Archiv für den Monat: September 2017

Mit Papas Auto einen Unfall gebaut?, oder: Wann ist die Kasko-Versicherung beim führerscheinlosen Sohn leistungsfrei?

Die Frage, die das OLG Oldenburg im OLG Oldenburg, Urt. v. 22.03.2017 – 5 U 174/16 – beantworten musste, lautete: Muss(te) die Kaskoversicherung des väterlichen Pkw für einen Unfall zahlen, den der Sohn und Freunde mit dem geliehenem Wagen verursacht haben? Der Vater hatte sein Auto seinem Sohn und dessen beiden Freunden für einen Abend überlassen. Der Sohn hatte noch keinen Führerschein, daher sollte einer der Freunde fahren. In den frühen Morgenstunden kam es zu einem Unfall, bei dem das Auto mit einem am Seitenrand geparkten Fahrzeug kollidierte. Die herbeigerufene Polizei fand den Wagen verlassen vor. Die Versicherung hatte nicht zahlen wollen, weil sie davon ausgegangen war, dass der Sohn, der noch keine Fahrerlaubnis besitzt, gefahren ist, und dass der Vater dies hätte vorhersehen müssen. Das OLG hat das anders gesehen und hat die Versicherung verpflichtet, den Schaden von rund 8.700 € zu begleichen.

„Entgegen der Auffassung der Beklagten ist diese nicht gemäß Ziff. D.1.4 Satz 2 AKB i. V. m. D.3.1 Satz 1 AKB von ihrer Pflicht zur Leistung befreit.

Gemäß Ziff. D.1.4 Satz 2 AKB darf der Versicherungsnehmer, der Halter oder der Eigentümer das versicherte Fahrzeug nicht von einem Fahrer benutzen lassen, der nicht die erforderliche Fahrerlaubnis besitzt. Leistungsfreiheit gemäß Ziff. D.3.1 Satz 1 AKB setzt voraus, dass die genannte Obliegenheit vorsätzlich verletzt wird. Eine derartige Gestaltung lässt sich – auch nach dem Ergebnis der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme – nicht feststellen.

Dabei kann offen bleiben, ob der Geschäftsführer der Klägerin, wovon das Landgericht ausgegangen ist, den Schlüssel für den versicherten PKW am Nachmittag des 18. April 2015 seinem Sohn G. H. übergeben hat oder ob er ihn, wie er selbst und der Zeuge M.S. vor dem Senat erklärt haben, dem Zeugen H.O. ausgehändigt hat. In keinem Fall ist der Beklagten der Beweis gelungen, dass der Geschäftsführer der Klägerin mit dem zur Verwirklichung des Ausschlusstatbestandes notwendigen Vorsatz gehandelt hat. Dafür müsste er es zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben, dass sein Sohn, der nicht über eine Fahrerlaubnis verfügte, den versicherten PKW selbst fahren würde (vgl. Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., § 28, Rn. 188). Demgegenüber geht der Senat bei zusammenfassender Würdigung aller erhobenen Beweise davon aus, dass der Geschäftsführer der Klägerin, als er den versicherten PKW aus seiner Obhut gab, in der Vorstellung gehandelt hat, der über eine Fahrerlaubnis verfügende Zeuge H.O.werde das Fahrzeug durchgehend lenken.

Wie der Zeuge H.O., der Zeuge M. S.und der Geschäftsführer der Klägerin übereinstimmend bekundet haben, haben sie und G. H. sich vor dem Beginn der fraglichen Fahrt am Nachmittag des 18. April 2015 auf dem Grundstück des Geschäftsführers der Klägerin in Großenmeer getroffen. Der Sache nach haben sich sowohl der Geschäftsführer der Klägerin als auch die Zeugen O. und S. dahin geäußert, dass zwischen den Beteiligten kommuniziert worden war, dass H.O. den PKW führen werde. Wie der Zeuge O. weiter ausgeführt hat, ist er sich seinerzeit im Klaren darüber gewesen, dass G.H. keine Fahrerlaubnis besessen habe. Dementsprechend habe er seine Begleiter auch von G. nach B. zum Essen gefahren und anschließend weiter nach R.

Diese Schilderungen harmonieren wiederum mit dem, was der Zeuge B. vor dem Landgericht über die Vernehmung des Zeugen O. in dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gegen G.H. berichtet hat. Danach hat sich H.O. am 18. April 2015 gerade deshalb zu G.H. nach G. begeben, weil Letzterer keine Fahrerlaubnis besessen hat und man einen Fahrer für den in Rede stehenden PKW benötigte.

