In die Rubrik „Klassischer Fehler“ gehört m.E. der BGH, Beschl. v. 10.05.2016 – 4 StR 25/16. Das folgt für mich schon aus der Formulierung des BGH: „….wie der BGH in ständiger Rechtsprechung immer wieder betont hat“. So zeigt ein Revisionsgericht seinen (leichten) Unmut über das Tatgericht. Hier was es das LG Halle, dass die Bewährungsfragen nicht richtig auf die Reihe bekommen hat. Verurteilt hat das LG den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Jugendlichen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Strafaussetzung zur Bewährung, die ja nach § 56 StGB noch möglich gewesen wäre, hat das LG nicht gewährt. Der BGH hebt auf und „rückt den Generalbundesanwalt ein“ – auch eine Form zu zeigen, was man von dem Urteil des LG hält:
„a) Grundsätzlich gilt, dass – wie überhaupt bei der Rechtsfolgenbemes-sung – dem Tatrichter für die Entscheidung über die Strafaussetzung ein weiter Beurteilungsspielraum zuerkannt ist, in dessen Rahmen das Revisionsgericht jede rechtsfehlerfrei begründete Entscheidung hinzunehmen hat (BGH, Urteil vom 13. Februar 2001, 1 StR 519/00 = NStZ 2001, 366). Hat das Gericht die für und gegen eine Aussetzung sprechenden Umstände gesehen und gewürdigt und ist – namentlich aufgrund seines in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks – zu dem Ergebnis gekommen, dass die Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Verhaltens nicht größer ist als diejenige neuer Straftaten (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 1997, 2 StR 363/97 = NStZ 1997, 594), so ist dessen Entscheidung grundsätzlich auch dann hinzunehmen, wenn auch eine andere Bewertung denkbar gewesen wäre.
b) Erforderlich ist aber – wie der BGH in ständiger Rechtsprechung immer wieder betont hat (BGH, 1 StR 519/00, aaO; Beschluss vom 10. Januar 2007, 5 StR 542/06) -, dass das Gericht die für und gegen eine Aussetzung sprechenden Umstände vollständig erfasst und würdigt und dabei – was vorliegend angesichts der bisherigen Unbe-straftheit von besonderer Bedeutung ist – auch und gerade die Wir-kung einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe auf den Angeklagten in den Blick zu nehmen hat. Gerade weil die Kammer ihre negative Sozialprognose entscheidend auf die ungünstigen Lebensverhältnisse stützt, war es unabdingbar zu erörtern, ob eine Strafaussetzung zur Bewährung mit entsprechender Begleitung durch einen Bewährungshelfer und eventuelle weitere Weisungen (§ 56c StGB) nicht eine stabilisierende Wirkung auf das Leben des Angeklagten haben könnte.
Da die Kammer dies nicht erkennbar berücksichtigt hat, ist ihre Würdigung unvollständig und deshalb ermessensfehlerhaft.
c) Zwar vermochte die Kammer auch keine „besonderen Umstände“ im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB festzustellen. Es ist jedoch nicht ausge-schlossen, dass die Kammer auch insoweit „besondere Umstände“ namentlich in der Person des Angeklagten festgestellt hätte, wenn sie die möglichen Auswirkungen einer unter strengen Auflagen zur Bewährung ausgesetzten Strafe bedacht hätte, zumal das Gericht seine negative Wertung insoweit ganz entscheidend auf die unveränderten Lebensumstände gestützt hat (UA S. 25). Es ist anerkannt, dass zu den nach § 56 Abs. 2 StGB zu berücksichtigenden Umständen auch solche gehören können, die schon für die Prognose nach Abs. 1 zu berücksichtigen waren (BGH, Beschluss vom 16. Dezem-ber 2009, 2 StR 520/09 m.w.N.) und die Erwartung, der Angeklagte werde sich künftig straffrei führen, auch für die Beurteilung, ob „besondere Umstände“ vorliegen, von Bedeutung ist (Senat, Beschluss vom 21. September 2006, 4 StR 323/06)….“