Aller „guten“ (?) Dinge sind drei. Nach dem OLG Hamm, Beschl. v. 27.07.2016 – 2 RBs 131/16 und Ich kann es nicht mehr lesen I, oder: Schon wieder Entbindungsantrag und u.a. dem BGH, Beschl. v. 02.08.2016 – 2 StR 454/15 und Ich kann es nicht mehr lesen II, oder: Schon wieder Nebenklägerrevision dann nun der Verteidiger, der sich vielleicht besser sein Lehrgeld wieder geben lassen sollte. Und zwar wegen mal wieder nicht ausreichend begründeter Verfahrensrügen, bei denen – in meinen Augen – kein Revisionsrecht am Hochreck gefordert war, sondern nur revisionsrechtliches Ein-Mal-Eins. Der BGH, Beschl. v. 23.06.2016 – 5 StR 210/16 – spricht da m.E. für sich:
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Die Angeklagten A. F. und S. machen in Beweisantragsrügen jeweils geltend, dass die Jugendkammer ein aussagepsychologisches Gutachten hinsichtlich der Nebenklägerin hätte einholen müssen. Zur Begründung ihrer Beweisanträge stützen sie sich zentral auf Widersprüche zwischen der Aussage der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung und ihren Angaben bei den polizeilichen Vernehmungen. Die Rügen genügen auch deswegen den Voraussetzun-gen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht, weil die diesbezüglichen Vernehmungsniederschriften nicht mitgeteilt werden.
2. Der Angeklagte A. F. hat ferner bei seiner Rüge der Verletzung des absoluten Revisionsgrundes nach § 338 Nr. 5 StPO die Anforderungen an das Rügevorbringen verfehlt. Er trägt zwar vor, die Entlassverhandlung in Bezug auf die Nebenklägerin und Hauptbelastungszeugin habe in seiner Abwesenheit (§ 247 StPO) stattgefunden. Jedoch ergibt sich aus dem Protokoll über die Sit-zung vom 9. März 2015 (Sachakten Bl. 3305), dass nach Unterrichtung des Angeklagten über den wesentlichen Inhalt der Vernehmung der Zeugin und unmittelbar vor deren Entlassung in seiner Anwesenheit zweimal „die weitere Verfahrensweise besprochen“ worden ist. Die Revision hätte sich dazu verhalten müssen, ob – was naheliegt – in diesem Rahmen die Frage der Entlassung und ein Verzicht des Angeklagten auf weitere Fragen an die Zeugin erörtert worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 8. April 1998 – 3 StR 643/97, BGHR StPO § 247 Abwesenheit 18 mwN).
3. Die Inbegriffsrügen des Angeklagten S. hinsichtlich der „Chats“ zwischen ihm und dem Angeklagten A. sowie Fotos auf dem Mobiltelefon des Zeugen M. versagen schon deswegen, weil der Angeklagte weder die gesamte Verschriftung des „Chatverlaufs“ noch die fraglichen Fotos vorgelegt hat. Oh-ne deren Kenntnis vermag der Senat die Begründetheit des Vorbringens nicht zu prüfen.
4. Die durch den Angeklagten H. F. erhobene Beweisantragsrüge betreffend ein ärztliches Attest kann nicht durchdringen. In seinem Antrag hat der Angeklagte durch Zeugnis der behandelnden Ärztin unter Beweis gestellt, dass der Zeuge H. „in der Hauptverhandlung vom 9. April 2015 gelogen hat, als er bekundete, seine Ärztin hätte ihm für sein Nichterscheinen in der hiesigen Hauptverhandlung am 26. März 2015 ein Gefälligkeitsattest ausgestellt“. Damit ist keine bestimmte Tatsache unter Beweis gestellt, die der eigenen Wahrnehmung der benannten Zeugin unterliegt, sondern lediglich ein Beweisziel benannt; zudem weist der Begriff des „Gefälligkeitsgutachtens“ wertenden Charakter auf (dazu etwa KK-StPO/Krehl, 7. Aufl., § 244 Rn. 74 f. mwN). Durch die Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) war die Jugendkammer nicht gehalten, der durch den Angeklagten aufgeworfenen, in der Sache peripheren Frage näher nachzugehen.
Also: Lieber lassen, wenn man es nicht kann.
In dem Beschluss bekommt dann aber auch die Staatsanwaltschaft einen mit/ihr Fett ab:
„Im Hinblick auf die Vielzahl der Verfahrensrügen hätte eine Revisionsgegenerklärung der Staatsanwaltschaft die Prüfung durch das Revisionsgericht wesentlich erleichtert (Nr. 162 Abs. 2 Satz 1 RiStBV).“
Wonach beurteilt sich denn, dass „davon abgesehen [wird], dem Angeklagten A. F. die Kosten seines Rechtsmittels aufzuerlegen“?
Ich gehe davon aus, dass es sich um ein JGG-Verfahren handelt – „Jugendkammer“ -, so das § 74 JGG gilt.
Danke!