Weshalb der Geschäftsführer der Klägerin unter derartigen Umständen billigend in Kauf genommen haben sollte, dass sein Sohn den versicherten PKW als Fahrer benutzen würde, erschließt sich dem Senat nicht.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann dem Geschäftsführer der Klägerin auch keine grobe Fahrlässigkeit im Sinne der Ziff. D.3.1 Satz 2 AKB vorgeworfen werden.

Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet was im konkreten Fall jedermann einleuchten musste (vgl. Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., § 81, Rn. 30 m. w. N.).

Diese Voraussetzungen sind in der vorliegenden Konstellation nicht erfüllt. Umstände, die es aus Sicht des Geschäftsführers der Klägerin nahegelegt haben, dass sein Sohn G.sich in dem Zeitraum vom 18. auf den 19. April 2015 selbst hinter das Lenkrad des versicherten PKW setzen werde, sind nicht ersichtlich.

Ein solcher Rückschluss lässt sich insbesondere nicht aus der Tatsache ziehen, dass die Staatsanwaltschaft Oldenburg ausweislich des Urteils des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Brake vom 25. August 2015 – Az.: 2 Ls 200 Js 49029/14 (187/15) – vor dem in Rede stehenden Unfall bereits zwei Ermittlungsverfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gegen G. H. geführt hatte. Wie der Geschäftsführer der Klägerin vor dem Senat erläutert hat, haben sich diese Verfahren jeweils auf die Benutzung eines Mofas bezogen. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Im Übrigen erscheint die Darstellung des Geschäftsführers der Klägerin nicht zuletzt deshalb plausibel, weil die Staatsanwaltschaft in den betreffenden Verfahren jeweils gemäß § 45 Abs. 1 JGG beziehungsweise § 45 Abs. 2 JGG von der Verfolgung abgesehen hat (am 3. Juli 2012 beziehungsweise 13. November 2013).

Sollte G. H. in den besagten Fällen tatsächlich den Tatbestand des Fahrens ohne Fahrerlaubnis mit einem Mofa verwirklicht haben, was zumindest bei einem Vorgehen nach § 45 Abs. 1 JGG keineswegs sicher feststeht, so wäre dies nach Auffassung des Senats kein Aspekt, der den Geschäftsführer der Klägerin geradezu zwangsläufig zu der Erkenntnis hätte führen müssen, dass sein Sohn, begleitet von einem Bekannten mit Fahrerlaubnis, auch den versicherten PKW selbst führen werde. Zwischen der Benutzung eines möglicherweise „frisierten“ Mofas und dem Führen eines PKW ohne die erforderliche Fahrerlaubnis besteht ein erheblicher qualitativer Unterschied mit der Folge, dass für die Verwirklichung des zuletzt genannten Delikts in der Regel eine deutlich höhere Hemmschwelle zu überwinden ist.

Nach alledem ist in der vorliegenden Konstellation eine Leistungsfreiheit oder Leistungskürzung gemäß Ziff. D.1.4 AKB i. V. m. Ziff. D.3.1 AKB nicht gerechtfertigt. Die übrigen vom Landgericht in Betracht gezogenen Ausschluss- beziehungsweise Kürzungstatbestände greifen ebenfalls nicht ein. Insoweit wird auf die überzeugenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Aspekte, die ihnen den Boden entziehen könnten, zeigt die Beklagte auch in der Berufungsbegründung nicht auf.“

Mofaunfall, oder: Ein 15-jähriger Mofafahrer haftet wie ein „alter“

entnommen wikimedia.org
By Schauff – Schauff, CC BY-SA 3.0

Eine in meinen Augen interessante Frage behandelt das OLG Saarbrücken, Urt. v. 03.08.2017 – 4 U 156/16. Es geht um die Sorgfaltsanforderungen, die an einen Minderjährigen zu stellen sind und dabei um die Frage: Sind sie gemindert: Geklagt hatte ein zum Unfallzeitpunkt 15 Jahre alter Mofafahrer. Der war mit seinem Mofa aus der Zuwegung eines Hauseingangs in Richtung Straße gefahren. Dort kam es auf Grund einer Unvorsichtigkeit des Klägers zum Zusammenstoß mit dem auf der Straße fahrenden Pkw des Beklagten. Das OLG Saarbrücken ist von der Alleinhaftung des Klägers auf Grund seines Verstoßes gegen § 10 Satz 1 StVO ausgegangen:

