Eine interessante Frage, um deren Antwort es in der Praxis während der Hauptverhandlung häufig Streit gibt, behandelt der BGH, Beschl. v. 29.12.2014 – 2 StR 29/14. Es geht um die Frage, in welchem Umfang der Angeklagte sich durch Verlesen (einer Erklärung) zur Sache einlassen darf/kann. Dass es nach der Rechtsprechung wohl nicht reicht, wenn der Verteidiger eine Erklärung des Angeklagten verliest, ist m.E. überwiegende Meinung. Auch kann nach der Rechtsprechung des BGH die Vernehmung des Angeklagten zur Sache grundsätzlich nicht durch die Verlesung einer schriftlichen Erklärung des Angeklagten durch das Gericht ersetzt werden. Was aber geht: Die Verlesung eines Manuskripts = einer vorbereiteten Erklärung durch den Angeklagten. Dazu der o.a. BGH, Beschl.:
„2. Der Angeklagte Z. beanstandet auch zu Recht mit einer seiner Rügen das Verfahren.
a) Nach dem durch das Protokoll der Hauptverhandlung belegten Vor-bringen des Beschwerdeführers Z. wollte dieser nach Verlesung des Anklagesatzes eine Sacheinlassung abgeben und dazu ein umfangreiches maschinenschriftlich erstelltes Manuskript verlesen, dem auch Anlagen beigefügt waren. Die Verlesung wurde ihm vom Vorsitzenden insgesamt untersagt, weil dies nicht als Teil der Vernehmung anzusehen sei. Diese prozessleitende Verfügung wurde auf Beanstandung der Verteidigung von der Strafkammer bestätigt. Daraufhin sah der Angeklagte Z. zunächst von der Abgabe einer Einlassung ab. Er äußerte sich später mit nicht dokumentierten Äußerungen zur Sache. Einzelne Passagen aus dem Text des zu Protokoll eingereichten Schriftstücks wurden im Lauf der Hauptverhandlung auch vom Gericht verlesen, die Anlagen zum Manuskript wurden als Urkunden im Selbstleseverfahren ein-geführt.
b) Die Zurückweisung einer Sacheinlassung durch Verlesung eines Manuskripts durch den Angeklagten war rechtsfehlerhaft. Zwar erfolgt gemäß § 243 Abs. 5 Satz 2 StPO die Vernehmung eines Angeklagten zur Sache nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 StPO, also durch mündlichen Bericht, mündliche Befragung und diesbezügliche Antworten. Die Verlesung einer schriftlichen Er-klärung durch das Gericht würde dieser Verfahrensweise nicht entsprechen. Dem Angeklagten ist es aber gestattet, seine mündliche Äußerung unter Ver-wendung von Notizen oder eines Manuskripts abzugeben (vgl. LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 243 Rn. 76; SSW/Franke, StPO, 2014, § 243 Rn. 21; SK/Frister, StPO, 5. Aufl., § 243 Rn. 72; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 243 Rn. 31; Radtke/Hohmann/Kelnhofer, StPO, 2011, § 243 Rn. 42; KK/Schneider, StPO, 7. Aufl., § 243 Rn. 51).
c) Der Senat kann entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts nicht ausschließen, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht. Die Ausführungen des Angeklagten Z. in seinem Manuskript betreffen auch die innere Tatseite im Hinblick auf Einzelheiten zur aufwändigen Produktion und Ablieferung der Filme als aus seiner Sicht vertragsgemäße Leistungen, die das Landgericht so nicht erörtert hat. Hätte es die Einlassung entgegengenommen, wäre es gehalten gewesen, sich mit den wesentlichen Aspekten auch zur inneren Tatseite auseinanderzusetzen.“
Das was der BGH dazu zu sagen hat, scheint mir recht banal.
Die wirklich wichtigen Fragen wären doch, ob der BGH das Manuskript des Angeklagten auch zum HV-Protokoll nehmen muss und die Verlesung durch den Angeklagten dort ebenfalls dokumentieren muss. Oder ob nach der Verlesung des Manuskripts dort lediglich steht: „Der Angeklagte äußerte sich zur Sache.“ Die nächste Frage ist: Was, wenn der Angeklagte im Anschluss keine Fragen beantwortet? Teileinlassung?
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