Ob und wann bei einer vom AG geplanten Erhöhung der Geldbuße ein rechtlicher Hinweis erforderlich ist, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht eindeutig geklärt. Das OLG Hamm hat jetzt noch einmal zu der Frage Stellung genommen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 09.08.2016 – 1 RBs 181/16). Im Bußgeldbescheid war gegen die Betroffene eine Geldbuße von 85 € festgesetzt. Das AG setzt eine Geldbuße von 90 € fest. Das beruht allerdings auf einem Irrtum, den festgesetzt werden sollte, eine Geldbuße von 65 €. Im Rahmen der Begründung des Rechtsfolgenausspruches führt das AG dazu aus, dass der bundeseinheitliche Tatbestandskatalog für eine Ordnungswidrigkeit, wie sie die Betroffene begangen habe, unter Nr. 109601 eine Regelgeldbuße i.H. v. 85 € vorsehe, aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen sei aber bei Urteilserlass versehentlich die Regelgeldbuße des Tatbestands Nr. 109607 (120 €) zugrunde gelegt worden. Zu Gunsten der Betroffenen sei berücksichtigt worden, dass nicht sicher ausgeschlossen werden könne, dass der Zeuge den Unfall möglicherweise durch eine bessere Reaktion hätte vermeiden können. Aus diesem Grund sei die zu Grunde gelegte Regelgeldbuße um 25 % von 120 auf 90 € reduziert worden. Richtigerweise hätte ein Bußgeld in Höhe von 65 € verhängt werden müssen.
Das OLG setzt dann im Rechtsbeschwerdeverfahren eine Geldbuße von 65 € fest. Es sieht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG). Zwar bedürfe es grundsätzlich bei der Verhängung einer höheren als im Bußgeldbescheid festgesetzten Geldbuße wohl keines Hinweises an den Betroffenen (vgl. OLG Stuttgart DAR 2010, 590 = VA 2011, 52). Etwas anderes gelte aber dann, wenn es sich bei der Erhöhung der Geldbuße um eine unzulässige Überraschungsentscheidung handelt, d.h., wenn der Betroffene ohne einen entsprechenden Hinweis des Gerichtes nicht damit rechnen muss, dass die gegen ihn im Bußgeldbescheid verhängte Regelgeldbuße erhöht werden würde (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.; OLG Jena VRS 113, 330; diesem folgend OLG Hamm DAR 2010, 99; vgl. auch noch KG VA 2014, 102). Das OLG begründet das mit dem Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), der Überraschungsentscheidungen verbiete.
Der Verteidiger sollte diese Rechtsprechung im Auge behalten und das Fehlen eines rechtlichen Hinweises mit der Verfahrensrüge geltend machen. Dabei kommt es immer darauf an, ob der Betroffene mit einer Erhöhung der Geldbuße aus dem Bußgeldbescheid rechnen musste. In dem Zusammenhang spielen dann seine Einkommensverhältnisse, ggf. vorliegende Voreintragungen sowie die Schuldform eine Rolle.
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