„b) Diesen gesteigerten Sorgfaltsanforderungen ist der Kläger, der im Unfallzeitpunkt das 15. Lebensjahr vollendet hatte und dessen Einsichtsfähigkeit gemäß § 828 Abs. 3 BGB zu vermuten ist, schuldhaft nicht gerecht geworden.

aa) Insoweit gelten im Straßenverkehr für einen minderjährigen Mofa-Fahrer nicht etwa geringere Sorgfaltsanforderungen. Wer auf öffentlichen Straßen ein Kraftfahrzeug führt, bedarf zwar gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV keiner Fahrerlaubnis, wenn es sich – wie das hier offenkundig der Fall ist – um einspurige Fahrräder mit Hilfsmotor – auch ohne Tretkurbeln – handelt, deren Bauart Gewähr dafür bietet, dass die Höchstgeschwindigkeit auf ebener Bahn nicht mehr als 25 km/h beträgt (Mofas). Indessen muss schon bei der Bewerbung um die Mofa-Prüfbescheinigung eine theoretische und praktische Ausbildung durchlaufen werden. Dabei ist es laut Ziffer 1.5 Anlage 1 FeV in der hier noch anzuwendenden Fassung vom 26.06.2012 Ziel der theoretischen Ausbildung, verkehrsgerechtes und rücksichtsvolles Verhalten im Straßenverkehr zu erreichen (Satz 1). Die theoretische Ausbildung soll beim Kursteilnehmer zu sicherheitsbetonten Einstellungen und Verhaltensweisen führen, verantwortungsbewusstes Handeln im Straßenverkehr fördern und das Entstehen verkehrsgefährdender Verhaltensweisen verhindern. Schließlich muss, wer auf öffentlichen Straßen ein Mofa (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FeV) führt, in einer Prüfung nachgewiesen haben, dass er ausreichende Kenntnisse der für das Führen eines Kraftfahrzeugs maßgebenden gesetzlichen Vorschriften hat (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FeV) und mit den Gefahren des Straßenverkehrs und den zu ihrer Abwehr erforderlichen Verhaltensweisen vertraut ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV). Da der Kläger ausweislich der Verkehrsunfallanzeige Inhaber einer entsprechenden Prüfbescheinigung des TÜV in St. Ingbert vom 10.12.2013 war (Beiakte Bl. 2), ist davon auszugehen, dass er vor dem Verkehrsunfall vom 22.07.2014 die theoretische Ausbildung mit dem Ziel, verkehrsgerechtes und rücksichtsvolles Verhalten im Straßenverkehr zu erreichen und das Entstehen verkehrsgefährdender Verhaltensweisen zu verhindern, durchlaufen hat.“

Ich weiß: Die Dame auf dem Bild dürfte etwas älter als 15 sein 🙂 .

Ich habe da mal eine Frage: Erhalte ich keine Grundgebühr?

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Im Moment ist mein Reservoir an Fragen ziemlich erschöpft. Daher nehme ich heute mal eine Frage, die vor zwei Wochen in der Facebook-Gruppe „Fachanwälte für Strafrecht“ diskutiert worden ist. Also nichts Neues. Es ging um Folgendes:

Hallo KollegenInnen,

ich brauche mal die Hilfe in einer gebührenrechtlichen Frage.

Ich haben einen Mandanten in einem verkehrsrechtlichen Ermittlungsverfahren vertreten. Ich habe Akteneinsicht beantragt, auch erhalten und konnte der Akte entnehmen, dass ein Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung meines Mandanten sowie ein Beschluss nach § 111a, i.V.m. §§ 69, 69 a in der Akte war. Nach Rückfrage mit dem Mandanten habe ich Beschwerde (beides noch nicht vollzogen) gegen den 111a-Beschluss eingelegt. Dann gegenüber dem Landgericht noch einmal weiter begründet und Unterlagen nachgereicht und sodann wurden beide Beschlüsse aufgehoben, Kosten Beschwerde der LK auferlegt. Dann kurze Zeit später wurde das Verfahren gem. § 170 II eingestellt.

