Da habe ich dann gestern auf der Homepage des BGH mal wieder eine Entscheidung gefunden, mit der der BGH ein LG-Urteil aufgehoben hat, weil er einen in meinen Augen groben Strafzumessungsfehler feststellt. Das ist dann mal wieder eine der Entscheidungen, die in die Rubrik: „Man glaubt es nicht“, gehört. Oder eben klassischer Fehler. Ich denke, die Leser werden mir beipflichten, wenn sie den BGH, Beschl. v. 10.01.2017 – 4 StR 521/16 – lesen:
Der Strafausspruch hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Die strafschärfende Erwägung des Landgerichts, die Angeklagte habe „keinerlei Reue und Einsicht in ihr Fehlverhalten“ gezeigt, sondern sei „auch in der Hauptverhandlung trotzig und unbelehrbar“ erschienen (UA 14), begegnet durchgreifenden Bedenken. Dass die die Tat bestreitende Angeklagte keine Reue und Unrechtseinsicht zeigte, durfte nicht zu ihrem Nachteil gewertet werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Januar 2016 – 4 StR 521/15; vom 8. Janu-ar 2015 – 3 StR 543/14; vom 29. Januar 2014 – 1 StR 589/13, NStZ 2014, 396, 397). Eine andere Bewertung wäre nur in Betracht gekommen, wenn die Angeklagte bei ihrer Verteidigung ein Verhalten an den Tag gelegt hätte, das im Hin-blick auf ihre Persönlichkeit und die Art der Tat auf eine besondere Rechtsfeindlichkeit und Gefährlichkeit schließen ließe (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. November 1993 – 1 StR 655/93, StV 1994, 125; vom 7. November 1986 – 2 StR 563/86, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 4; vom 9. Juni 1983 – 4 StR 257/83, NStZ 1983, 453); ein derartiges Verteidigungsverhalten ist hier indes weder festgestellt noch sonst ersichtlich.“
Für mich wirklich „unfassbar“, dass eine große Strafkammer so eine Strafschärfung (!) begründet.
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Wie reagiert eigentlich ein Verteidiger spontan, wenn er solch ein Urteil im Falle seines Mandanten zum ersten mal ließt?Entsetzen über so eine Strafkammer? Oder heftiges, schon irre klingendes, nicht enden wollendes Gelächter, dass man solch ein Revisionsgeschenk bekommen hat?
@WPR_bei_WBS: ehrlich gesagt: eine Mischung aus beidem 😉
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@WPR_bei_WBS: Aber nur, wenn der Verteidiger selbst den Fehler bemerkt. Viele Verteidiger beschäftigen sich nämlich leider zu wenig mit Strafzumessung. Und dann rutscht ein solcher Fehler durch. Das Revisionsgericht merkt es – i.d.R. – und hebt auf die Sachrüge hin dann auf.