Der Kollege Gratz hat am Montag schon auf den OLG Naumburg, Beschl. v. 05.11.2015 – 2 Ws 215/15 – hingewiesen (vgl. hier: OLG Naumburg: Rechtlicher Hinweis auf Fahrverbot, Betroffener abwesend – Verfahren ist auszusetzen). In dem Beschluss ging es u.a. um die Verletzung des rechtlichen Gehörs des Betroffenen, der im Termin nicht anwesend war. Aber der Verteidiger, dem das AG einen rechtlichen Hinweis erteilt, dass es wohl ggf. ein im Bußgeldbescheid nicht vorgesehenes Fahrverbot festsetzen will. Dem daraufhin vom Verteidiger gestellten Aussetzungsantrag – § 265 Abs. 3 StPO lässt ein wenig grüßen – wird nicht statt gegeben.
Klar, dass die Verfahrensrüge des Betroffenen, die er auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gestützt hat, Erfolg hat. Sie ist ein Selbstläufer. Dazu das OLG: „Für das Gericht besteht aber aus dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens die Verpflichtung, von Amts wegen oder auf Antrag des Verteidigers, wie hier gestellt, die Hauptverhandlung auszusetzen, wenn sie wegen der veränderten Sach- oder Rechtslage die sachgerechte Verteidigung eine Besprechung des Verteidigers mit dem Mandanten erfordert (KK-OWi/Senge, § 74 Rn. 16).“
Und das OLG moniert noch eine weitere Verletzung des rechtlichen Gehörs, nämlich die Nichtbescheidung eines Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens durch den Amtsrichter in der Hauptverhandlung.
Schon alles ein wenig merkwürdig, wie da die Rechte des Betroffenen missachtet, um nicht zu sagen, mit den Füßen getreten werden. Einfach mal eben so in einem Verfahren zwei Gehörsverletzungen. Nun, das sieht das OLG auch wohl so. Denn es führt aus:
„Der Senat sieht sich zum wiederholten Male veranlasst, die Sache gemäß § 79 Abs. 6 OWiG an ein anderes Amtsgericht zu verweisen, weil er bereits mehrfach feststellen musste, dass den Betroffenen in Bußgeldsachen beim Amtsgericht Dessau-Roßlau das rechtliche Gehör verweigert wird, und deswegen Anlass zu der Befürchtung hat, dass sich eine solche Grundrechtsverletzung bei Zurückverweisung an das Amtsgericht Dessau-Roßlau wiederholen wird.“
Wer mit Formulierungen von OLGs umgehen kann, weiß, dass das eine mehr als deutliche Rüge darstellt. Das ist nicht nur „we are not amusde“, sondern: Wir sind stinksauer. Und das mit Recht.
Mich erinnert das spontan an einen Beitrag neulich, in dem publiziert wurde, dass ein -oftmals freisprechender- Amtsrichter wegen Rechtsbeugung verurteilt worden ist und die Verurteilung vom BGH gehalten wurde. Da läge es doch wohl nahe, sich die Frage zu stellen, ob nicht bei solch offenbar wiederkehrenden Gehörsverletzungen der Verdacht einer Rechtsbeugung besteht?
Da der oder die Richter/in ja verurteilt und nicht freigesprochen hat (wie bei dem rechtsbeugenden Richter), wird es mit Sicherheit keine Anklage und Veurteilung wegen Rechtsbeugung geben.
Ja, die Rechtsbeugung fiel mir hierzu auch gerade ein.
Kann man das nicht mit einem Klageerzwingungsverfahren bewerkstelligen?
Das sind ganz laute, schallende Ohrfeigen!
PATSCH! PATSCH! PATSCH! FFFLLLAAAATTTSCH!
Die haben sich diejenigen Bußgeldrichter in Dessau/Roßlau, die so verfahren, redlich verdient!