Fangen wir nach den Feiertagen ganz einfach und leicht wieder an, und zwar mit einer Problematik, zu der der BGH auch immer wieder Stellung nimmt/nehmen muss (vgl. kurzem der BGH, Beschl. v. 30.12.2014 – 2 StR 403/14 und dazu: Klassischer Fehler XXIII: Urteil ohne Einlassung, das ist ein “Anfängerfehler”). Heute ist es der OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 20.01.2015 – 1 Ss 8/14 – der die Frage der Einlassung in den Urteilsgründen behandelt. Das AG hatte den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung verwarnt und sich die Festsetzung einer Geldstrafe vorbehalten. Das OLG hebt auf, weil ihm die Beweiswürdigung und die Mitteilung der Einlassung des Angeklagten nicht ausreicht:
„Diese Beweiswürdigung hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Die Aufgabe, sich an der Grundlage der vorhandenen Beweismittel eine Überzeugung vom tatsächlichen Geschehensablauf zu verschaffen, obliegt grundsätzlich allein dem Tatrichter. Dem Revisionsgericht ist es verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch seine eigene zu ersetzen (vgl. z. B. Senatsbeschl. v. 27.02.2007 – Az.: 1 Ss 286/06 – m.w.N.). Bei der Überprüfung des Urteils darf die Beweiswürdigung des Tatrichters daher nur auf rechtliche Fehler überprüft werden. Die Beweiswürdigung ist rechtsfehlerhaft, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist oder gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (vgl. Senatsbeschl. v. 07.09.2005 – 1 Ss 401/04 u. v. 30.08.2005 – 1 Ss 385/04 -; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 337 Rdziff. 27 m.w.N.). Aus § 261 StPO ergibt sich die Verpflichtung des Tatrichters, den festgestellten Sachverhalt, soweit er bestimmte Schlüsse zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten nahe legt, in Verbindung mit den sonst festgestellten Tatsachen erschöpfend zu würdigen. Die Gesamtwürdigung aller in der Hauptverhandlung festgestellten wesentlichen Tatsachen ist in den Urteilsgründen darzulegen, wobei insbesondere auch die Einlassung des Angeklagten und die Aussage der Zeugen mitzuteilen und unter Berücksichtigung der erhobenen Beweise in nachvollziehbarer Weise eingehend zu würdigen sind (vgl. z. B. Senatsbeschl. v. 07.09.2005 – 1 Ss 401/04 – u. v. 30.08.2005 – 1 Ss 385/04 -; Meyer-Goßner, aaO. § 267 Rdziff. 12 m.w.N.).
Diesen Anforderungen hält das angefochtene Urteil nicht stand. Die Einlassung der Angeklagten ist nicht zusammenhängend wiedergegeben. Lediglich an drei Stellen der Beweiswürdigung wird dieser – wie dargelegt – fragmentartig aufgeführt (Anm.: Zur Verdeutlichung werden diese Passagen in dem Senatsbeschluss kursiv und fett gedruckt wiedergegeben). Grundsätzlich hat der Tatrichter die Einlassung des Angeklagten zum Schuldvorwurf in den Urteilsgründen erschöpfend aufzunehmen und zu würdigen. Ohne die Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten und ihre Würdigung kann das Revisionsgericht nicht erkennen, ob der Beurteilung des Sachverhalts rechtlich fehlerhafte Erwägung zugrunde liegen (vgl. Senatsbeschl. v. 02.05.2007 – 1 Ss 365/06 -). Nur im sachlich und rechtlich einfach gelagerten Fällen von geringer Bedeutung kann unter Umständen auf die Wiedergabe der Einlassung ohne Verstoß gegen die materiell-rechtliche Begründungsfrist verzichtet werden (vgl. Senatsbeschl. v. 02.05.2007 – 1 Ss 365/06 -). Bei dem vorliegenden Sachverhalt ist eine erschöpfende Wiedergabe und Würdigung der Einlassung der Angeklagten im Hinblick auf den Tatvorwurf – fahrlässige Tötung – und der Komplexität der Beweiswürdigung geboten.“
Ich verstehe es nicht. Im Grunde ist das doch eine ganz einfache Geschichte. Warum da immer wieder Fehler gemacht werden, ist mir unerklärlich. So schwer ist es doch nicht, auch wenn mehrere Kühe im Spiel sind.
Im Grunde ganz einfach, auch wenn der Strafrichter üblicherweise wohl keine Beweisaufnahmen mit wenigstens 27 Zeugen (Z 1bis 26 und diverse „a“) und 4 Sachverständigen durchstehen und in ein Urteil gießen muss.
