ zum Termin vom 13. September 2017 geladen wurde, eine entsprechende Stellung des Verteidigers entnehmen wollte, ist die Terminsladung am 8. Mai 2017 und mithin nach Erteilung der Vollmacht verfügt und schließt damit eine nach Vollmachterteilung erfolgte Bestellung zum Pflichtverteidiger gerade nicht aus. Es kann daher – ungeachtet insoweit bestehender weiterer Bedenken (dazu vgl. die Gesetzesmaterialien zur Neufassung des § 329 StPO BT-Drs. 18/3562 S. 68; OLG Hamburg B. v. 25.07.2017 – 1 Rev 37/17 = BeckRS 2017 110201, freilich – in Abgrenzung zu der Entscheidung BayObLG NStZ 2002, 277 – zu einer mündlichen Ermächtigung) – auch nicht beurteilt werden, ob der Verteidiger zur Ausstellung einer (weiteren) Vollmacht, wie sie im Termin zur Berufungshauptverhandlung von diesem namens des Angeklagten gefertigt worden ist, ermächtigt war.“
Und:
„Ob die Vollmacht vom 20. Januar 2017, ausweislich derer der Verteidiger befugt war „in allen Instanzen zu verteidigen bzw. zu vertreten, und zwar auch bei meiner (scil.: des Angeklagten) Abwesenheit“ den Anforderungen an eine gerade für die Berufungshauptverhandlung erteilten Vertretungsvollmacht erfüllt (zu dieser Frage zuletzt KG B. v. 01.03.2018 – (5) 121 Ss 15/18 (11/18) = BeckRS 2018 5556; OLG Oldenburg B.. v. 20.12.2016 – 1 Ss 178/16 = BeckRS 2016 124738; OLG Hamm B. v. 24.11.2016 – 5 RVs 82/16 = BeckRS 2016 111318; OLG Hamm, B v. 06.11.2016 – 4 RVs 96/16, StRR 2016, Nr. 11, 2), bedarf danach keiner Entscheidung.“
§ 168 BGB ist disponibel, daher sollte eine ausdrückliche Regelung in der ursprünglichen Vollmacht genügen. Darum hier mein Vorschlagstext: Lasse mich aber auch gerne belehren:
Die Vollmacht gewährt unter Anerkennung aller gesetzlichen Befugnisse nach der Strafprozessordnung insbesondere das Recht:
1. Strafantrag, Privat- und Nebenklage zu erheben und zurückzunehmen,
2. in allen Instanzen als Verteidiger zu handeln,
3. für den Fall meiner Abwesenheit ebenso Vollmacht zur Vertretung u.a. in der Berufungsverhandlung
4. Rechtsmittel einzulegen, zurückzunehmen und auf solche zu verzichten,
5. Anträge auf Wiedereinsetzung, Wiederaufnahme des Verfahrens, Haftentlassung, Strafaussetzung, Kostenfestsetzung und andere Anträge zu stellen und zurückzunehmen,
6. Untervollmacht – auch im Sinne des § 139 StPO – zu erteilen,
7. etwaige Zustellungsvollmacht nach § 145a StPO zu widerrufen,
8. Auskünfte über gespeicherte Daten einzuholen, und Löschungsanträge zu stellen,
9. Gelder, Wertsachen, Kosten- ,Bußgeld- und Entschädigungszahlungen sowie Kosten-erstattungen und Rückzahlung von Sicherheitsleistungen mit rechtlicher Wirkung in Empfang zu nehmen und Quittungen zu erstellen,
10. Handakten und Urkunden, sofern diese nicht binnen 12 Monaten nach der Erledigung des Auftrags oder Beendigung der Sache zurückverlangt worden sind, zu vernichten,
11. den Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Haupt-verhandlung zu stellen und zurückzunehmen,
12. eine Entschädigung für unrechtmäßige Verfolgungsmaßnahmen geltend zu machen und
in Empfang zu nehmen,
13. der Vertretung im Kostenfestsetzungsverfahren, sowie Kostenerstattungen entgegen zu ?nehmen.
Im Falle einer Beiordnung als notwendiger Verteidiger bleiben auch im Falle der Niederlegung des Wahlverteidigermandats die Vollmacht in den Punkten 1 bis 5 und 7 bis 13 ausdrücklich bestehen, sofern diese Vollmacht nicht schriftlich widerrufen wird.
Ich glaube, dass geht so nicht.
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Gilt das oben Gesagte über Vollmacht bei einem Pflichtverteidiger auch analog für den Notanwalt im Zivilprozess?