Nun mache ich meine Gebühren gegen die LK geltend. Die streichen die 4100 VV mit der folgenden Begründung:

Die Gebühr erhält nur der Verteidiger. Ich war aber – nur – im Beschwerdeverfahren tätig. Es sei mithin eine Einzeltätigkeit gewesen und deswegen nur die 4302 VV angemessen zzgl. Postporto. Da nicht durchsucht wurde, kann ich auch keinen Antrag nach StrEG stellen.
Was ist mit den restlichen Gebühren?“

Na? Aber bitte nicht die, die die Lösung schon kennen 🙂 .

Grundgebühr mit Haftzuschlag und Gebühren bei Rücknahme der Revision?, oder: Zweimal nein.

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„Richtig“ ums Geld geht es dann im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 07.08.2017 – 2 Ws 176/17 -, und zwar auf der Grundlage folgenden Sachverhalts: Der Angeklagte, der sich vom 21.07. bis zum 25.07.2016 in Untersuchungshaft befunden hat, ist vom LG am 21.02.2017 vom Vorwurf des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, begangen am 07.06.2016, freigesprochen worden. Die Verfahrenskosten sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten wurden der Staatskasse auferlegt. Gegen dieses Urteil hatte die Staatsanwaltschaft zunächst Revision eingelegt, diese jedoch nach Kenntnisnahme der schriftlichen Urteilsgründe wieder zurückgenommen, so dass das Urteil rechtskräftig ist. Der Verteidiger des ehemaligen Angeklagten hat die Festsetzung der seinem Mandanten für das erstinstanzliche Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen gegenüber der Staatskasse beantragt, wobei er jeweils die Höchstgebühr geltend gemacht hat, für das Revisionsverfahren ist jeweils die Mittelgebühr angesetzt worden. Das LG hat die angemeldeten Gebühren nur zum Teil festgesetzt, es hat die Höchstgebühren teilweise als unbillig hoch angesehen. Die Kostenerstattung für das Revisionsverfahren hat das LG insgesamt mit der Begründung abgelehnt, dass die Verteidigerkosten im Revisionsverfahren für eine Tätigkeit schon vor der Begründung des Rechtsmittels nicht erstattungsfähig seien, wenn die Staatsanwaltschaft das allein von ihr eingelegte Rechtsmittel bereits vor dessen Begründung zurückgenommen habe. Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss hat der Verteidiger sofortige Beschwerde eingelegt. Diese hatte keinen Erfolg.

Ich will hier nur die Ausführungen des OLG zur Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG vorstellen. Da ging es u.a. um den Haftzuschlag, zu dem das OLG anmerkt:

aa) Entgegen der Auffassung des Verteidigers steht ihm für die Grundgebühr kein Haftzuschlag zu, so dass nicht vom Gebührenrahmen nach Nr. 4101 VV RVG (der eine Gebühr von 40,- bis 450,- Euro vorsieht), sondern von demjenigen nach Nr. 4100 VV RVG (der eine Gebühr von 40,- bis 360,- Euro vorsieht) auszugehen ist.

Zwar müssen die Voraussetzungen für den Haftzuschlag nicht schon beim Entstehen der jeweiligen Gebühr, für die der Zuschlag bestimmt ist, vorliegen; vielmehr genügt es, dass der Mandant während des Zeitraums, den die einzelne Gebühr abdeckt, irgendwann nicht auf freiem Fuß ist (Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl. 2017, Vorb 4 VV Rn. 44, Nr. 4100, 4101 Rn. 18 [bzgl. der Grundgebühr]; Rehberg/Schons/Vogt u. a., RVG, 6. Aufl. 2015, Strafsachen I. 1.2.4, S. 866; Burhoff, aaO, Vorbem. 4 VV Rn. 107).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall hinsichtlich der Grundgebühr nicht erfüllt. Bezogen auf deren Abgeltungsbereich war der Beschwerdeführer ununterbrochen auf freiem Fuß.

