Der Kollege Florian C.A. Alte aus Anzing hat mir den OLG München, Beschl. v. 04.10.2016 – 4 OLG 15 Ss 456/16 – übersandt. Problematik des Beschlusses: Ist die vom Angeklagten, der vom Amtsgericht wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB) in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG) verurteilt worden ist, erklärte Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß wirksam oder nicht. Voraussetzung dafür ist, dass vom AG ausreichende tatsächliche Feststellungen getroffen worden sind, um den Rechtsfolgenausspruch zu tragen. Das hat das OLG verneint:
„Insbesondere zu den Verkehrsdelikten hat der Senat in ständiger Rechtsprechung, an der jedenfalls derzeit festzuhalten ist, erkannt, dass der Tatrichter sich nicht auf Feststellungen beschränken darf, die nur die reine tatbestandsmäßige Schuldform betreffen. Vielmehr ist der Tatrichter wegen der Bedeutung für die Rechtsfolgen gehalten, Feststellungen auch zur Motivation der Tat, den konkreten Verkehrsverhältnissen bei Tatbegehung, insbesondere zu möglichen Gefährdungen anderer Straßenverkehrsteilnehmer, und zum Anlass der Tat zu treffen. Beschränkt sich das Erstgericht auf die Feststellungen allein zur Schuldform und unterlässt es die weiteren Feststellungen, ist eine Beschränkung des Rechtsmittels nach § 318 StPO unwirksam und der Berufungsrichter gehalten, den Sachverhalt unter Beachtung der revisionsrechtlichen Vorgaben vollumfänglich festzustellen. (OLG München aaO).
Die vom Amtsgericht Ebersberg getroffenen und unter 1. dieses Beschlusses ausgewiesenen Feststellungen betreffen weitestgehend nur die reine Schuldform. Das Urteil des ersten Rechtszugs teilt nichts zur gefahrenen Fahrstrecke, zum Anlass der Fahrt und zur tatsächlichen Geschwindigkeit des Kfz mit. Nach Ansicht des Senats wären derartige Feststellungen notwendig, um den Anforderungen an einen alle für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte abwägenden Rechtsfolgenausspruch gerecht zu werden. Mithin war das Urteil lückenhaft und einer Beschränkung der Berufung nach § 318 StPO nicht zugänglich. Das hat die Berufungskammer verkannt.“
Was den Kollegen erstaunt hat und was auch schon ein wenig ungewöhnlich ist: Im Beschluss des OLG München kein Hinweis auf den OLG Nürnberg, Beschl. v. 21. 10. 2015 – 1 OLG 2 Ss 182/15., mit dem das OLG Nürnberg dem BGH vorgelegt hat, um die umstrittene Frage des Umfangs der tatsächlichen Feststellungen – beim Fahren ohne Fahrerlaubnis – klären zu lassen (vgl. dazu Das OLG Nürnberg traut sich: BGH-Vorlage zum Fahren ohne Fahrerlaubnis). Nun, ich denke, dass das OLG München die Entscheidung aus Nürnberg nicht übersehen hat, sondern das Schweigen daran liegt, dass es bei dem OLG Nürnberg-Beschluss nur um eine Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis ging, im Fall des OLG München aber auch eine fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung (§ 315c StGB) ausgeurteilt worden ist. Ich meine, da kann man schon unterschiedlicher Auffassung hinsichtlich des Umfangs der Feststellungen sein. Und immerhin schreibt der Senat ja: „….. in ständiger Rechtsprechung, an der jedenfalls derzeit festzuhalten ist, ..“.
Schauen wir mal, was passiert, wenn der BGH entschieden hat. Ggf. werden sich die Tatgerichte dann umtun müssen.
Aus einigermaßen sicherer Quelle habe ich erfahren, dass sich die Vorlage des OLG Nürnberg durch Revisionsrücknahme erledigt hat..
Dann hat das Warten ja ein Ende 🙂
Ach so, und natürlich: Danke