Die 25. KW. beginnt, ich hoffe der Strat wird nicht genau so holperig wie der gestrige Start der WM für „unsere2 .-) Jungs. Eins ist allerdings klar: Am Ende der Woche sind „wir“ immer noch Weltmeister 🙂 .
Hier starte ich dann mit zwei Entscheidungen zur Verfahrensverzögerung in die Woche, und zwar zunächst mit dem BGH, Beschl. v. 08.03.2018 – 3 StR 63/15. Das ist das Verfahren, das zum BGH, Beschl. v. 24.07.2017 – GSSt 3/17 – geführt hat (vgl. Der Alkohol und die Strafrahmenverschiebung, oder: “gesellschaftliches Steuerungselement”). Naturgemäß dauern die Verfahren, in denen dem Großen Senat vorgelegt wird, immer sehr lange. So auch dieses, was man schon am 2015-er-Aktenzeichen erkennen kann. Und dann stellt sich immer die Frage, ob und wie diese Verfahrensverzögerung zu kompensieren ist. Und darauf will ich hier, nachdem ich zu der eigentlich entschiedenen Frage ja bereits berichtet habe, eingehen.
Der BGH führt dazu aus:
„3. Die – mittlerweile eingetretene – zu einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung führende Verletzung des Beschleunigungsgebots gebietet eine Kompensation nach dem Vollstreckungsmodell (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 135 ff.), die der Senat auf drei Monate der verhängten Freiheitsstrafe bemisst. Eine Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht scheidet aus, weil weder das landgerichtliche Verfahren noch dessen Urteil an einem Rechtsfehler leidet (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2017 – 2 StR 495/12, juris Rn. 33).
a) Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK fordert eine Erledigung des Strafverfahrens in angemessener Zeit. Wird das hieraus folgende Beschleunigungsgebot in rechtsstaatswidriger Weise verletzt, ist eine Kompensation angezeigt.
Nicht jede im Strafprozess vorkommende Verzögerung führt zu einer derartigen Verletzung des Beschleunigungsgebots. Dies gilt auch für besondere Verfahrensvorgänge, die das Gesetz vorsieht, wie das in § 132 GVG geregelte Verfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2011 – 1 StR 429/09, StV 2011, 407 f.). Die für die Anfrage, die Vorlage und die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen benötigten Zeiträume sind für sich genommen keine Gründe für eine Kompensation.
Etwas anderes gilt bei überlanger Verfahrensdauer, die das Maß des Angemessenen überschreitet. Ob ein solcher Fall vorliegt, ist durch eine auf die Verhältnisse des konkreten Einzelfalles bezogene Gesamtwürdigung zu prüfen. Dabei sind vor allem die durch Verhalten der Justizorgane verursachten Verzögerungen, aber auch die Gesamtdauer des Verfahrens, die Schwere des Tatvorwurfs, der Umfang und die Schwierigkeit des Prozessstoffs sowie das Ausmaß der mit dem Andauern des Verfahrens für den Betroffenen verbundenen Belastungen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2017 – 2 StR 495/12, juris Rn. 35; Beschluss vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 147).
b) Hieran gemessen war das nunmehr mehr als drei Jahre währende Revisionsverfahren überlang.
Das angefochtene Urteil ist am 8. August 2014 ergangen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Angeklagte bereits nahezu acht Monate in Untersuchungshaft, die bis zum heutigen Tag vollzogen wird. Am 24. Februar 2015 sind die Akten mit dem Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof eingegangen. Am 28. Februar 2015 hat der Beschwerdeführer die Begründung der Sachrüge nachgereicht. Nachdem der Senat die Sache zweimal vorberaten hatte, ist am 15. Oktober 2015 der Anfragebeschluss ergangen, der am 10. November 2015 an die anderen Strafsenate abgesandt worden ist. Deren Antworten sind am 15. März 2016 (5. Strafsenat), 28. Juni 2016 (1. Strafsenat), 22. August 2016 (4. Strafsenat) sowie 20. Januar 2017 (2. Strafsenat) eingegangen. Noch bevor sämtliche Antworten vorlagen, hat der Senat am 20. Dezember 2016 den Vorlagebeschluss erlassen; er ist dem Großen Senat für Strafsachen am 22. Februar 2017 übermittelt worden. Dieser hat über die Vorlage am 24. Juli 2017 beraten und beschlossen; anschließend sind die Gründe abgesetzt worden. Der Beschluss ist beim Senat am 1. März 2018 eingegangen.
Die Prüfung der geschilderten Abläufe ergibt, dass – trotz der für die Richter aller Strafsenate und des Großen Senats erforderlichen zeitintensiven Befassung mit der hier entscheidungserheblichen Rechtsfrage – die Zeiträume zwischen der Absendung der Anfrage an die anderen Strafsenate und der Übermittlung der Vorlage an den Großen Senat (mit fast 15 Monaten) sowie zwischen dieser Übermittlung und dem Eingang dessen Beschlusses (mit knapp 13 Monaten) unangemessen groß waren. Darüber hinaus ist bei der Prüfung insbesondere auch die Gesamtdauer des Revisionsverfahrens von mehr als drei Jahren in den Blick zu nehmen, die es unter den gegebenen Umständen im Ganzen als (um ein Jahr) zu lang erscheinen lässt.
c) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Umfang der zur Kompensation erforderlichen Vollstreckungsanrechnung nicht mit dem Ausmaß der Verfahrensverzögerung gleichzusetzen, sondern sie hat nach den Umständen des Einzelfalls grundsätzlich einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu betragen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 147; vom 7. Juni 2011 – 4 StR 643/10, BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 41; vom 12. Februar 2015 – 4 StR 391/14, wistra 2015, 241, 242). Um jede Benachteiligung auszuschließen, erklärt der Senat unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere auch der gegen den Angeklagten vollzogenen Untersuchungshaft, drei Monate der verhängten Freiheitsstrafe als vollstreckt.“
Also mal abseits der Länge der Beratungen / einzelnen Entscheidungsfindung, auf die dieser BGH-Beschluss ja abstellt (dazu kann ich auch weniger sagen, bin schließlich kein BGH-Richter):
Was ich viel eklatanten finde, ist die Verarbeitungsgeschwindigkeit beim Versand: Beschluss vom 15. Oktober, abgewandt erts am 10. November – ein Monat für die (ab)tippen und in den Postausgang.
Aber es geht noch besser: Beschluss am 20.12, abgewandt am 22.02. – über zwei Monate. Und wir reden hier davon, das Papier mal eben in die interne Hauspost zu legen (ok, Erfurt muss trotzdem per Post bedient werden).
Gibt’s irgendeinen unbekannten Nebensatz im GVG, dass das Papier beim BGH in irgendeiner Kammer erst gut abgehangen sein muss (so schön auf Wäscheleine), bevor es rausgehen darf?
Die überarbeiten sich nicht. Und wenn dann auch noch Feiertage dazwischenliegen…