Die Grundgebühr honoriert den zusätzlichen Aufwand „für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall“. Die Einarbeitungstätigkeit beginnt beim Wahlverteidiger mit der ersten Tätigkeit, die zeitlich in der Regel mit dem Abschluss des Mandatsvertrags zusammenfällt. Dazu gehören insbesondere das erste Gespräch mit dem Mandanten und die Beschaffung der erforderlichen Informationen sowie auch die erste Akteneinsicht nach § 147 StPO (Hartung/Schons/Enders, aaO, Nr. 4100, 4101 VV Rn. 11 und 16; Burhoff, aaO, Nr. 4100 VV Rn. 31 ff.). Darüber hinaus werden (nur) sämtliche übrigen Tätigkeiten, die zusätzlicher Aufwand für die erstmalige Einarbeitung sind und in (unmittelbarem) zeitlichen Zusammenhang mit der Übernahme des Mandats anfallen, von der Grundgebühr erfasst. Ist dieser überschritten, unterfallen die weiteren Tätigkeiten dem Abgeltungsbereich der daneben immer entstehenden Verfahrensgebühr (Burhoff, aaO, Nr. 4100 VV Rn. 34). Als Faustregel gilt danach: Alle die Tätigkeiten des Verteidigers, die auf einer ersten Einarbeitung aufbauen, werden nicht mehr vom Abgeltungsbereich der Grundgebühr erfasst (Burhoff, aaO, Nr. 4100 Rn. 35).

Im vorliegenden Fall ist die Grundgebühr mit dem Abschluss des Mandatsvertrags entstanden, was ausweislich der Vollmachtsurkunde am 08.06.2017 – also einen Tag nach dem in Rede stehenden Vorfall – gewesen sein dürfte. Akteneinsicht wurde dem Verteidiger erstmals im Rahmen des Verfahrens zur Entscheidung über die Beschwerde seines Mandanten gegen die mit Beschluss des Amtsgerichts Heidelberg vom 13.06.2016 angeordnete vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis mit Verfügung vom 22.06.2016 gewährt. Die Einarbeitungsphase war spätestens am 27.06.2016 abgeschlossen, denn dem Schriftsatz des Verteidigers von diesem Tage kann entnommen werden, dass er die ihm übersandten Akten bis dahin nicht nur erhalten, sondern auch durchgearbeitet hatte, weshalb er „beim jetzigen Ermittlungsstand“ die Beschwerderücknahme erklärte. Die Festnahme des damaligen Beschuldigten erfolgte indes erst einen knappen Monat später am 21.07.2016 aufgrund des an diesem Tag ergangenen Haftbefehls; jedenfalls zu diesem Zeitpunkt konnte von der Einarbeitungsphase keine Rede mehr sein, so dass die Inhaftierung den Haftzuschlag für die Grundgebühr nicht mehr entstehen lassen konnte.“

Das ist zutreffend

Für das Revisionsverfahren hat das OLG übrigens keine Kosten erstattet. Es hat sich insoweit der nach seiner Auffassung „deutlich überwiegenden Auffassung“ angeschlossen, dass die für das Rechtsmittelverfahren geltend gemachten Gebühren und Auslagen nicht erstattungsfähig sind, wenn die Staatsanwaltschaft das von ihr eingelegte Rechtsmittel vor der Begründung zurücknimmt, da die entsprechenden Auslagen nicht notwendig im Sinne von § 473 Abs. 2 i.V.m. § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO waren (vgl. wegen der Nachw. aus der Rechtsprechung Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 4130 VV Rn 6; a.A. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl. 2017, § 464a Rn. 10; LR-Hilger, StPO, 26. Aufl. 2010, § 464a Rn. 34 ff., 37; Hartung/Schons/Enders, a.a.O.; Nr. 4130-4135 VV Rn. 11; Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O.). Dass diese in meinen Augen rein fiskalische Rechtsprechung der OLG falsch ist, habe ich schon wiederholt dargelegt (vgl. eingehend auch RVGreport 2014, 41). Dem ist nichts hinzu zu fügen, denn, wenn es noch nicht einmal Meyer-Goßner/Schmitt (a.a.O.) und LR-Hilger (a.a.O.) gelingt, die OLG zu überzeugen, dann lohnt sich weiteres Sturmlaufen gegen die Ansicht der OLG nicht mehr.

Simultane Übersetzung, ja, aber: Das Honorar dafür gibt es nicht

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Freitag ist „Zahltag“ = Tag der gebührenrechtlichen Entscheidungen. Allerdings habe ich da nicht immer etwas parat, so dass man auch mal ausweichen muss. Und das tue ich heute, und zwar auf den – schon etwas älteren – OLG Brandenburg, Beschl. v. 24.11.2016 – 2 Ws 200/16 -, der sich mit der Höhe des Dolmetscherhonorars befasst.

