Der 3. Strafsenat des BGH hat im BGH, Beschl. v. 04.02.2016 – StB 23/14 – eine Entscheidung des OLG Frankfurt aufgehoben, in der es um eine TKÜ ging, bei der Gespräche mit einer Rechtsanwältin abgehört worden waren. Der Ermittlungsrichter des BGH hatte 2008 in einem Ermittlungsverfahren, das u.a. wegen des Verdachts des Völkermordes geführt wurde, die Überwachung der Telekommunikation, die von einem bestimmten Telefonanschluss geführt wurde, angeordnet. Auf dieser Grundlage wurden zwischen dem überwachten Anschluss und dem Anschluss der Rechtsanwältin insgesamt 19 Telekommunikationsereignisse aufgezeichnet. Hiervon benachrichtigte der GBA die Rechtsanwältin. Die hat einen Antrag nach § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO gestellt. Das OLG hatte dann im Urteil festgestellt, dass die angefochtenen TKÜ-Maßnahmen rechtmäßig angeordnet und in rechtmäßiger Art und Weise vollzogen worden seien. Dagegen dann die gemäß § 101 Abs. 7 Satz 3, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO statthafte sofortige Beschwerde, die beim BGH Erfolg hatte:
„Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg; denn die Aufzeichnungen über die durch die verfahrensgegenständlichen Überwachungsmaßnahmen gewonnenen Erkenntnisse hätten nach § 160a Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 5 StPO unverzüglich gelöscht werden müssen. Dies gilt auch dann, wenn man die während der Durchführung der Ermittlungsmaßnahmen sowie zum Zeitpunkt der Benachrichtigung nach § 101 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 StPO geltende Fassung des § 160a Abs. 1 StPO anwendet, nach der – soweit hier von Bedeutung – im Gegensatz zu der seit dem 1. Februar 2011 geltenden Neufassung die Norm lediglich Verteidiger, nicht aber Rechtsanwälte im Allgemeinen erfasste. Im Einzelnen:
1. Die Beschwerdeführerin war zwar zu keinem Zeitpunkt als solche mandatierte Verteidigerin des Beschuldigten. Jedoch beginnt das berufsbezogene Vertrauensverhältnis, das zu schützen § 160a Abs. 1 i.V.m. § 53 StPO beabsichtigt, nicht erst mit Abschluss des zivilrechtlichen Geschäftsbesorgungsvertrages, sondern umfasst auch das entsprechende Anbahnungsverhältnis (vgl. im Einzelnen BGH, Beschluss vom 18. Februar 2014 – StB 8/13, BGHR StPO § 53 Abs. 1 Nr. 2 Anwendungsbereich 1 mwN). Ein solches Anbahnungsverhältnis ist hier anzunehmen.
Dies ergibt sich insbesondere aus den Inhalten der Telefonate vom 24. April 2008 (SASO IV, lfd. Nr. 350), 29. April 2008 (SASO IV, lfd. Nr. 689) und 2. Mai 2008 (SASO IV, lfd. Nr. 799). Gegenstand dieser Gespräche, die zwischen der Ehefrau des Beschuldigten und der Beschwerdeführerin geführt wurden, war die Suche nach einem Rechtsanwalt für den Beschuldigten. So teilte die Ehefrau des Beschuldigten in dem Telefonat vom 24. April 2008 u.a. mit, dieser wünsche sich die Beschwerdeführerin als Vertreterin. In dem Gespräch vom 29. April 2008 erklärte die Beschwerdeführerin, sie habe den Beschuldigten gebeten, ihr eine Vollmacht zu unterschreiben und zuzuschicken. Außerdem fragte sie nach den Gegenständen, die bei der Hausdurchsuchung beschlagnahmt wurden und ob etwas dabei gewesen sei, was den Beschuldigten belasten könne. Dies verneinte die Ehefrau des Beschuldigten. In der Unterhaltung am 2. Mai 2008 wird schließlich ausgeführt, der Beschuldigte habe einem anderen Rechtsanwalt Vollmacht erteilt und es sei nicht notwendig, zwei Rechtsanwälte gleichzeitig zu beauftragen. Bei einem Wunsch nach Beratung oder sonstigen Fragen könne die Ehefrau des Beschuldigten die Beschwerdeführerin aber jederzeit anrufen. Die Gespräche enthalten demnach neben Ausführungen etwa zu ausländerrechtlichen Fragestellungen eindeutige Bezüge zu dem gegen den Beschuldigten geführten Strafverfahren und einer möglichen Mandatierung der Beschwerdeführerin in diesem, die genügen, um den Anwendungsbereich der § 160a Abs. 1, § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO zu eröffnen.
2. Die Beschwerdeführerin, gegen die sich die Ermittlungsmaßnahmen nicht richteten, hätte über das, was ihr aus den verfahrensgegenständlichen Telefongesprächen bekannt wurde, gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO das Zeugnis verweigern dürfen.
Nach dieser Vorschrift bekanntgeworden ist dem Berufsausübenden all das, was ihm in anderer Weise als durch Anvertrauen im Sinne des Mitteilens in der erkennbaren Erwartung des Stillschweigens in funktionalem Zusammenhang mit seiner Berufsausübung zur Kenntnis gelangt, unabhängig davon, von wem, aus welchem Grund oder zu welchem Zweck er sein Wissen erworben hat. Nicht erfasst sind allein solche Tatsachen, die er als Privatperson oder nur anlässlich seiner Berufsausübung in Erfahrung gebracht hat (BGH, aaO mwN).
Ausgehend von diesen Maßstäben unterliegt der Inhalt der verfahrensgegenständlichen Telefongespräche dem Schutz des § 53 StPO. Ungeachtet des Umstands, von wem die Initiative für die Telefonate ausging, standen die Äußerungen der Gesprächspartner jeweils in ausreichendem Bezug zu der Funktion der Beschwerdeführerin als – möglicher – Verteidigerin des Beschuldigten. Hieran ändert es nichts, dass direkter Gesprächspartner der Beschwerdeführerin nicht der Beschuldigte, der sich in Untersuchungshaft befand, sondern dessen Ehefrau war.“
Und warum braucht man dafür den BGH?
Warum man den BGH braucht, ist recht einfach:
Der 4. Senat hatte die Frage noch offen gelassen in 4 StR 523/11.
Der 3. Senat hat kurioserweise erstmalig an demselben Tag, nämlich dem 18.02.14, an dem das OLG die aufgehobene Entscheidung gefasst hat, explizit auch das Anbahnungsgespräch dem Schutz des 160a/53 unterstellt (StB 8/13, die PM datiert vom 07.03.14). Das war also etwas zu spät für das OLG. Und bei StB 8/13 ging es auch noch nicht um die jetzt etwas knapp behandelte Frage der Anbahnung durch Dritte (als Vertreter? Boten? 1357 BGB?) wie hier durch die Ehefrau.
Braucht man dafür wirklich den BGH?