Heute dann ein wenig zur Durchsuchung. Zunächst mit einer Entscheidung des BVerfG, das im BVerfG, Beschl. v. 10.11.2017 – 2 BvR 1775/16 – zur Verhältnismäßigkeit der zur Überprüfung gestellten Durchsuchungsmaßnahme Stellung genommen hat. Der Sachverhalt war wie folgt:
Bei der StA wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls oder (Fund-)Unterschlagung geführt. Das Verfahren war aufgrund einer Strafanzeige einer Zeugin eingeleitet worden. Diese hatte angegeben, ihr Smartphone sei während eines Aufenthalts in einem Billardzentrum gestohlen worden; sie könne aber auch nicht ausschließen, es beim Aussteigen aus dem Auto vor ihrer Wohnung verloren zu haben. Später habe ihr eine weibliche Stimme unter einer Mobilfunknummer mitgeteilt: „Sie kriegen ihr Handy wieder.“ Eine Kontaktaufnahme über SMS sei fehlgeschlagen. Im Laufe der Ermittlungen wurde festgestellt, dass die Mobilfunknummer dem im gegenüberliegenden Haus wohnenden Beschuldigten zugeordnet werden konnte. Auf Antrag der StA ordnete das AG die Durchsuchung der Person und der Wohnung sowie der Fahrzeuge des Beschuldigten nach dem der Zeugin abhanden gekommenen Smartphone an. Dem Beschuldigten wurde Diebstahl oder (Fund-)Unterschlagung zur Last gelegt. Bei der Durchsuchung wurde das Smartphone nicht gefunden. Bei der anschließenden Beschuldigtenvernehmung gab der Beschuldigte an, dass er seinem achtjährigen Sohn ein Handy für gelegentliche Anrufe zur Verfügung gestellt habe. Die Prepaid-Karte sei auf seine Personalien eingetragen. Einige Tage nach dem angeblichen Diebstahl sei seinem Sohn und dessen Freund ein Aushang mit der Überschrift „Smartphon verloren“ aufgefallen. Aus Spaß hätten sie bei der angegebenen Telefonnummer angerufen und mitgeteilt, dass das Wort Smartphone falsch geschrieben worden sei. Sein Sohn habe ihm erzählt, dass auf seinem Handy keine SMS mit einem Herausgabeverlangen angekommen sei. Er könne dies nicht mehr prüfen, da das damalige Handy seines Sohns inzwischen verschwunden sei. Er habe in keiner Weise etwas mit dem Verlust des Handys der Anzeigeerstatterin zu tun. Das Strafverfahren gegen den Beschuldigten wurde daraufhin gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Das LG hat die Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss als unbegründet verworfen.
Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Das BVerfG lässt die Frage des Anfangsverdachts letztlich offen – obwohl man m.E. schon sehr deutlich merken kann, wass es davon hält – sieht aber die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme als nicht gegeben:
2. Letztlich kann dahingestellt bleiben, ob zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses plausible Gründe für einen gegen den Beschwerdeführer gerichteten Anfangsverdacht vorlagen. Jedenfalls waren die tatsächlichen Anhaltspunkte, die möglicherweise auf eine von dem Beschwerdeführer begangene Straftat hinweisen konnten, von so geringem Gewicht, dass sich die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung als unverhältnismäßig darstellt.
a) Aus der Ermittlungsakte ergibt sich, dass der gegen den Beschwerdeführer gerichtete Tatverdacht eines Diebstahls oder einer Unterschlagung im Wesentlichen auf den ungeklärten Verbleib des Smartphones der Anzeigeerstatterin und den Umstand gestützt worden ist, dass diese von einer dem Beschwerdeführer zuzuordnenden Telefonnummer angerufen worden war.
Hinsichtlich des angenommenen Anfangsverdachts eines Diebstahls ist indes zu berücksichtigen, dass die Anzeigeerstatterin angegeben hatte, es könne durchaus sein, dass sie ihr Smartphone beim Aussteigen aus dem Pkw ihrer Freundin oder beim Aufschließen der Haustüre verloren habe, und dass das vordere Fach ihrer Tasche, in welches sie ihr Smartphone hineingelegt hätte, gerissen gewesen sei. Ein Verlust des Smartphones erschien daher zumindest gleichermaßen wahrscheinlich wie ein Diebstahl. Zudem lagen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass sich der Beschwerdeführer in dem Billardzentrum als dem für einen Diebstahl in Betracht kommenden Tatort aufgehalten haben könnte.
Die Annahme des Anfangsverdachts einer durch den Beschwerdeführer begangenen Fundunterschlagung erscheint bereits in Anbetracht des Umstands, dass die Anzeigeerstatterin die Stimme des Anrufers für eine Frauenstimme gehalten hatte, zweifelhaft. Hinzu kommt, dass in dem Telefonat nach den Angaben der Anzeigeerstatterin die Rückgabe des vermissten Smartphones angekündigt worden war, was gerade gegen einen für eine Unterschlagung erforderlichen Zueignungswillen sprach. Auch das anschließende bloße Unterlassen einer Herausgabe des Smartphones war nicht ohne weitere Umstände geeignet, einen Zueignungsvorsatz zu manifestieren (vgl. BGHSt 34, 309 <311 f.>; Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 246 Rn. 9). Im Übrigen erfolgte der Anruf nicht von dem vermissten Mobiltelefon aus, so dass gar nicht feststand, ob der Anrufer überhaupt im Besitz des Smartphones war.
Die tatsächlichen Anhaltspunkte, die auf das Vorliegen einer Straftat und eine Täterschaft des Beschwerdeführers hindeuten konnten, waren somit zumindest sehr schwach.
Hinzu kommt, dass die in Betracht kommende Straftat von ihrem Unrechtsgehalt her eher im unteren Bereich der Eigentumsdelikte anzusiedeln wäre. Der Beschwerdeführer weist zutreffend darauf hin, dass ein gebrauchtes Smartphone der betreffenden Marke bereits für um die 40,00 Euro erworben werden kann, so dass der Schaden nicht weit von der Grenze der Geringwertigkeit gemäß § 248a StGB entfernt gewesen wäre; für eine besondere kriminelle Energie des Täters bestanden keine Anhaltspunkte.
b) Bei dieser Sachlage waren die Ermittlungsbehörden zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit gehalten, alle in Betracht kommenden, naheliegenden und grundrechtsschonenderen Ermittlungsmaßnahmen durchzuführen, bevor sie eine Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers in Betracht ziehen durften. Aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles hätte zumindest eine vorherige Vernehmung des Beschwerdeführers in Betracht gezogen werden müssen. Angesichts des allenfalls sehr schwachen Tatverdachts und der geringen Schwere der Tat stellt sich der mit der Durchsuchung verbundene Eingriff in das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 13 Abs. 1 GG vorliegend als unverhältnismäßig dar.“