Viel schlimmer als diesen „Anfängerfehler“ zur Darstellung der Einlassung(en) (die erste Einlassung wird ja zumindest indirekt wiedergegeben, indem das Gericht darauf verweist, dass sie den Feststellungen entspreche) finde ich in dem Urteil die richterlichen Beweiswürdigungsregeln und Erfahrungssätze wie „der erste Gedanke ist der Richtige“ und „was man so beim Kondolieren zu tun pflegt“.
Vielleicht führt uns folgender Link bei der Untersuchung der Frage, warum gerade an deutschen Gerichten si unendlich viel Stuss geschrieben wird, weiter:
http://www.steigerlegal.ch/2015/04/02/richter-einkommen/
Der Richter am Gericht 1. Instanz in D verdient danach das 0,9fache des deutschen Durchschnittseinkommens.
Wen erwartet man denn für diese Bezahlung zu bekommen? Ganz bestimmt nicht die Besten.
ok, aber welchen Schluss soll ich daraus jetzt ziehen: schlechte Bezahlung rechtfertigt schlechte Leistung? 🙂
Dieses Kreuz so manches Amtsrichters scheint ein ähnliches zu sein, wie das Kreuz vieler Bußgeldverteidiger mit der Differenzierung zwischen „Beweistatsache“ und „Beweisziel“ – wobei letzteres dann doch um einiges vertrackter ist.
Die schriftliche Begründung sehr vieler amtsgerichtlicher Urteile ist kurz und schnell hingeschludert, was durchaus nicht immer daran liegen muss, dass der Richter schlecht oder das Ergebnis falsch wäre. Ein Amtsrichter hat bei den ihm zugemuteten Fallzahlen einfach nicht die Zeit, in allen Fällen revisionsfeste Urteilsbegründungen zu schreiben, die in gefühlten 99 % der Fälle (nämlich dann, wenn als Rechtsmittel die Berufung und nicht die Sprungrevision gewählt) sowieso in dieser Ausführlichkeit kaum einen interessieren. (Gut, interessieren vielleicht manchmal schon, aber rechtlich ist es im Falle der Berufung irrelevant, das Berufungsgericht muss die Beweisaufnahme ja ohnehin weitgehend wiederholen.) Da ist es verständlich, dass sich ein Richter lieber ein zwei Mal im Jahr eine Watsche von seinem OLG für unzureichende Urteilsgründe abholt, als über jeden nicht rechtskräftigen Fall einen halben Roman zu schreiben.
Na ja, das kann man auch anders sehen/machen und ggf. nachbessern 🙂
Nein, aber schlechte Bezahlung lockt (nur) schlechte Juristen an.
@RA Ullrich:
Mit derlei Rechtfertigungsversuchen brauchen Sie einem ehemaligen OLG-Richter nicht zu kommen.
@ Finanzminister: Ich glaube, die vom OLG angesprochene Frage, hat nichts mit „Jura“ zu tun, sondern nur damit, dass ich einfach mal ein wenig in der Rechtsprechung schaue. Das kann man auch als „schlechter Jurist“.
@ Purist: In der Tat, „hingeschludert“ gilt nicht, zumal man das auch anders organisieren kann. Im Übrigen: Beim OLG weiß man alles 🙂
Wer solche Urteile unbefangen liest (und nicht, wie Herr Burhoff, nur darauf erpicht ist, sich an den den Untergerichten erteilten „Watschn“ zu delektieren), wird in dieser Entscheidung viel eher den durchaus typischen Fall wiederfinden, dass dem Revsionsgericht die Beweiswürdigung des Tatrichters nicht passt und es, weil es an diese von Rechts wegen nicht herankommt, einen anderen Aufhebungsgrund an den Haaren herbeizieht.
Hier ging es doch offenbar allein darum, ob es die Kuh der Angeklagten gewesen war, die das Opfer tödlich verletzt hatte, oder irgendein anderes Tier, und das, was die Angeklagte (die bei dem Tierunfall ebensowenig zugegen war wie offenbar irgendjemand sonst) hierzu gesagt hatte, findet sich vermutlich erschöpfend in dem zitierten „Fragment“ wieder („Abweichend vom festgestellten Sachverhalt hat die Angeklagte bestritten…“).
Ersparen Sie sich doch dieses Blog. Das habe ich schon ein paar Mal empfohlen.
Herr Burhoff, nicht die Trolle füttern 🙂
wer wird denn so etwas sagen?. aber: Die bekommen wir schon satt. immer schön unter dem Deckmantel der Anonymität, da kann man gut kommentieren 🙂
Wer sein eigenes Geschreibe als sehr peinlich empfindet, aber aus irgendwelchen Gründen sich trotzdem nicht zurückhalten mag oder sogar kann, der kommentiert eben anonym. 😉