Es geht um den Antrag einer Dolmetscherin in einem Strafverfahren. Sie wurde durch Verfügung des Vorsitzenden der Strafkammer zum Hauptverhandlungstermin als Dolmetscherin hinzugezogen und nahm diese Tätigkeit wahr. Sie stellte später für ihre Tätigkeit eine Vergütung von insgesamt 791,94 € in Rechnung, wobei sie den Stundensatz für simultanes Dolmetschen zugrunde gelegt hat. Nach zunächst antragsgemäßer Auszahlung der beantragten Vergütung forderte die Anweisungsbeamtin die Antragstellerin zur Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 50,57 € auf, weil sie nicht als Simultandolmetscherin geladen worden sei und ihr insofern nur ein Stundensatz von 70 € zustehe. Hiergegen legte die Antragstellerin „Widerspruch“ ein, den die Anweisungsbeamtin der Strafkammer zur Entscheidung vorgelegt hat. Die hat den „Widerspruch“ als Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG ausgelegt und die Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Der die damalige Hauptverhandlung leitende Strafkammervorsitzende hatte in seiner dienstlichen Stellungnahme mitgeteilt, er könne sich nicht mehr daran erinnern, ob er die Antragstellerin zum simultanen Dolmetschen aufgefordert habe. Der beisitzende Richter hat dargelegt, sich nicht daran erinnern zu können, ob die Dolmetscherin ausdrücklich angewiesen worden sei, simultan zu übersetzen. Sie habe es jedenfalls getan, weil es mit Sicherheit unterbunden worden wäre, wenn sie konsekutiv übersetzt hätte, denn in diesem Übersetzungsmodus lasse sich eine strafrechtliche Hauptverhandlung nicht sachgerecht durchführen. Das LG ist auf der Grundlage von einer konkludenten Anordnung ausgegangen, die ausreichend sei. Die (zugelassene) Beschwerde des Bezirksrevisors hatte Erfolg.

Der Leitsatz der Entscheidung

„Das erhöhte Honorar des Dolmetschers nach § 9 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 JVEG entsteht nur bei ausdrücklicher Heranziehung für simultanes Dolmetschen. Eine stillschweigende, nicht dokumentierte Auftragserteilung unter Berücksichtigung der tatsächlich praktizierten Art des Dolmetschens genügt hierfür nicht.“

Das OLG meint, dass die vom LG vertretene Auffassung, dass auch die konkludente Erteilung einer Anordnung zu simultanem Dolmetschen ausreiche, nicht der insoweit klaren gesetzlichen Regelung entspreche. Diese stelle vielmehr gerade auf eine ausdrückliche Heranziehung zum Simultandolmetschen ab. Voraussetzung hierfür sei zwar nicht, dass diese Art des Dolmetschen bereits bei der Ladung zum Termin genannt wird; insoweit genügt es, wenn der Vorsitzende dem herangezogenen Dolmetscher bei Beginn der Tätigkeit mitteile, dass simultan gedolmetscht werden solle (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 07. 07.2014 – 1 Ws 301/14). Eine ausdrückliche diesbezügliche Erklärung im Vorhinein sei indes nicht verzichtbar.

Die Entscheidung hat den – auf den ersten Blick – eindeutigen – Gesetzeswortlaut für sich. M.E. ist sie aber in sich widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Es trifft zwar zu, dass, worauf das OLG hinweist, nach § 9 Abs. 3 Satz 1 2. Hs JVEG „maßgebend ist ausschließlich die bei der Heranziehung im Voraus mitgeteilte Art des Dolmetschens“. Aber das Erfordernis, das sich seiner Ansicht nach auch aus dem Willen des Gesetzgebers ergibt, gibt das OLG selbst auf, wenn es ausreichend sein lässt, wenn der Vorsitzende dem herangezogenen Dolmetscher bei Beginn der Tätigkeit mitteilt, dass simultan gedolmetscht werden soll. Das erfüllt m.E. auch nicht die Vorgaben des Gesetzgebers, wonach „die Heranziehung ausdrücklich für simultanes Dolmetschen erfolgt“ sein muss (BT-Drucksache 17/11471, S. 354). Warum man, wenn man sich an die schon nicht hält, dann nicht auch den zweiten Schritt macht, und die tatsächliche Art der Heranziehung ausreichen lässt, wenn bei der Ladung die Art der Übersetzung nicht mitgeteilt worden ist, erklärt das OLG nicht. Und warum eine konkludente Heranziehung nicht ausreichend sein soll, erschließt sich darüber hinaus nicht?